weihnachten

Mein Weihnachtsbrief 2016

Heraus-Forderung

Weihnachten heißt nicht
dass alles so bleibt wie es ist
sondern das heißt
dass alles so wird, wie es werden soll

das ist
Aufbruch
Anfang
Anders

das ist
Losgehen
Loslassen
Lösen

das ist die
Zumutung,
die mich
heraus-
fordert.

Andrea Schwarz
Aus: Andrea Schwarz, Eigentlich ist Weihnachten ganz anders – Hoffnungstexte, Freiburg im Breisgau 2007, Seite 122

Wir können auch sagen, dass es Jesus vorrangig um die Menschwerdung aller Menschen in unserer Welt geht. Er möchte also, dass sich alle Menschen sattessen können, dass sie gesundes Wasser haben, eine Gesundheitsversorgung und auch eine menschenwürdige Arbeit. Wir wissen, dass wir weltweit noch weit davon entfernt sind. Millionen Menschen hungern und verhungern. Die Arbeitslosigkeit ist weltweit ein großes Problem. Es geht aber nicht nur darum, dass alle Menschen eine Arbeit haben – es geht darum, dass sie eine menschenwürdige Arbeit haben.

Kaplan Franz Sieder
Aus: Kaplan Franz Sieder, Eine brave Kirche ist nicht die Kirche Jesu Christi, Politische Predigten, Amstetten, Seite 27

„Eigentlich ist Weihnachten ganz anders“, meint Andrea Schwarz. „Gott kommt nicht zu den Reichen, Starken, Schönen, um mit ihnen rauschende Feste zu feiern, sondern er kommt zu den Kleinen, Armen und Schwachen.“ Und so ist Weihnachten immer wieder aufs Neue Motivation zum Einsatz für eine gerechtere, friedlichere, solidarische und eigentlich menschlichere Welt.

Ich lade herzlich ein zum Gottesdienst zum Weltfriedenstag von Pax Christi Wien, der Aktionsgemeinschaft ChristInnen für die Friedensbewegung und der Wiener Friedensbewegung mit Kaplan Franz Sieder am Sonntag, 1. Jänner 2017 um 18:00 Uhr im Wiener Stephansdom.

Mehr Mut für unser Engagement
für eine gerechtere und friedliche Welt wünsche ich auch heuer wieder uns allen.

In diesem Sinne:

Gesegnete und frohe Weihnachten
und alles Gute für ein friedliches 2017

Alois Reisenbichler

 

 

Weihnachtsbrief 2015:

Lobgesang der Maria

 

Loben und preisen will ich dich, mein Gott,
dass du in mir Wohnung genommen
und mir mit dem Feuer des Heiligen Geistes
Leib und Seele entzündet hast.
Seitdem ich erfahren habe,
dass du auf Seite der Schwachen,
der Ohnmächtigen und Entrechteten stehst,
fühle ich mich ermutigt und gestärkt,
mich einzusetzen für eine gerechtere Welt,
in der es keine Reichen und keine Armen,
keine Übersättigten und keine Hungernden,
keine Herrschenden und keine Unterdrückten
mehr gibt,
damit jeder Mensch auf dieser Erde
in Würde und Freiheit,
in Gerechtigkeit und Frieden leben kann,
wie es für alle Zeit dein Wille ist.

Christa Spilling-Nöker
nach dem Magnificat, Lukas 1, 46 – 55
Aus: Ein Licht inmitten der Nacht, Gesegnete Weihnachten, Herder Weihnachtsbuch 2015, Freiburg im Breisgau 2015, Seite 115

Eine Welt, wo jede und jeder in Würde und Freiheit, in Gerechtigkeit und Frieden leben kann – dafür arbeiten viele engagierte Menschen in aller Welt – und es ist auch meine große Hoffnung. Unsere gelungenen Friedensaktivitäten waren das schönste in diesem Jahr, der Einsatz so vieler Menschen für Flüchtlinge war und ist das wichtigste Ereignis.

Ich lade herzlich ein zum Gottesdienst zum Weltfriedenstag von Pax Christi Wien und der Aktionsgemeinschaft ChristInnen für die Friedensbewegung
mit Kaplan Franz Sieder
am Sonntag, 3. Jänner 2016 um 18:00 Uhr im Wiener Stephansdom.

Mehr Mut für unser Engagement
für eine gerechtere und friedliche Welt wünsche ich auch heuer wieder uns allen.

 

In diesem Sinne:

Gesegnete und frohe Weihnachten
und alles Gute für ein friedliches 2016

Alois Reisenbichler

 

 

 

Weihnachtsbrief 2013

Anbetung der Hirten

 

Um Betlehem ging ein kalter Wind,
Im Stall war das arme Christuskind,
Es lag auf zwei Büschel Grummetheu,
Ein Ochs und ein Esel standen dabei.

Die Hirten haben es schon gewisst,
Dass selbiges Kindlein der Heiland ist.
Denn auf dem Felde und bei der Nacht
Hat’s Ihnen ein Engel zugebracht.

Sie haben gebetet und sich gefreut,
Und einer sagte: Ihr lieben Leut‘,
Ich glaub’s wohl, dass er bei den Armen steht,
Schon weil’s ihm selber so schlecht ergeht.

Ludwig Thoma
aus: Bibliothek der Provinz, Weihnacht – Gedichte, Weitra Heidenreichstein, ohne Jahreszahl, Seite 57

 

Unsere Stimme erheben

n wirAls Alternative zum Kapitalismus brauchen wir eine Wirtschaft, die den Men­schen zum Ziel hat und nicht die Profitmaximierung. Wir brau­chen eine Politik, die über die Wirtschaft dominiert und nicht umgekehrt und als Christinnen und Christen müssen wir eine Politik fordern, die nicht eine Politik für die Reichen ist, sondern - so wie es der Papst fordert – immer eine klare Option für die Armen und die Schwachen der Gesellschaft hat. Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit und es gibt keine Gerechtigkeit ohne Grundsatz der Gleichheit aller Menschen unserer Erde. Dietrich Bonhoeffer, der im KZ ermordet wurde, sagte damals: „Ihr habt erst dann das Recht, in den Klöstern und Domen Cho­räle zu singen, wenn wir auch laut schreit gegen das Unrecht, dass den Juden angetan wird.“ Analog zu dieser Aussage möchte ich heute sagen: Ihr habt erst dann das Recht schöne und feierliche Liturgien im Dom zu fei­ern, wenn Ihr zugleich eure Stimme erhebt gegen das Unrecht, das täglich Millionen von Menschen auf unserer Welt angetan wird.

 

Kaplan Franz Sieder
Predigt beim Friedensgottesdienst am 26. Mai 2013 im Wiener Stephansdom

 

Weihnachten und unser Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung (Umweltschutz) gehören zusammen. Ich bin sehr froh, dass Papst Franziskus klar ausspricht, dass diese Wirtschaft töte, weil sie allein nach dem Gesetz des Stärkeren funktioniere und eine Kultur des Abfalls schaffe, in der Menschen wie Müll behandelt würden.
 

Mehr Mut für unser Engagement
für eine gerechtere und friedliche Welt wünsche ich uns allen.

In diesem Sinne:

Gesegnete und frohe Weihnachten
und alles Gute für ein friedliches 2014

 

Alois

 

Weihnachtsbrief 2012

Ein Richtungswechsel im Denken und Handeln

Beim UN-Gipfel für Nachhaltige Entwicklung vom 20. bis 22. Juni dieses Jahres in Rio de Janeiro (Rio+20) haben Vertreter aus 188 Staaten ein Papier mit dem Titel „Die Zukunft, die wir wollen“ verabschiedet, das von ökologischem Wirtschaften spricht und wieder einmal im Bereich Umwelt die „Nachhaltigkeit“ beschwört. Konkrete Maßnahmen, Pläne oder Fristen scheinen im Abschlussdokument jedoch nicht auf. Absichtserklärungen allein haben aber noch nie die Welt zum Besseren verändert.

Ein Richtungswechsel im Denken und Handeln ist dringend notwendig, eine Entwicklung, die auf die Bewahrung und Förderung des Lebens, der menschlichen Fähigkeiten, auf Bildung, Gesundheit, Sicherheit, menschenwürdiges Wohnen, auf ökologisch verantwortbare Bewirtschaftung der Böden, auf verantwortungsvolle Nutzung der Wasservorkommen, auf behutsamen Umgang mit der Biodiversität abzielt. Gefordert sind gleichzeitig die unverzügliche Vernichtung aller Atomwaffen und der Ausstieg aus der Kernenergie, die wie ein Damokles-Schwert über der gesamten Menschheit hängt.

Nur ein Bewusstseinswandel mit, für alle Völker und Menschen verbindlichen, konkreten Maßnahmen wird unseren Planeten vor dem Untergang retten.

Erwin Kräutler
Bischof vom Xingu
Botschaft zum Hiroshimatag, 6. August 2012, www.hiroshima.at

 

Gerade heuer wurde mir die Zerbrechlichkeit und Sterblichkeit des Menschen bewusst: Sehr schnell kann es dazu kommen, dass sogar der eigene Körper nicht mehr mitmachen will. Ein lieber Freund ist verbrannt – eine Kerze, die er verwenden musste, weil sie ihm auf Grund seiner Zahlungsschwierigkeiten den Strom abgedreht haben, hatte seine Wohnung entzündet. Ein tragisches Ereignis und eigentlich ein Skandal – heuer mitten in Wien-Simmering.

„Wir lassen sie verhungern“, sagt klar Jean Ziegler, die Wirtschaftskrise zerstört die Existenz von Millionen Menschen in den Industrieländern und vor allem im Süden; Atombomben und andere Waffen werden weiter „modernisiert“, Kriege werden geführt und neue geplant, die Umwelt zerstört. …

Weihnachten: „Das Kind in der Krippe wird die Botschaft von der Liebe Gottes den Menschen weitergeben, sein Leben wird davon erfüllt sein und eine große Anziehungskraft haben. Wie schon bei seiner Geburt, werden es vor allem die Menschen am Rande sein, die Hirtinnen und Hirten aller Zeiten, die Neugierigen, die Weisen aller Jahrhunderte, die diese Botschaft hören. Die Herrschenden dagegen wird die Botschaft des Jesus von Nazareth immer wieder irritieren, weil sie ihre Macht in Frage stellt, weil sie von einer anderen Macht redet und einem Reich, das nicht von Gewalt, sondern von Liebe zusammengehalten wird. Es ist eine Umkehr der Verhältnisse, die Jesus predigt, eine Kontrastgesellschaft, die er mit seinen Worten ausmalt und die er lebt. Der Höhepunkt dieser Umkehr der Verhältnisse wird sein, dass der Tod nicht das letzte Wort behält. Der „Thrill of Hope“, dieser Schauer, diese Ahnung, dieses Flimmern der Hoffnung wird zur revolutionären Infragestellung all dessen, was als „Lauf der Zeit“ und „Gang der Dinge“ hingenommen wird. (…) Diese Hoffnung wird die Menschen auf den Weg bringen wie die Gestalten der Weihnachtsgeschichte. Sie werden sich nicht abfinden, mit den vermeintlich unabänderlichen Verhältnissen, die sie vorfinden – weil die Welt schon verändert ist.“ (Margot Käßmann, Gottes zu Zukunft, in Ulrich Sander, Hoffnung leuchtet wie ein Stern, Freiburg im Breisgau 2012, Seite 67)

In diesem Sinne:

Gesegnete und frohe Weihnachten
und alles Gute für ein friedliches 2013

Alois Reisenbichler

 

 Weihnachtsbrief 2011

 

Ein Kind

Kein imposanter Herr, kein Kriegsheld. Ein Neugeborenes. Gott macht sich selbst verletzlich, kommt uns Menschen nah. Diesem Gott können wir uns anvertrauen. Das Kind in der Krippe, die Verletzlichkeit des Lebens, stellen einen Widerspruch dar gegen das Toben der Gewalt, gegen die Macht der Gewehre und der Bomben. Frieden meint ja: Menschen können ohne Angst leben, haben Nahrung und Obdach, Bildung für ihre Kinder, Gesundheitsversorgung. Als Christinnen und Christen haben wir in diesen Tagen die Hoffnung wach zu halten, dass das möglich ist auf dem Planeten Erde. (…) Gegen alle Finsternis zünden wir ein Licht an, erzählen die Geschichten weiter von der Zukunft Gottes, in der Krieg und Geschrei ein Ende haben werden. Das meinen die Lichter zur Weihnachtszeit. Es gibt Hoffnung in dieser Welt.

Hoffnung, die Menschen in Dunkelheit erreicht. Solche in den Kellern, die Angst vor Bomben haben. Solche auch in den Kellern der Einsamkeit, die an Weihnachten keinen Menschen haben, mit dem / der sie sprechen können. Diejenigen in unserem Land, die Angst haben vor der Dunkelheit der Arbeitslosigkeit.

Kürzlich habe ich ein Plakat gesehen mit einer großen Friedenstaube über dem Erdball: Darunter stand: „Wir alten Europäer haben einen Vogel. Gott sei Dank!“ Das gefällt mir. Wenn Europa ein Ort wäre, an dem nach all den Erfahrungen von Leid und Krieg endlich der Wille zum Frieden stärker ist als die Rechthaberei. Wenn wir endlich den Mut hätten zu einer Kontrastperspektive, wie die Bergpredigt sie entwirft. Wenn wir für Gerechtigkeit und Frieden eintreten, für Gewaltüberwindung und Bewahrung der Schöpfung mit der angemessenen Gelassenheit, Hoffnung und auch Heiterkeit des Glaubens. Dann stehen wir in der Nachfolge des Kindes in der Krippe, das für uns das Licht der Welt ist. Ja, es scheint mitten in der Finsternis. Und auch durch dich und mich.

Die Ankündigung der Geburt des Gotteskindes ist wie ein Stern am Himmel, ein Licht über diese Welt, das sagt: „Gebt nicht auf, lasst euch nicht entmutigen! Behaltet die Vision im Auge, dass etwas verändert werden kann!“

 

Margot Käßmann
Wenn die Dunkelheit leuchtet, Auf Weihnachten zugehen, Freiburg im Breisgau 2010, Seite 62 / 63

Fukushima – die atomare Katastrophe ist nach einem dreiviertel Jahr nicht „im Griff“; die Bedrohung durch Atomwaffen; die Aufrüstung, auch in den EU-Staaten; Zerstörung des Planeten und nur halbherzige internationale Vereinbarungen; die Finanz- und Wirtschaftskrise, die sich immer mehr als gigantische Umverteilung von unten nach oben und als Raubzug gegen die Armen zeigt (vor allem im Süden, aber auch bei uns) …. es gibt viele Gründe, dass uns „die Luft ausgeht“ und wir verzweifeln. Trotzdem werde ich nicht aufhören, zu hoffen, auf das Engagement von ALLEN Menschen „guten Willens“! 

In diesem Sinne:

Gesegnete und frohe Weihnachten
und alles Gute für ein friedliches 2012

 Alois Reisenbichler

 

Weihnachtsbrief 2010

 

 

 

Frieden

 

Frieden,

ein Wort, das wir alle kennen,

ein Zustand, den wir alle herbeisehnen,

eine Wirklichkeit, die wir uns alle wünschen.

 

An der Deutung dieses Begriffes scheiden sich allerdings die Geister.

Was ist denn Frieden?

Nur Waffenruhe und Abrüstung?

Nur Schutz und Sicherheit innerhalb der Staatsgrenzen?

Nur Wohlstand und Wohlbefinden im eigenen Land?

Nur internationale Abkommen zur Verteidigung besonderer Interessen?

 

Frieden meint viel mehr!

Frieden ist liebende Solidarität zwischen Menschen und Völkern.

Frieden ist geschwisterliches Teilen über alle Grenzen hinweg.

Frieden ist weltweite Garantie der Menschenwürde und -rechte.

Frieden ist unumstößliche Gleichberechtigung aller Menschen und Rassen.

Frieden ist gemeinsame Verantwortung für die Schöpfung, unsere Mit-Welt.

Frieden ist die schönste Frucht der Gerechtigkeit.

 

 

 

 

Bischof Erwin Kräutler

Träger des Alternativnobelpreises 2010

 

Grußadresse zum Hiroshimatag 2010 – www.hiroshima.at

 

Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist noch lange nicht vorbei – die Lasten tragen die Armen bei uns und vor allem weltweit.

 

„Das ist der wahre Kern von Advent und Weihnachten: die Dunkelheit wahrnehmen, im persönlichen Leben, im Umfeld, in der Stadt, in dieser Welt. Und die Sehnsucht wach halten, dass es anders sein könnte, heller, kreativer, lebensfroh, ja lebenssatt. (…) Mitten in der Dunkelheit leuchtet radikal die Hoffnung, dass alles ganz anders werden kann.“ (Margot Käßmann).

 

In diesem Sinne:

 

Gesegnete und frohe Weihnachten
und alles Gute für ein friedliches 2011

 

 Alois Reisenbichler

 

 

 

 

 

Zwei Anmerkungen:

Da ich mich in Zukunft mehr auf meinen Beruf als Interviewer konzentrieren muss, bitte ich mich vor allem zwischen 21.30 Uhr und 01.00 Uhr anzurufen.

Eine herzliche Einladung der Friedensinitiative Donaustadt: Dienstag, 8. Februar 2011, „Die Waffen nieder - dem Elend ein End“ Friedenslieder, gesungen und erklärt von Ernst Toman, und Texte von Dorothee Sölle, gelesen von Alois Reisenbichler, Donaucitykirche, 1220  Wien, Donaucitystraße 2 (U1 Kaisermühlen – VIC).

Weihnachtslesung 2010

Lichter in der Nacht

 

Lichter in der Nacht, wie das Leben:

Flirrende Heiterkeit
einer glitzernden Großstadt am Meer.

Unter schaukelnden, leuchtenden Lampions sitzen am See
im leisen Pegel ruhiger Gespräche.

Die Sicherheit eines beständigen Blinkens
- ein Leuchtturm im Hafen.

Aus dem nächtlichen Flugzeug die Erde sehen
„übersponnen von Lichtgrüßen“.


Zeichen des Lebens und Inseln in einer unendlichen Dunkelheit:
Beleuchtete Häuser in einer nächtlichen Landschaft, deren Lichter sich grüßen.


Ein Dichter: „Jedes Haus zündet seinen Stern an
vor der unendlichen Nacht.“


keinE VerfasserIn genannt, aus Ulrich Sander (Hg.) Unterwegs zum Licht, Weihnachtliche Worte und Weisen, Herder, Freiburg im Breisgau 2010, Seite 118.

 

 

Phil Bosmans
Licht und Wärme


Licht, Frieden, Freude hängen nicht am Christbaum. Sie kommen nicht über dich mit etwas sentimentaler Musik. Weihnachtsmärkte, Wunschträume in Geschenkverpackung können kein einziges leeres Herz mit Glück erfüllen. In Armut und Kälte und in tiefer Verlassenheit ist einer in die Welt zu allen Menschen gekommen, der mit seinem ganzen Leben Licht und Wärme sein wollte. An einem Kreuz hat der die Welt wieder verlassen. Wenn du offen bist für das Geheimnis dieses Menschen, offen wie ein Kind, wirst du in diesen Tagen Licht empfangen und Wärme fühlen. Ich wünsche dir in diesen Tagen Licht und Wärme im Herzen, um Menschen aus der Kälte zu holen und ein paar Sterne im Dunkel anzuzünden.

 aus Ulrich Sander (Hg.) Unterwegs zum Licht, Weihnachtliche Worte und Weisen, Herder, Freiburg im Breisgau 2010, Seite 69

 

 Ludwig Thoma
Die Heilige Nacht

So war der Herr Jesus geboren
im Stall bei der kalten Nacht.
Die Armen, die haben gefroren,
den Reichen war's warm gemacht.

Sein Vater ist Schreiner gewesen,
die Mutter war eine Magd,
Sie haben kein Geld besessen,
sie haben sich wohl geplagt.

Kein Wirt hat ins Haus sie genommen;
sie waren von Herzen froh,
dass sie noch in Stall sind gekommen.
Sie legten das Kind auf Stroh.
 

Die Engel, die haben gesungen,
dass wohl ein Wunder geschehn.
Da kamen die Hirten gesprungen
und haben es angesehn.

Die Hirten, die will es erbarmen,
wie elend das Kindlein sei.
Es ist eine G'schicht für die Armen,
kein Reicher war nicht dabei.
 

aus: Gilda Donata, Hubert Selig (Hg.), Welch ein Fest. Das große Weihnachtsbuch, Insel-Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2009, Seite 147

 

Dorothee Sölle
fürchtet euch nicht

die herrschenden können die schrift
an der wand nicht mehr übersehen
die beherrschten kehren sich ab vom kopfnicken
die Waffenhändler wagen nicht mehr
über die am boden liegenden zu steigen
die bischöfe geben die schlüpfrigen reden auf und sagen nein
die freunde und freundinnen jesu blockieren die Straßen des overkill
die schulkinder erfahren die Wahrheit
woran sollen wir einen engel erkennen
außer dass er und sie mut macht wo angst war
freude wo nicht mal mehr trauer wuchs
einspruch wo sachzwang herrschte
abrüstung wo terror glaubwürdig drohte
fürchte dich nicht der widerstand wächst

aus einer Weihnachtspredigt von Dorothee Sölle, zitiert u. a. in Ralph-M. Luedtke, Peter Strutynski (Hrsg.): Neue Kriege in Sicht. Menschenrechte - Konfliktherde - Interessen
Jenior-Verlag: Kassel 2006


Margot Käßmann
Licht scheint in der Finsternis

Weihnachten ist ein besonderes Fest. In den Bräuchen und Texten, den Gottesdiensten und Ritualen im Advent und in den Weihnachtstagen wird wie zu keiner anderen Zeit im Jahr deutlich, was das Johannesevangelium sagt: "Das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hat's nicht ergriffen." (Johannes 1,5)

 Das ist der wahre Kern von Advent und Weihnachten: die Dunkelheit wahrnehmen, im persönlichen Leben, im Umfeld, in der Stadt, in dieser Welt. Und die Sehnsucht wach halten, dass es anders sein könnte, heller, kreativer, lebensfroh, ja lebenssatt. Im Advent buchstabieren wir diese Sehnsucht als Warten. An Weihnachten zünden wir die Lichter an, damit die Hoffnung in der Dunkelheit spürbar, erfahrbar wird: Licht scheint in der
Finsternis.

 Aber oft wird das Licht in der Tat nicht wahrgenommen. Da streiten Familien. Da verzweifeln einsame Menschen. Da nimmt der Krieg kein Ende. Die Zerstörung ist greifbar. Keine Engel mit süßlichem Gesang, kein holder Knabe in lockigem Haar, sondern Brutalität, Entsetzen, Trauer und Resignation.

 Mir liegt daran, Advent und Weihnachten zu befreien aus all dem Kitsch und Glamour. Die biblische Geschichte ist ja gar keine kitschige Hollywood-Romanze nach dem Motto: alles wunderbar weihnachtlich. Nein, da sind zwei, die kämpfen um ihr Glück und um ihr Kind in äußerst widrigen Umständen. Es begegnen ihnen andere, die nicht gerade zur Elite der Zeit gehören. Und sie erleben Wundersames. Ihr Leben wird verwandelt .

 Auch wenn dein Leben nicht gelingt, bist du doch wie Josef und Maria. Gesegnet. Auch wenn nicht alles heil ist, bist du doch bei den Hirten. Das Licht gilt dir in der Dunkelheit. Auch wenn du den Weg nicht genau weißt, sind die drei Weisen durchaus ein Vorbild. Du kannst dem Stern trauen.

 Die Geburt des Gotteskindes kann nur von Ostern her beleuchtet werden. Der Tod ist überwunden. Alle Tränen werden abgewischt und Leid, Not und Geschrei werden ein Ende haben. Weil Jesus von Nazareth aus dieser Hoffnung heraus zum Christus wurde, haben wir als Christinnen und Christen Hoffnung. Auf eine Zeit nach dieser Zeit und Welt. Aber eben auch mitten in dieser Zeit und Welt. Mitten in der Dunkelheit leuchtet radikal die Hoffnung, dass alles ganz anders werden kann. In Gottes Zukunft gewiss. Aber auch schon jetzt und hier kann das Licht erfahren werden mitten in den dunklen Erfahrungen, die wir immer wieder machen: als Einzelne, als Gesellschaft, als Welt.

 Ja, ich bin eine Weihnachtschristin. Aber das heißt eben nicht, das Elend, das Leid, die Trauer und die Tränen auszublenden. Sie gehören mitten hinein in die Weihnachtsgeschichte. Wenn wir das begreifen, dann leuchtet der Stern von Bethlehem umso heller mitten in der Dunkelheit unserer Welt.

Aus: Margot Käßmann, Wenn die Dunkelheit leuchtet. Auf Weihnachten zugehen, Kreuz Verlag, Freiburg 2010, Seite 7 - 9, zitiert in: Ulrich Sander (Hg.), Unterwegs zum Licht. Weihnachtliche Worte und Weisen, Herder-Verlag. Freiburg 201, Seite 19 / 20.
 

Bischof Erwin Kräutler
Frieden

 
Frieden,
ein Wort, das wir alle kennen,
ein Zustand, den wir alle herbeisehnen,
eine Wirklichkeit, die wir uns alle wünschen.

 An der Deutung dieses Begriffes scheiden sich allerdings die Geister.
Was ist denn Frieden?
Nur Waffenruhe und Abrüstung?
Nur Schutz und Sicherheit innerhalb der Staatsgrenzen?
Nur Wohlstand und Wohlbefinden im eigenen Land?
Nur internationale Abkommen zur Verteidigung besonderer Interessen?

 Frieden meint viel mehr!
Frieden ist liebende Solidarität zwischen Menschen und Völkern.
Frieden ist geschwisterliches Teilen über alle Grenzen hinweg.
Frieden ist weltweite Garantie der Menschenwürde und -rechte.
Frieden ist unumstößliche Gleichberechtigung aller Menschen und Rassen.
Frieden ist gemeinsame Verantwortung für die Schöpfung, unsere Mit-Welt.
Frieden ist die schönste Frucht der Gerechtigkeit.

Grußadresse zum Hiroshimatag 2010, www.hiroshima.at

 

Dorothee Sölle
Weihnachtsgebet

Wir wollen beten um das licht
das in die finsternis der welt
und in die finsternis unserer herzen scheint.

 

Lass dein licht leuchten
allen einsamen in der welt
allen alleingelassenen und hinterbliebenen
allen jungen menschen die sich nicht zu hause fühlen
und allen verlassenen frauen
lass uns nicht an ihnen vorbeisehen
sondern dein licht des trostes verbreiten
lass die einsamen wissen dass keiner / keine allein ist
nicht im schmerz
nicht in der depression
nicht in der niederlage um der gerechtigkeit willen
lass uns alle dein licht sehen
damit wir selber licht werden
mach uns stark in deinem licht
der gewaltfreiheit
des gedächtnisses
der solidarität
und laß uns beten wie dein lichter
sohn uns gelehrt hat


Unser vater


Gott segne uns und behüte uns
das licht von bethlehem scheine in unsern herzen
und dringe vor aus dem elendsstall
bis in die paläste
wir sind das licht der welt
geht hin, frieden zu schaffen


zitiert in Dorothee Sölle, Leidenschaft für das Leben, ein Jahresbegleiter, Kreuz-Verlag, Freiburg 2009, Seite 213 / 214

Weihnachtsbrief 2009:

 

Geschwisterliches Miteinander

Das Reich Gottes ist geschwisterliches Miteinander und liebende Solidarität. Das Reich Gottes ist wie das Herz einer Mutter, das allen Kindern Zärtlichkeit schenkt. Das Reich Gottes ist Oikos, ist Heim, wie das griechische Wort übersetzt heißt, für alle Menschen. Viele Schwestern und Brüder mussten vor ihrer Zeit sterben, weil sie dieses Heim verteidigt haben. (…)

 

Die strukturelle Gewalt in Amazonien erfordert unser Handeln, wenn nicht nur Einzelne ausgebeutet, bedroht, misshandelt und vergewaltigt werden, sondern ganze Gruppen in der Stadt und auf deLand Ziel von Angriffen und Opfer von Ungerechtigkeit, Missachtung, Vertreibung oder Ermordung sind. (…) Unsere Antwort auf diese Realität ist Gewaltlosigkeit, der neue Name für Sanftmut, der dem Einsatz eine aktivere, dynamischere Dimension verleiht. (…)

  

Im Reich Gottes gibt es keine von Grund und Boden Vertriebenen, keine vom Festmahl des Lebens Ausgeschlossenen, keine ihrer Heimat Beraubten, keine vom Neoliberalismus Erdrückten.


Das verheißene „schöne, weite Land, das Land, in dem Milch und Honig fließen“ (Ex 3,8) ist gleichbedeutend mit dem Reich Gottes. Es ist kein fernes, unerreichbares, utopisches, erträumtes Land. Das Reich Gottes ist konkret und hat Auswirkungen auf die Gesellschaft, auf die Welt von heute und immer. Das Reich Gottes beginnt hier und jetzt und führt uns ins himmlische Jerusalem, wenn Gott alle Tränen von unseren Augen abwischt. (…)

  

Bischof Erwin Kräutler
Aus: Erwin Kräutler: Rot wie Blut die Blumen - ein Bischof zwischen Tod und Leben,
Otto Müller Verlag, Salzburg – Wien 2009, S. 67 - 69

 

  

Nach vielen Jahren Engagement bin ich in Gefahr, an der Wirklichkeit, die auch im reichen Norden für die „kleinen Leute“ immer schwieriger wird, zu verzweifeln: Bischof Kräutler schreibt: „Es ist nicht nur Traurigkeit, die ich beim Abschied in manchen Gemeinden empfinde, oft ist es auch Betroffenheit, Empörung und unendliche Ohnmacht, angesichts der Probleme und Sorgen, die das Leben der Leute bestimmen.“

 

„Hoffnungslosigkeit ist Luxus“sagt Dorothee Sölle, die verlangt, „Wissen und Hoffnung miteinander zu verbinden: ein Wissen nicht als Wissen anzuerkennen, wenn es keine Hoffnungsperspektive enthält. Ein Hoffen sich nicht zu leisten, wenn es dem Wissen nicht standhält.“ (Dorothee Sölle, Gott im Müll, München 1992).

 

 

In diesem Sinne:

 

Gesegnete und frohe Weihnachten
und alles Gute für ein friedliches 2010

 Alois Reisenbichler

 

 

Weihnachtsbrief 2008:

ArbeiterInnen-Stille-Nacht

1. Stille Nacht, traurige Nacht,
rings umher Lichterpracht!
In der Hütte nur Elend und Not,
kalt und öde, kein Licht und Not,
kalt und öde, kein Licht und kein Brot,
I: schläft die Armut auf Stroh :I

2. Stille Nacht, traurige Nacht,
hast du Brot mitgebracht?
fragen hungrige Kinderlein.
Seufzend spricht der Vater: "Nein.
I: Bin noch arbeitslos!" :I

3. Stille Nacht, traurige Nacht,
drunten tief in dem Schacht
schlagen Wetter, welch grässliche Fron!
Gräbt der Bergmann für niedrigen Lohn
I: für die Reichen das Gold. :I,

4. Stille Nacht, traurige Nacht,
Henkersknecht hält die Wacht;
In dem Kerker gefesselt, geächt',
leidet schmachtend für Wahrheit und Recht
I: mutige Kämpferschar. :I

5. Stille Nacht, traurige Nacht,
Arbeitsvolk, aufgewacht!
Kämpfe mutig mit heiliger Pflicht,
bis die Weihnacht der Menschheit anbricht,
I: bis die Freiheit ist da. :I

 

Die bittere Not, die in diesem ArbeiterInnenlied aus Jahre 1920 beschrieben wird, war schon in den vergangenen Jahrzehnten für die Mehrheit der Menschheit, die im Süden lebt, Alltag - und es ist heute noch schlimmer geworden. Die Lasten der Krise werden nun auch bei uns im reichen Norden verstärkt auf die ArbeiterInnen und sozial Schwachen abgewälzt.

 

Die Botschaft von Weihnachten ist untrennbar mit Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung verbunden:

 

"Die Mächtigen stürzt er vom Thron und die Kleinen hebt er empor. Die Hungrigen erfüllt er mit Gütern und die Reichen lässt er leer ausgehen (Lk., 1,52 - 53). Dieses Preislied der Gottesmutter Maria ist eine Kampfansage an den Neoliberalismus, ist eine Kampfansage an das kapitalistische Wirtschaftssystem. Der Kapitalismus ist auch ganz und gar nicht im Sinn des Evangeliums. Jesus ist es damals gegangen und es geht ihm geht auch heute um das Werden und Wachsen des Reiches Gottes in unserer Welt. Unter Reich Gottes hat Jesus konkret verstanden den Frieden unter den Menschen – eine gerechte Gesellschaft - ein menschenwürdiges und sinnvolles Leben für alle Menschen unserer Erde." (Kaplan Franz Sieder, Predigt, 27. August 2008 in Mariazell)

"Wir können Weihnachten heute nur feiern aus dem Geist der Befreiung, ein Geist, der uns auf den gemeinsamen Weg der Befreiung führt." (Dorothee Sölle, Predigt, 24. Dezember 1972 in Köln, Sympathie, Stuttgart 1978, S. 289).

In diesem Sinne:


Gesegnete und frohe Weihnachten
und alles Gute für ein friedliches 2009


Alois Reisenbichler.

 

WEIHNACHTEN 2007

Nicht bereit zum Löschen
 

 

Der Philosoph Sören Kierkegaard erzählt folgende Geschichte: „In einem kleinen dänischen Ort lässt sich ein Wanderzirkus nieder. Vor der Vorstellung bricht plötzlich im Zirkus ein Brand aus. Der Direktor schickt den schon für die Vorstellung geschminkten Clown in das nahe gelegene Dorf, um den Menschen zu sagen, dass sie kommen und mit helfen sollen, um den Brand zu löschen. Die Leute aber glauben dem Clown nicht. Sie denken, dass seine Botschaft ein Werbetrick ist, um sie in den Zirkus zu locken. Der Zirkus brannte nieder und durch die Funken wurden auch einige Stroh gedeckte Häuser des Dorfes entzündet.“

 

Viele, die heute die Menschen auf die Gefahren der Zukunft aufmerksam machen möchten, empfinden sich in der Position dieses Clowns. Die Menschen glauben nicht, dass die Welt brennt. Sie glauben nicht, dass wir einer ökologischen Katastrophe entgegensteuern und dass die atomare Bedrohung wie ein Damoklesschwert über uns hängt. Weil sie die Botschaft nicht ernst nehmen, darum sind sie auch nicht bereit, beim Löschen zu helfen.

 

Kaplan Franz Sieder

Aus: Irmgard Schmidleithner, Alois Reisenbichler (Hg.)

"Gegen den Strom - Politische Predigten und Reden von Franz Sieder"
Zu bestellen über i.schmidleithner@aon.at

 

2007 war für mich persönlich ein gutes Jahr: Ich bekam unerwartet eine neue und schöne, berufliche Aufgabe in der Betriebsseelsorge Unteres Traisental in Herzogenburg. Wichtige Aktivitäten, bei denen ich mitarbeitete, wie z. B. der Friedensstand am Donauinselfest, die Aktion zum Hiroshimatag, der ACUS-Bundeskongress, das neue Buch von Kaplan Franz Sieder und die Barbarafeier in Herzogenburg, sind ein kleiner, aber wichtiger Beitrag, um über die bestehenden und drohenden Gefahren zu informieren.

 

Für die Menschheit war es leider wieder kein gutes Jahr: 800 Kinder sterben täglich an NICHTS, die atomare Bedrohung ist größer denn je, die Kriege gehen weiter wie die Aufrüstung, die Kluft zwischen Armen und Reichen wird größer (auch in Österreich), die bevorstehende Klimakatastrophe wurde heuer einer breiten Mehrheit bewusst …

 

Als Christ glaube ich wie Dorothee Sölle: „Es ist heute wichtig, das Stück Rebellion, das in Weihnachten steckt, wieder zu entdecken. Gott wurde Macht von unten. Er hat seine Sache dem Sohn anvertraut, und dieser Sohn hat allen Söhnen und Töchtern Mut zur Macht von unten gemacht.“

 

Gemeinsam mit allen Freundinnen und Freunden in der ArbeiterInnen-, der Friedens- und der globalisierungskritischen Bewegung bin ich überzeugt, dass eine gerechtere und friedliche, eine andere Welt möglich ist.

 

In diesem Sinne:

 

Gesegnete und frohe Weihnachten
und alles Gute für ein friedliches 2008

Alois Reisenbichler

 

 

 

 

  WEIHNACHTEN 2006

Macht von unten

Weihnachten ist nicht, wie man uns lange weismachen wollte, so etwas wie „Licht von oben“. Weihnachten ist Macht von unten. Man kann sich klarmachen, wie solche Sinnentleerung vor sich geht, wenn man beobachtet, mit welcher Konsequenz alle realistischen, plebejischen, niederen Elemente der Weihnachtsgeschichte getilgt worden sind: Vor lauter Stern haben wir uns angewöhnt, den dreckigen Stall zu übersehen, vor lauter Königen, die verängstigten Hirtinnen und Hirten vergessen oder zu idyllischen Schäfern gemacht, und in den Kirchen hört man viel über Lobgesang, aber nichts darüber, wie lange die Wehen bei Maria dauerten und ob sie sehr schrie.

Es ist heute wichtig, das Stück Rebellion, das in Weihnachten steckt, wieder zu entdecken. Gott wurde Macht von unten. Er hat seine Sache dem Sohn anvertraut, und dieser Sohn hat allen Söhnen und Töchtern Mut zur Macht von unten gemacht. Eine der ältesten Weihnachtshymnen der Christinnen und Christen besingt diese Änderung aller Machtverhältnisse, die Weihnachten anfing und noch lange nicht zu Ende ist. Er heißt da bei Ignatius über Christi Geburt: „Ein Stern strahlte am Himmel über allen Sternen … So löste sich das Band der Zauberei, und die Fessel der Bosheit verschwand, die Unwissenheit wurde entmächtigt und die alte Herrschaft zerstört, als Gott in menschlicher Gestalt erschien, um das unsichtbare Leben zu erneuern.“ Noch ist wenig davon eingelöst, das Band der Zauberei bindet uns an den Konsum, den wir auf Befehl anderer selber herstellen und zu Nutzen anderer wieder verbrauchen sollen; die Fessel der Bosheit ist nicht verschwunden, sie produziert weiter Kriege und wachsende Unterdrückung; die Unwissenheit wird gerade in unserem Land gestützt und künstlich aufrechterhalten; dass die alte Herrschaft zerstört sei, das möchte ich wohl glauben, aber sehr sichtbar ist es noch nicht geworden. Bestehen bleibt das Versprechen von Weihnachten, dass Gott als Macht von unten in menschlicher Gestalt erschien, um das unsichtbare Leben zu erneuern.

Dorothee Sölle

Nach über 900 Bewerbungen konnte ich heuer wieder eine (bezahlte) Arbeit finden. Mein persönlicher Erfolg ist kein Grund, zu übersehen, dass auch im reichen Österreich immer mehr Menschen wirtschaftlich und sozial an den Rand gedrängt werden, nicht zu vergessen die Millionen, die weltweit verhungern. Die Kriege gehen weiter, neue werden geplant … Es besteht die Gefahr, an unserer Ohnmacht zu verzweifeln. Dorothee Sölle erinnert uns, an die Macht von unten, die für uns Christinnen und Christen zu Weihnachten sichtbar wird, an die Hoffnung auf unsere Macht von unten, die ich allen Freundinnen und Freunden, die sich auf Grund unterschiedlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen für eine bessere, gerechtere und friedlichere Welt einsetzen, wünsche.

In diesem Sinne:

Gesegnete und frohe Weihnachten
und alles Gute für ein friedliches 2007

Alois Reisenbichler

Den gesamten Text „Die Macht von unten“ findet man / frau in dem Buch Dorothee Sölle, Das Recht ein anderer zu werden, Theologische Texte, Stuttgart, Berlin 1981, Seite 7 – 16:

Macht von unten

Weihnachten ist nicht, wie man uns lange weismachen wollte, so etwas wie „Licht von oben“. Weihnachten ist – mit einem Wort aus der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung – Macht von unten. Nicht mehr, nichts Besseres, nichts Höheres. Es gibt kaum ein Fest, beim so überdeutlich wird, wie verkommen die christliche Tradition ist, wie sinnentleert und darum gut zu verkaufen. Man kann sich klarmachen, wie solche Sinnentleerung vor sich geht, wenn man beobachtet, mit welcher Konsequenz alle realistischen, plebejischen, niederen Elemente der Weihnachtsgeschichte getilgt worden sind: Vor lauter Stern haben wir uns angewöhnt, den dreckigen Stall zu übersehen, vor lauter Königen, die verängstigten Hirtinnen und Hirten vergessen oder zu idyllischen Schäfern gemacht, und in den Kirchen hört man viel über Lobgesang, aber nichts darüber, wie lange die Wehen bei Maria dauerten und ob sie sehr schrie. Die Geschichte ist sakralisiert worden, ihre Profanität wurde allmählich vergessen, weil es leichter ist, eine heilige Geschichte zum Trost zu benutzen, als von einer profanen zu lernen. Weihnachten ist Macht von unten. Mit Macht meine ich Stärke, Kraft, Freude und Freiheit, die unten ihren Anfang nehmen, die im Stall, auf dem Feld, am Arbeitsplatz sichtbar werden. Macht heißt hier soviel wie das Vermögen, zu erstarken, Freude zu erleben und zu verteilen und Befreiung herzustellen, es ist eine Macht, die sich nicht auf Befehl und Gewalt zu gründen braucht, weil sie nicht mit Herrschaft zu tun hat. Wenn Martin Luther King von „power“ spricht – auch in der Formel „black power“ –, so ist die Übersetzung „Gewalt“ falsch, weil im Amerikanischen „violence“ und „power“ unterschieden werden. Weihnachten nun, aber vielleicht müssen wir vorsichtiger sagen: Was damit gemeint war, fängt unten an, und Stall und Krippe, die von uns längst sentimental besetzten und von der Weihnachtsindustrie verbrauchten und verkauften Symbole, meinen nichts anderes als dieses „unten“. Es mag sein, dass einige von uns die Frage, was mit Weihnachten eigentlich gemeint sei, nur noch mit Erstaunen und Ungeduld ertragen. Da wir, so meinen sie, die Realität dieser Sache Weihnachten in einer kapitalistischen Wohlstandsgesellschaft ja vor Augen haben – welchen Sinn könnten solche bis zum Überdruss gestellten Rückfragen und Deutungen haben? Dienen sie nicht nur der Verschleierung dessen, was ist? Ich halte allerdings die Konsequenz, die diese Nichtchristinnen und Nichtchristen zu ziehen geneigt sind, für falsch, weil ich bezweifle, ob der solchen Einwänden zugrunde liegende Begriff von „Religion als Verschleierung“ der hier zu verhandelnden Sache entspricht und historisch haltbar ist. Sicher ist, dass das Unbehagen an Weihnachten, wie an anderen traditionellen und kommerzialisierten Festen, bei Christinnen / Christinnen oder bei Nachchristen / Nachchristinnen größer ist als bei Nichtchristen / Nichtchristinnen. Das hängt damit zusammen, dass sie bewusst und viel häufiger unbewusst, von diesem Fest mehr erwarten, als es bieten kann. Sie stehen in einer großen Tradition, in der sie sich nicht zurechtfinden können und mit der sie sich doch arrangieren wollen. Das Unbehagen an Weihnachten, man kann es schon ruhig die Angst vor Weihnachten nennen, greift dabei zurück auf Erwartungen, wie sie in einer christlichen und bürgerlichen Kindheit wohl geweckt werden konnten. Da taucht der begreifliche Wunsch auf, sich noch einmal „wie ein Kind“ auf Weihnachten freuen zu können, das heißt, noch einmal so auf einen Tag, eine Nacht, ein Erlebnis hin leben zu können.

Es sind kindheitsgebundene Träume und Sehnsüchte, denen wir dabei nachhängen, wir vergessen das eigene, inzwischen erwachsen gewordene Leben, in dem es doch auch im Mai vorkommt, dass man sich auf einen Menschen wie auf Weihnachten freut. Wir vergessen, dass wir es längst gelernt haben, unsere Spannung, unsere Kraft, unsere Vorfreude, ob das, was ich eben unsere Macht genannt habe, in unserem eigenen Leben selber zu realisieren, und dass nur diese Form von Erfüllung die erwachsenen, selbständig gewordenen Menschen geschieht, den Namen „Gnade“ im Ernst verdient. Wir verniedlichen und wir banalisieren die Gnade, wenn wir sie im Modell des bürgerlichen Kindes unter dem Weihnachtsbaum denken, aber die christliche Erziehung, die die meisten von uns genossen haben, verführt zu solchen kindischen und sentimentalen Träumen. Wir erwarten, beschenkt zu werden, obwohl wir schon gelernt haben, dass das Schenken nicht mit Dingen abzumachen ist, sondern nur mit dem Leben selber, das man verteilen oder horten kann. Wir haben Angst vor Weihnachten, weil dieser Tag uns daran erinnert, dass und die Intensität der Kinder abhanden gekommen ist.

Manchmal kommt es mir so vor, als hätten Christinnen und Christen es schwerer als Nichtchristinnen und Nichtchristen erwachsen zu werden. Die Religion hält in ihnen eine Sehnsucht, einen Anspruch, eine Hoffnung wach, die sich nicht abspeisen lässt und die uns abverlangte Anpassung an das Bestehende erschwert. In einer Welt wie der unseren, in der Religion keine unzweideutige soziale Ausdruckform hat, wie sie zum Beispiel die Mönchsorden im Mittelalter darstellten oder einige christliche Gruppen in sozialistischen Ländern sie versuchen, in der die Kirchen eher als „Versicherungsanstalten gegen zuviel Religion“ fungieren, bindet sich die Sehnsucht vieler Christinnen und Christen nach Realisierung dessen, was der Glaube erhofft, zurück an die Kindheit und an eine für das Kind richtige, im Erwachsensein aber überwundene Erwartungshaltung, die alles vom anderen und von außen erhofft.

In dieser Erwartungshaltung geraten Menschen in ein fatales Verhältnis zur christlichen Tradition, das mit dem Ausdruck „sich arrangieren“, mit Hilfe von Blockflöten oder Kerzen, noch allzu harmlos umschrieben ist. Das Evangelium selber kritisiert diese Erwartung, weil wir in ihr – und darum ist sie so schwer auszurotten – immer noch in einer vollständig unvermittelten Form auf Gott hoffen. Wir denken uns eine Begegnung mit ihm, ein Wahrwerden seiner Wirklichkeit, eine Veränderung unserer Wirklichkeit, die dann – so träumen wir – mit einem Schlag erfüllt und heil ist. Aber ist es das Evangelium der Heiligen Nacht, das uns dazu ruft, auf das Licht von oben zu warten? Müssen wir uns selber zu Hirten und Hirtinnen stilisieren, die im Dunkel wandernd den Stern ihrer Träume erblicken? In gewissen Sinne verhalten wir uns zu den Geschichten von Weihnachten wie Voyeurs, wie Leute, die einen Liebesakt zusehen und sich von ihm erregen lassen, ohne eine aktive partnerbezogene eigene Spontaneität zu entwickeln. Tatsächlich ist es beschämend, Voyeur an den Erlebnissen und Gefühlen anderer Jahrhunderte zu sein, deren religiöse Verhaltensformen wir nicht wiederholen wollen, deren Gefühle und Erlebnisse wir nicht nachvollziehen können und die uns fremd bleiben, wiewohl sie eine unvergessene Hoffnung in uns erhalten, aber so, dass wir sie nicht eigentlich brennen, sondern nur glimmen lassen. Man muss diese komplexe Beziehung zur Religion in zwei Richtungen hin aufarbeiten: Das religiöse Bedürfnis, das sich im Wunsch, Weihnachten zu feiern, ausdrückt, hat seine Wahrheit darin, dass es sich mit der Gegenwart nicht abfindet und wie Kinder „alles“ haben will, es verbiegt diese Wahrheit aber ins kindische, passive Erwarten. Es kommt also nicht darauf an, die eigene kindheitsgebundene Sehnsucht einfach loszuwerden und sie durch den unbedenklich genossenen Weihnachtskonsum zu ersetzen, aber wir müssen erkennen, inwiefern diese Sehnsucht zu einer Sentimentalität verkommen ist, die mit dem Evangelium nichts zu tun hat.

Worin besteht denn aber dieses weihnachtliche Evangelium und inwiefern können wir an der Macht, von unten, die es verspricht, teilnehmen  und von ihr lernen? Es ist eine Aussage, die wie alles im Evangelium einfach und schwer zu machen ist, sie heißt: Gott wird Mensch. Es ist kein Zweifel darüber, was man das Geheimnis des Glaubens nennen könnte, die Kraft, aus der er schöpft. Wo der Glaube in der Geschichte der Christenheit innerhalb der kirchlichen Apparate verraten wurde, da wurde dieser Satz zuschanden, dass Gott Mensch geworden ist; da blieb Gott Gott, der erhabene Moloch, dem zu Ehren Kriege geführt, Ketzer der Inquisition übergeben und Hexen verbrannt werden mussten. Was es bedeutet, dass Gott Mensch wird, das sei hier in zwei Richtungen entfaltet, die erste heißt: Gott wird immer wieder Mensch, und die zweite: Gott wird immer mehr Mensch. Man muss es in der Gegenwart denken, dass Gott Mensch wird, weil sonst die perfekte, vergangene Aussage, dass Gott einmal Mensch geworden ist, zu einem religiös verdinglichten Faktum wird, einer Art Götzenbild, das keinen Schritt über die anderen Religionen hinausführt und das wie ein Stein gegen andere benutzt werden kann. Der Satz, dass Gott Mensch geworden ist, also die vergangene, perfekte, abgegrenzte Aussagte, die in der Geschichte der Christenheit unter anderem zum Mord an denen benutzt worden ist, die diesen Satz nicht annahmen, den Juden und Jüdinnen. Ich meine, das sei ein Grund, diesen Satz zu korrigieren. Es genügt nicht, zu sagen: Gott ist einmal vor 2000 Jahren Mensch geworden, weil man auf diese Weise nur dogmatisch korrekt verfährt, die Menschen aber, die von der Inkarnation etwas haben sollten, wieder mit dem indes längst zum Himmel Emporgestiegenen allein lässt. Das Geheimnis des Evangeliums ist nicht diese auf Vergangenes bezogene Formel, dass Gott früher einmal Mensch geworden ist, sondern dass er immer wieder Mensch wird. Inkarnation ist kein einmaliger Vorgang, der um 30 nach Christus in Jerusalem abgeschlossen wurde; Inkarnation, wenn wir überhaupt wissen, was das bedeutet, geht weiter. Gott wird immer wieder Mensch, auch heute. Wer Gott im Gesicht des Kindes von Bethlehem gesehen hat, der wird kein Kind mehr ansehen können, ohne sich dieses Kindes zu erinnern, nein, Erinnerung ist ein zu schwaches Wort, man kann vielleicht sagen, dem wird Gott immer wieder Mensch, dem begegnet Gott an dem einzigen Ort, wo er nach dem Evangelium begegnen kann: eben nicht im Anstaunen des Universums oder im Kultus, sondern im anderen Menschen. Dann wird unserer Stall die Baracke in der Vorstadt und unsere Krippe das Friedensdorf der von Napalm verbrannten Kinder, Ochs und Esel, Stern und Lobgesang nicht mehr in den ehrwürdigen Häusern der Tradition zu suchen, weil sie so nah bei uns sind, dass sie für uns das Nächste werden.

Weihnachten führt dann die Geschichte fort, die in der Schöpfung begonnen hat. Dort wird erzählt, wie die Menschen das Gesicht Gott bekommen haben und ihm ähnlich sehen. Weihnachten wird erzählt, dass Gott nicht nur nicht scheute, sein Gesicht zu verlieren, weil er es uns gab, sondern dass er auch unser Schicksal teilen wollte – unsere Hinfälligkeit, unser Ausgeliefertsein an die barmherzigen Ochs und Esel, an Kälte und Wind, an andere Menschen und ans Sterben. Alles dieses, was wir tun und erleiden, geboren werden, keinen Platz haben, leiden und sterben, bekommt in dieser Geschichte eine Würde und einen Rang, von dem Menschen außerhalb der Erfahrung Christi nur zu träumen wagen, eben den höchsten. In diesem Kind sind alle Kinder gleichberechtigt und mit der gleichen Chance des ewigen, wahren Lebens erfüllt. Dass Gott immer wieder Mensch wird, heißt für das Leben jedes Menschen Absolutheit. Geboren werden und Kinder zu bekommen, arbeiten und essen, weinen und lachen, lieben und sterben, bekommen einen Rang, eine Wichtigkeit, einen Ernst, der den Gegnern und Gegnerinnen des Christentums immer lächerlich erschienen ist. Gott wird immer wieder Mensch, darin ist jeder Zynismus abgewiesen, auch der versteckte, der das Leben teilweise bejaht und teilweise liebt und es unter Umständen schützt und rettet. Wir meinen das ganze, das unausgeschöpfte Leben, das beschädigt wird, wenn es auch nur zeitweilig oder bedingt als Sache angesehen wird. Gott wird immer wieder Mensch, das bedeutet, dass menschliches Leben nicht dem Zufall, der Banalität oder den Planungsbüros ausgeliefert ist, weil wir in jedem Menschen Gott, wenn nicht erkennen, so doch glauben. „Gott“ wäre dabei allerdings immer noch die falsche Chiffre, wenn er als Licht von oben und außen in eine trübe Welt einfiele und wenn er nicht wahrhaft weihnachtlich gedacht wird als die Macht von unten, die unten anfängt, die Befreiung für alle herzustellen. Denn Gott wird nicht nur immer wieder Mensch, er wird auch immer mehr Mensch. Es ist bekannt, dass dieser Prozess der Weltgeschichte, in der Gott immer mehr Mensch wird, den meisten Theologinnen und Theologen unheimlich ist, so dass sie ihn zu verdächtigen suchen als Abfall vom Glauben. In Wirklichkeit ist hier die Frage gestellt, wie ernst sie die Inkarnation nehmen oder wie weit sie Gott erlauben, sich zu inkarnieren.

Es hat sicher Zeiten gegeben, in denen die Christen und Christinnen ihre Beziehung zu dem Vatergott im Himmel und dem Brudergott auf Erden harmonisch ausgleichen konnten und in denen die Liebe ungeteilt dem Vater und den Brüdern und Schwestern, einem im anderen, gelten konnte. Aber die Regel war diese prästabilisierte Harmonie nicht, die Regel war, dass man den Vater ehrte auf Kosten der Brüder und Schwestern, dem Vater zu Ehren Kriege und Sklaverei betrieb und dass man dem keineswegs inkarnierten, dem unweihnachtlichen Gott Opfer brachte. Dieses Geist- und Himmelwesen, das keines Fleisches fähig ist, ist heute tot in dem Sinne, dass kein Bedürfnis mehr nach seinem Eingreifen besteht. Tot ist der Gott, der nicht Mensch geworden ist. Es gibt zwar noch immer Christinnen und Christen, die meinen, sie müssten sich beim Streit zwischen dem Vater und den Brüdern und Schwestern auf Seite des Vaters schlagen, sie müssten ihn rechtfertigen, statt ihn zu verklagen, oder auch: Menschen verurteilen, statt ihre Verhältnisse zu untersuchen. Die größere Anzahl gerade der jungen Christinnen und Christen in der ganzen Welt geht allerdings einen anderen Weg, den Weg der Brüder und Schwestern. Es mag vielleicht manchen überspitzt erscheinen, aber ich befürchte, es gibt für jede und jeden von uns Situationen, wo er / sie wählen muss zwischen dem ewig thronenden Vater und dem nichts als ein Mensch gewordenen Bruder, zwischen der Sehnsucht nach Geborgenheit und ihrer Erfüllung, die uns religiös übergestülpt wird, und der erwachsenen, weltlichen, politischen Arbeit an der Humanisierung unserer Erde, zwischen Licht von oben und Macht von unten, und ich kann nur wünschen, dass sich alle für Weihnachten entscheiden, das heißt für das hilflose Baby von nebenan.

Es ist heute wichtig, das Stück Rebellion, das in Weihnachten steckt, wieder zu entdecken. Gott wurde Macht von unten, und jener Gott, der nach dem Glauben der vorindustriellen Welt von oben lenkt und befiehlt, ist im Lauf der Geschichte immer mehr und mehr zurückgetreten. Er hat seine Sache dem  Sohn anvertraut, und dieser Sohn hat allen Söhnen und Töchtern Mut zur Macht von unten gemacht. Eine der ältesten Weihnachtshymnen der Christinnen und Christen besingt diese Änderung aller Machtverhältnisse, die Weihnachten anfing und noch lange nicht zu Ende ist. Er heißt da bei Ignatius über Christi Geburt: „Ein Stern strahlte am Himmel über allen Sternen … So löste sich das Band der Zauberei, und die Fessel der Bosheit verschwand, die Unwissenheit wurde entmächtigt und die alte Herrschaft zerstört, als Gott in menschlicher Gestalt erschien, um das unsichtbare Leben zu erneuern.“ Noch ist wenig davon eingelöst, das Band der Zauberei bindet uns an den Konsum, den wir auf Befehl anderer selber herstellen und zu Nutzen anderer wieder verbrauchen sollen; die Fessel der Bosheit ist nicht verschwunden, sie produziert weiter Kriege und wachsende Unterdrückung; die Unwissenheit wird gerade in unserem Land gestützt und künstlich aufrechterhalten; dass die alte Herrschaft zerstört sei, das möchte ich wohl glauben, aber sehr sichtbar ist es noch nicht geworden. Bestehen bleibt das Versprechen von Weihnachten, dass Gott als Macht von unten in menschlicher Gestalt erschien, um das unsichtbare Leben zu erneuern.

Wir stehen an einem Punkt, wo das Sterben des alten, den Kindern allmächtig erscheinenden Vaters noch viele beunruhigt. Wir hatten noch keine Gelegenheit, Inkarnation so ernst zu nehmen, wie sie ist. Aber schon ist das Reich der Söhne und Töchter angebrochen, das unsichtbare Leben erneuert sich. Wir haben keinen Grund, zu beseufzen, das Weihnachten entleert und kommerzialisiert ist, solange wir nicht bemerken, dass unser ganzes Leben entleert und kommerzialisiert ist. Das Unbehagen und die Angst vieler Christinnen und Christen werden heute dringend gebraucht, diese Waffen werden eingeschmolzen und zu Sicheln und Pflugscharen gemacht. Die Kraft derer, die lange von Angst und Resignation beherrscht waren, ist ein Potential der Veränderung der Erde. Wir haben allen Grund, uns zu freuen, dass an Weihnachten Macht von unten sichtbar geworden ist, dass Gott immer wieder und immer mehr Mensch wird. Wir werden neue Formen dieser Freude finden – ich bin ziemlich sicher, dass sie den bürgerlichen Rahmen des Familienfestes sprengen werden. Wir werden zu überlegen und zu experimentieren haben, wie und mit wem wir Weihnachten feiern. Wir werden dabei Fehler machen und werden in Konflikte mit kirchlichen und politischen Bürokratien kommen. Wer werden Weihnachten lernen.

Der Beitrag wurde am 25.12.1970 im Westdeutschen und Norddeutschen Rundfunk gesendet und für den vorliegenden Band erweitert. Ich denke, es ist im Sinne Dorothee Sölles, dass ich versucht habe, es gendergerecht zu formulieren. In „Erfüllte Zeit“ von Ö1 wurde am 25. 12. 2005 eine Auswahl auf Grundlage einer Zusammenfassung des Buches Dorothee Sölle „Gewöhnen will ich mich nicht. Engagierte Texte und Gedichte“, herausgegeben von Bärbel Wartenberg-Potter, Herder spektrum Band 5614, gesendet: http://religion.orf.at/projekt03/tvradio/ra_erfuellte/ra_erf051225_text.htm

Liebe Freundinnen und Freunde,

auch heuer finden sich wieder einige Texte zum Nachdenken, die nicht nur zur Weihnachtszeit aktuell und wichtig sind.

Sollte es Probleme mit dem Ausdrucken geben, kann man / frau diese auch als RTF-Datei bei mir bestellen – Mail: stadtteilzentrum@simmeringonline.at

Ich erlaube mir auch noch auf die Texte von WEIHNACHTEN 2005 sowie auf zwei Homepages hinzuweisen:

www.friedenschristinnen.at.tf
Hier gibt es aus den verschiedenen Ausgaben des Informationsblattes der Aktionsgemeinschaft Christinnen und Christen für die Friedenbewegung viele Texte von für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung engagierten Christinnen und Christen.
Zum Beispiel den beeindruckenden Brief von Bischof Erwin Kräutler „Der Weg geht weiter“ unter 2006-2-mai (ein Ausschnitt schrieb ich in meinem heurigen Pfingstmail) und den Weihnachtsbrief von Kaplan Franz Sieder

www.betriebsseelsorge.at.tf
die Homepage der Betriebsseelsorge St. Pölten, wo es unter anderem auch eine Textsammlung von Dorothee Sölle gibt.

Hier findet man / frau:

Das Weihnachtsevangelium
aus der BIBEL IN GERECHTER SPRACHE und aus der Einheitsübersetzung.

Ernesto Cardenal: Die Hirtinnen und Hirten von Bethlehem

Dietrich Bonhoeffer: Uns ist ein Kind geboren

Kurze Texte zum Nachdenken - nicht nur in der Weihnachtszeit
Bert Brecht: Friedenslied
Bert Brecht: Maria
Bert Brecht: Die gute Nacht
Dorothee Sölle: Selig sind die FriedensstifterInnen
Dorothee Sölle: Träume mich Gott
Dorothee Sölle: Lehre uns, Minderheit zu werden, Gott 
Luise Schottroff: Dir will ich gehören

Dorothee Sölle: Glaubensbekenntnis 

Wiener Friedensbewegung:
Nicht nur zu Weihnachten aktuell: Abrüstung jetzt! FRIEDEN auf Erden!

Kaplan Franz Sieder: Weihnachtsbrief 2006

Das Weihnachtsevangelium
Lukas 2,1 – 2,20

Bibel in gerechter Sprache

1 In jenen Tagen aber erließ Kaiser August den Befehl, dass sich der ganze Weltkreis registrieren lassen sollte.
2 Diese Eintragung war die erste und sie geschah, als Quirinius Statthalter in Syrien war.
3 Alle machten sich in ihre Heimatstadt auf, um sich eintragen zu lassen.
4 Auch Josef ging aus Nazaret in Galiläa hinaus nach Betlehem in Judäa, in die Stadt Davids, weil er aus dem Haus und dem Geschlecht Davids war,
5 um sich mit Maria, seiner Verlobten, eintragen zu lassen. Sie war schwanger,
6 und als sie dort waren, erfüllte sich die Zeit ihrer Schwangerschaft, so dass sie gebären sollte.
7 Und sie gebar ihren ersten Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe. Denn sie hatten keine Unterkunft.
8 In jener Gegend gab es auch Hirten und Hirtinnen, die draußen lebten und über ihre Herde in der Nacht wachten.
9 Da trat ein Engel der Lebendigen zu ihnen und der Feuerglanz der Lebendigen umhüllte sie. Sie aber fürchteten sich sehr.
10 Der Engel sprach zu ihnen: „Fürchtet euch nicht! Denn seht, ich verkünde euch große Freude, die das ganze Volk betreffen wird:
11 Heute ist der Gesalbte der Lebendigen, der Retter, geboren worden, hier in der Stadt Davids.
12 Und dies sei das Erkennungszeichen für euch: Ihr werdet ein Neugeborenes finden, in Windeln gewickelt, in einer Futterkrippe.“
13 Plötzlich erschien zusammen mit dem Engel eine große Schar des himmlischen Chores. Sie priesen Gott mit den Worten:

14 „Glanz in den Höhen bei Gott
Und Friede auf Erden bei den Menschen,
die Gott wohlgefallen!“

15 Als die Engel im Himmel verschwunden waren, sagten die Hirten und Hirtinnen zueinander: „Kommt, gehen wir bis Betlehem und sehen wir uns, was da geschehen ist und was die Lebendige uns hat wissen lassen.“
16 Sie eilten davon und fanden Maria und Josef und das Neugeborene, das in einer Futterkrippe lag.
17 Und als sie es sahen, teilten sie alles mit, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war.
18 Und alle, die es hörten, wunderten sich darüber, was die Hirten und Hirtinnen zu ihnen sagten.
19 Maria aber bewahrte alle Worte und erwog sie in ihrem Herzen.
20 Die Hirtinnen und Hirten kehrten zurück, sie rühmten und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, genau wie es ihnen gesagt worden war. 

Nähere Informationen zur Bibel in gerechter Sprache:
http://www.bibel-in-gerechter-sprache.de/

Einheitsübersetzung

Die Geburt Jesu

1 In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen.
2 Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien.
3 Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. 
 So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids.
5 Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete.
Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft,
7 und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. 
8 In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde.
9  Da trat der Engel des Herrn zu ihnen und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr,
10 der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll:
11 Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.
12 Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.
13 Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: 
14 Verherrlicht ist Gott in der Höhe / und auf Erden ist Friede / bei den Menschen seiner Gnade. 
15 Als die Engel sie verlassen hatten und in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Kommt, wir gehen nach Betlehem, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr verkünden ließ.
16 So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.
17 Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war.
18 Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten.
19 Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.
20 Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war.

Die gesamte Einheitsübersetzung im Internet:
http://alt.bibelwerk.de/bibel/
Weihnachtsevangelium: http://alt.bibelwerk.de/bibel/nt/luka002.htm

 

Ernesto Cardenal
Die Hirtinnen und Hirten von Bethlehem
(Lukas 2, 8 - 20)

In der Gegend von Bethlehem waren Hirtinnen und Hirten auf dem Feld bei den Herden, die hüteten des Nachts die Herde. Plötzlich trat der Engel des Herrn zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie, und sie fürchteten sich sehr. Aber der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allen Volk widerfahren wird.

Wir sind in der kleinen Kirche versammelt.

Zuerst spricht der alte Tomás Pena, wie immer mit großer Einfachheit: - Ich sehe, dass die Leute, die da die Herden hüteten, eine frohe Nachricht erhielten. Sie waren auf dem Feld wie unsereins hier und hörten plötzlich diese große Freude. So wie wir, als wir hörten, dass Sie zu uns kämen. Man hatte uns gesagt, bald käme ein Priester zu uns, und wir wollten es zuerst nicht glauben, weil wir früher noch nie einen Priester hatten … Genauso freuten sich diese Hirtinnen und Hirten. Sie waren traurig. Sie feierten kein Fest, sondern es ging ihnen schlecht.

Und warum erhielten gerade sie die Nachricht? – frage ich.

Tomás Pena: - Vielleicht weil sie näher bei Gott waren. Andere dachten an Schlechtes, nicht an Gutes. Glaube ich ….

Patricio: - Sie waren näher bei Gott, weil sie sich dort die Nacht um die Ohren schlugen. Darum wollte Gott ihnen eine Freude schicken. Ich glaube, so könnte es gewesen sein.

Felipe: Der Engel kam zu ihnen, weil sie arbeiten, und ich finde, das ist eine große Sache für uns. Denn sie waren arm und mussten nachts arbeiten, sie hüteten die Schafe, so wie wir hier die Kühe versorgen. Es waren Arbeiterinnen und Arbeiter, arme Leute. Der Engel hätte auch zum König gehen können und sagen: „Der Retter ist geboren.“ Aber er ging nicht zum König, sondern zu den Arbeiterinnen und Arbeitern. Das heißt, diese Botschaft ist nicht für die großen Typen, sondern für die Masse, das heißt, für alle Armen und Unterdrückten.

Ich: - Tatsächlich standen die Hirtinnen und Hirten auf der untersten Stufe der sozialen Leiter in Israel …

Alejandro: - Ein Teil der Botschaft war auch, dass einer geboren werden sollte, der genau wie sie war: arm, in Windeln gewickelt.

Euch ist heute der Heiland geboren aus dem Volk Davids, welcher ist Christus, der Herr.

Félix: - Der Engel erklärt ihnen, dass er für sie gekommen ist. Ich glaube, sie waren so etwas wie Sklavinnen und Sklaven, und als sie hörten, dass ein Heiland oder Befreier für sie kommen sollte, da freuten sie sich. Sie hatten schon etwas von einem Messias gehört, und als der Engel ihnen sagte, er wäre schon geboren, da waren sie froh. Sie wussten, dass diese Geburt sie von der Sklaverei befreien sollte. Ein Befreier für alle Sklavinnen und Sklaven. Er kam, um alle Sklavinnen und Sklaven zu befreien, alle Armen, nicht nur die in der damaligen Zeit, nein, auch die von heute. Jeder Arme, der und jede Arme, die gezwungen ist, für einen Reichen zu arbeiten lebt wie ein Sklave oder eine Sklavin.

Felipe: - Ein Arbeiter oder eine Arbeiterin ist immer arm, auch wenn er in einer Fabrik arbeitet.

Félix fährt fort: - Er kam, um die Armen zu befreien, nicht die Reichen. Darum musste die Nachricht von seiner Geburt den Armen gebracht  werden. Und heute ist es genauso: Die Botschaft, das Wort Gottes, wird mehr von den Armen gehört als von den Reichen. Ich glaube, es liegt gerade an der Armut der Armen, dass sie das Wort Gottes eher hören als die Reichen. Viele reiche Leute gehen sonntags in die Kirche, aber ohne das Wort Gottes richtig zu hören. Sie gehen in die Kirche aus purer Gewohnheit … oder sie gehen überhaupt nicht.

Sabino: - Viele Arme gehen auch nicht in die Kirche.

Francisco: - Der Engel kam auch nicht zu allen Armen …

Felipe: - Er kam zu denen, die arbeiteten, und nicht zu denen, die auf der faulen Haut lagen …

Felix: - Der Geist Gottes kommt eher zu den Armen, weil der Arme in seiner Sklaverei Gott jeden Tag um Hilfe bitten muss. Und wenn er am wenigsten daran denkt, kommt ihm plötzlich eine gute Idee: Zu dem ist dann der Geist Gottes gekommen.

Osar: - Die Hirtinnen und Hirten waren genau wie wir, sie brauchten einen Befreier. Denn die Tiere wurden von ihnen gehütet, aber sie selbst waren allen, von aller Welt verlassen. So werden wir auch von den Reichen gedemütigt und sind von aller Welt verlassen. Aber wenn dann einer kommt und uns sagt, so könne es nicht weitergehen, wir könnten nicht immer weiter Sklavinnen und Sklaven der Reichen sein, es müsse eine Revolution kommen oder so, dann begreifen wir, dass auch wir um unsere Freiheit kämpfen.

Julio: - Mir kommt es so vor, als wären wir die Hirtinnen und Hirten der Reichen, weil wir für sie arbeiten und sie mit unserer Arbeit unterhalten, Für uns muss auch ein Befreier kommen. Wir sind Bauern / Bäuerinnen und Macheteros, aber ich glaube, zu uns braucht kein Engel persönlich zu kommen, um uns darauf aufmerksam zu machen …, oder vielleicht ist er schon gekommen.

Felipe: - Der Engel, das ist irgendeine gute Idee, irgendeine Erleuchtung, die man plötzlich im Wald hat, wenn man mit der Machete arbeitet, wie Félix sagt …, irgendeine Idee, was man für die anderen tun könnte oder für die Gemeinschaft. Eben der Heilige Geist, denn das ist der Geist der Liebe zum / zur Nächsten, nicht wahr?

Julio: - Ja, darum sagte ich vorhin, dieser Engel sei vielleicht schon zu uns gekommen, und wir brauchen nicht darauf warten, dass er persönlich erscheint, wie eine Vision … Während wir diese Worte lesen und darüber sprechen, ist er vielleicht gerade dabei, uns zu erscheinen und uns diese Botschaft zu bringen.

Ich: - So ist es. In diesem Augenblick empfangen wir die gleich Botschaft wie die Hirtinnen und Hirten damals in Bethlehem.

Laureano: - Die Botschaft kennen wir schon lange. Aber jetzt müssen wir daran arbeiten …

Wir müssen sie ausstreuen – unterbricht ihn sein Vetter Julio.

Laureano spricht weiter: - Und zusehen, wie wir uns befreien. Denn die Befreiung geschieht durch den Menschen.

Felipe: - Wenn einer dagegen ist, dann immer aus Egoismus.

Oscar: - Auch Angst. Viele von uns haben Angst. Angst, dass einem etwas passieren könnte. Gefängnis, Tod … Oft hat diese Angst ihren Grund in der Unwissenheit.

Und das habt ihr zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windel gewickelt und in einer Krippe liegen.

Oscar: Jesus wurde in einem Stall geboren. Der Befreier für die Armen, darum musste er auf diese Weise geboren werden. Er musste uns ein Beispiel geben, damit der eine sich nicht besser vorkommt als der andere, damit wir uns alle gleich fühlen. Denn alle sind wir auf die gleiche Art geboren, alle aus dem Leib unserer Mutter.

Angel, Félix’ Sohn: - Wenn man ihnen eine gute Unterkunft angeboten hätte, hätten Maria und Josef sie dann nicht angenommen?

Rafael: - Sie hätten sie nicht abgelehnt, meine ich …

Oscar: - Dann wäre er besser nicht gekommen.

Felix: - Er wollte eben den Armen zeigen, dass er einer von ihnen war.

Angel: - Sie konnten nicht annehmen, weil sie ihnen ja keiner angeboten hatte …

Julio: - Und warum lud sie keiner in sein Haus ein?

Oscar: - Sie waren eben sehr arm. Darum.

Tomás Pena: - Sie dachten vielleicht sogar, sie wären Langfinger, sie könnten sie bestehlen …

Felix: - Ja, heute ist das so. Wenn einer schlecht angezogen in die Stadt kommt und Unterkunft sucht, findet er keine. Und wenn dann höchstens in so einer Art Hühnerstall, da kann er bei den Hühnern wohnen.

Tomas: - Wenn Jesus in einem reichen Haus zur Welt gekommen wäre, dann hätten ihn die Hirten und Hirtinnen nicht besuchen können. Man hätte ihnen wahrscheinlich nicht einmal die Tür aufgemacht.

Oscar: - Dann hätten ihn die Hirten und Hirtinnen gar nicht besuchen wollen, weil ihnen klar gewesen wäre, dass er nicht für sie, sondern für die Reichen geboren wurde.

Ich sage: - Die Reichen hatten keine Befreiung nötig. Wovon will ein Reicher schon befreit werden!

William: - Die Reichen haben es nötig, von ihrem Geld befreit zu werden.

Felipe: - Wenn die Armen sich befreien, dann werden die Reichen auch frei.

Andancito: - Die Armen machen sie frei.

Francisco: - Und die Armen haben auch die Möglichkeit, groß zu werden, wie der Messias, der aus dem Volk geboren wurde.

Ich sage: - Tatsächlich hat das Volk große Fähigkeiten, die nur entwickelt zu werden brauchen. Wenn es genug Schulen gibt, ausreichende Ernährung …

Natalia: - Wenn die Kinder gesund heranwachen, wenn die Alten versorgt werden, wenn es genug Ärzte für alle gibt … Wie wir das in Kuba anfangen sehen. Und wenn man gesund ist dann hat man auch Lust zum Arbeiten. Aber wenn man sich elend fühlt … In Kuba können auch die Armen einen Beruf erlernen. Aber hier, welche Möglichkeiten hat man hier schon?

Und alsbald waren bei dem Engel viele andere Engel des Himmels, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden alle Menschen, die lieben.

Der alte Tomas Pena fragt: - Waren diese anderen Engel, die erst später nach dem ersten Engel kamen, zurückgeblieben, weil sie einen längern Weg hatten, oder hatte Gott sie vielleicht noch nicht erleuchtet?

Ich: - Vielleicht hatten die Hirtinnen und Hirten sie noch nicht gesehen. Zuerst spricht ein Engel, dann hören sie plötzlich auch andere …

Tomas: - Ja, das ist wie hier: Wir hören alle, aber wir verstehen nicht alle sofort. So hatten den einen Engel gehört und nicht auf die anderen Engel geachtet.

Don Julio Chavarria: In diesem Augenblick war Frieden auf Erden durch die Geburt des Kindes, und darüber freute man sich im Himmel. Ich glaube, das ist es, was die Engel singen.

Edgard, ein junger Mann, der Franziskanermönch gewesen war und der jetzt bei uns Besuch ist: - Gott kann im Himmel nicht gelobt werden, solange es auf der Erde keinen Frieden gibt – das heißt Gerechtigkeit, Geschwisterlichkeit, Gleichheit. Das alles ist Frieden. Die Reichen glauben oft, sie lobten Gott, aber sie halten keinen Frieden und üben keine Gerechtigkeit. Darum loben sie Gott auch nicht wirklich, denn beides geht Hand in Hand.

William: - Liebe und Friede auf Erden, das ist die wirkliche Ehre Gottes.

Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Da sie es aber gesehen hatten, verbreiteten sie alles, was ihnen der Engel von diesem Kind gesagt hatte. Und alle, die es hörten, verwunderten sich über ihre Worte.

Julio: - Früher fühlten sie sich unterdrückt, und als ihr Befreier geboren war, da fühlten sie sich schon frei. Die Freude erzählten sie dann weiter.

Tomas: - Und alle Leute freuten sich mit ihnen, oder besser gesagt, alle Armen, weil diese Neuigkeit hauptsächlich für sie bestimmt war.

Maria aber behielt alle diese Worte in ihrem Herzen und dachte über sie nach.

Tomas: - Sie verwunderte sich nicht wie die anderen, weil sie vom Heiligen Geist erleuchtet war. Aber vielleicht dachte sie, die anderen könnten etwas erzählen, was nicht stimmte, sie könnten vielleicht übertreiben, etwas erzählen, was sie gar nicht gesehen hatten. Und dann dachte sie auch, dass die Mächtigen ihr Kind töten könnten oder ihm irgendetwas antun, nicht wahr? Gefährlich …

Ich: - Ja, Maria wusste schon von dem Engel, dass Jesus der Messias war …

Tomas: - Darum glaube sie, dass sie ihm etwas antun könnten, weil er der Messias war. Und sie waren ja auch tatsächlich immer gegen ihn. Weil er uns alle befreien wollte, das ganze Volk, musste er mit vielen Feinden rechnen. Er würde viele Kämpfe auszustehen haben.

Julio: - Wenn Maria das alles schon wusste, also schon vor den Engeln, die es den Hirtinnen und Hirten verkündeten, warum erzählte sie es dann nicht selbst, warum wartete sie, dass die Engel es verkündeten? Ich glaube, sie hatte Angst, dass sie ihn töten könnten. Darum bewahrte sie das Geheimnis und erzählte es keinem weiter.

Oscar: - Die Hirtinnen und Hirten erfuhren es, der König und die Reichen erfuhren es nicht. Genau wie heute, heute wissen auch nicht alle etwas von der Ankunft dieses Jesus.

Julio: - Ich glaube, die meisten wissen davon, sie haben bloß Angst. Sie trauen sich nicht, so nah an Jesus heranzukommen wie die Hirtinnen und Hirten, weil sie Angst haben. Und dann gibt es natürlich auch viele, die nichts davon wissen.

Dietrich Bonhoeffer
Uns ist ein Kind geboren 

Mitten unter unheilvollen Worten und Zeichen, die dem abgefallenen Volk den nahenden Untergang, den göttlichen Zorn und schreckliche Zeichen ankündigten, mitten in tiefster Schuld und Not des Volkes Gottes spricht eine Stimme leise und geheimnisvoll, aber voll seliger Gewissheit von der Erlösung durch die Geburt des göttlichen Kindes. Noch sind es 700 Jahre bis zur Zeit der Erfüllung, aber so tief ist der Prophet in Gottes Gedanken und Ratschlüsse versenkt, dass er von dem Künftigen spricht, als sähe er es schon, dass er von der rettenden Stunde spricht, als stehe er schon anbetend vor der Krippe Jesu.

„Uns ist ein Kind geboren.“ Was dereinst geschehen wird, das ist in Gottes Augen schon wirklich und gewiss, und das wird nicht nur den künftigen Geschlechtern zum Heil, sondern schon dem Propheten, der es sieht, und seinem Geschlechte, ja allen Geschlechtern auf Erden. „Uns ist ein Kind geboren.“ So kann kein menschlicher Geist aus sich heraus sprechen.

Die wir nicht wissen, was im nächsten Jahr geschehen wird, wie sollen wir es begreifen, dass einer über die Jahrhunderte hinaussieht? Und die Zeiten waren damals nicht durchsichtiger als heute. Nur der Geist Gottes, der Anfang und Ende der Welt umfasst, kann einen erwählten Menschen das Geheimnis der Zukunft so offenbaren, dass er weissagen muss zur Stärkung der Gläubigen, zur Warnung der Ungläubigen. Diese Stimme eines einzelnen, der leise durch die Jahrhunderte hindurch klingt und zu der sich hier und dort eine andere vereinzelte Stimme eines Propheten gesellt, geht zuletzt ein in die nächtliche Anbetung der Hirten und in den vollen Jubel der christusgläubigen Gemeinde: „Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben.“

Von der Geburt eines Kindes ist die Rede, nicht von der umwälzenden Tat eines starken Mannes, nicht von der kühnen Entdeckung eines Weisen, nicht von dem frommen Werk eines Heiligen. Es geht wirklich über alles Begreifen: Die Geburt eines Kindes soll die große Wendung aller Dinge herbeiführen, soll der ganzen Menschheit Heil und Erlösung bringen. Worum sich Könige und Staatsmänner, Philosophen und Künstler, Religionsstifter und Sittenlehrer vergeblich bemühen, das geschieht durch ein neugeborenes Kind. Wie zur Beschämung der gewaltigsten menschlichen Anstrengungen und Leistungen wird hier ein Kind in den Mittelpunkt der Weltgeschichte gestellt. Ein Kind von Menschen geboten, ein Sohn von Gott gegeben. Das ist das Geheimnis der Erlösung der Welt; alles Vergangene und alles Zukünftige ist hier umschlossen. Die unendliche Barmherzigkeit des allmächtigen Gottes kommt zu uns, lässt sich zu uns herab in der Gestalt eines Kindes, seines Sohnes. Dass uns dieses Kind geboren, dieser Sohn gegeben ist, dass mir dieses Menschenkind, dieser Gottessohn gehört, dass ich ihn kenne, ihn habe, ihn liebe, dass ich sein bin und er mein ist, daran hängt nun mein Leben. Ein Kind hat unser Leben in der Hand.

Wie wollen wir diesem Kinde begegnen? Sind unsere Hände durch die alltägliche Arbeit, die sie vollbrachten, zu hart und zu stolz geworden, um sich beim Anblick dieses Kindes anbetend zu falten? Tragen wir unseren Kopf, der so viele schwere Gedanken hat denken, Probleme hat lösen müssen, zu hoch, als dass wir ihn vor dem Wunder dieses Kindes noch nicht demütig beugen könnten? Können wir alle unsere Anstrengungen, Leistungen, Wichtigkeiten noch einmal ganz vergessen, um mit den Schafhirten und mit den Weisen aus dem Morgenland vor dem göttlichen Kind in der Krippe kindlich anzubeten; um mit dem alten Simeon das Kind in die Arme zu nehmen und in diesem Augenblick die Erfüllung unseres ganzen Lebens zu erkennen? Es ist wahrhaftig ein seltsamer Anblick, wenn ein starker stolzer Mann seine Knie vor diesem Kind beugt, wenn er einfältigen Herzens in ihm seinen Heiland findet und verehrt, und es muss wohl ein Kopfschütteln, vielleicht sogar ein böses Lachen durch unsere alte, kluge, erfahrene, selbstgewisse Welt gehen, wenn sie den Heilsruf der gläubigen Christen vernimmt: „Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt.“

„Und die Herrschaft ist auf seinen Schultern.“ Auf den schwachen Schultern dieses neugeborenen Kindes soll die Herrschaft über die Welt liegen! Eines wissen wir: Diese Schultern werden jedenfalls die ganze Last der Welt zu tragen bekommen. Mit dem Kreuz wird alle Sünde und Not dieser Welt auf diese Schultern geladen werden. Die Herrschaft aber wird darin bestehen, dass der Träger unter Last nicht zusammenbricht, sondern sie ans Ziel bringt. Die Herrschaft, die auf den Schultern dieses Kindes in der Krippe liegt, besteht im geduldigen Tragen der Menschen und ihrer Schuld. Dieses Tragen aber fängt in der Krippe an, fängt dort an, wo das ewige Wort Gottes das menschliche Fleisch annahm und trug. Gerade in der Niedrigkeit und Schwachheit des Kindes nimmt die Herrschaft über alle Welt ihren Anfang. Als Zeichen der Herrschaft über das Haus pflegte man dem Hausherrn die Schlüssel über die Schulter zu hängen. Das bedeutet, dass er die Macht hat, auf- und zuzuschließen, einzulassen und abzuweisen, wenn er will. Das ist auch die Weise der Herrschaft dessen, der vergibt, er schließt zu, indem er den Stolzen verstößt. Das ist die Herrschaft dieses Kindes, dass es die Demütigen, Geringen, die Sünder annimmt und trägt, dass es aber die Stolzen, Hoffärtigen, die Gerechten zunichte macht und verwirft.

Wer ist dieses Kind, von dem Propheten weissagen und über dessen Geburt Himmel und Erde jauchzen? Nur stammelnd kann man seinen Namen aussprechen, kann man zu umschreiben versuchen, was in diesem Namen umschlossen ist. Worte häufen und überstürzen sich, wenn sie sagen sollen, wer dieses Kind sei. Ja seltsame Wortgebilde, die wir sonst nicht kennen, entstehen, wo der Name dieses Kindes über menschliche Lippen gebracht werden soll: „Wunder-Rat“, „Gott-Kraft“, „Ewig-Vater“; „Friede-Früst“. Jedes einzelne dieser Worte von einer unendlichen Tiefe, und alle zusammen versuchen nur einen einzigen Namen auszusprechen: Jesus.

„Wunder-Rat“ – heißt dieses Kind. In ihm ist das Wunder aller Wunder geschehen, aus Gottes ewigem Rat ging die Geburt des Heilandkindes hervor. In der Gestalt eines Menschenkindes gab Gott uns einen Sohn, Gott ward Mensch, das Wort ward Fleisch. Das ist das Wunder der Liebe Gottes zu uns, es ist der unergründliche weise Rat, dass diese Liebe uns gewinnt und rettet. Weil aber dieses Kind Gottes eigener Wunder-Rat ist, darum ist es auch selbst Quelle aller Wunder und alles Rates. Wer in Jesus das Wunder des Sohnes erkennt, dem wir jedes seiner Worte und jede Tat zum Wunder, der findet bei ihm in allen Nöten und Fragen letzten, tiefsten, hilfreichsten Rat. Ja, bevor das Kind seine Lippen auftun kann, ist es voller Wunder und voller Rat. Geh zum Kind in der Krippe, glaube in ihm den Sohn Gottes, und du findest in ihm Wunder über Wunder, Rat über Rat.

„Gott-Kraft“ – heißt dieses Kind. Das Kind in der Krippe ist kein anderer als Gott selbst. Größeres kann nicht gesagt werden. Gott wurde ein Kind. In dem Jesuskind der Maria wohnt der allmächtige Gott. Halt einen Augenblick inne! Sprich nicht, denk nicht weiter! Bleib stehen vor diesem Wort! Gott ist ein Kind geworden! Hier ist es arm wie wir, elend und hilflos wie wir, ein Mensch von Fleisch und Blut wie wir, unser Bruder. Und doch ist er Gott, doch ist er Kraft. Wo ist die Gottheit, wo ist die Kraft dieses Kindes? In der göttlichen Liebe, in der es uns gleich wurde. Sein Elend in der Krippe ist seine Kraft. In der Kraft der Liebe überwindet es die Kluft zwischen Gott und den Menschen, überwindet es Sünde und Tod, vergibt es Sünde und erweckt vom Tode. Knie nieder vor dieser armseligen Krippe, vor diesem Kind armer Leute, uns spricht im Glauben die stammelnden Worte des Propheten nach: „Gott-Kraft!“ – und er wird dein Gott und deine Kraft sein.

„Ewig-Vater“ – wie kann dies der Name des Kindes sein? Nur so, dass sich in diesem Kinde die ewige väterliche Liebe Gottes offenbart und dass das Kind nichts anderes will als die Liebe des Vaters auf die Erde bringen. So ist der Sohn mit dem Vater eins, und wer den Sohn sieht, der sieht den Vater. Dieses Kind will nichts für sich sein, kein Wunderkind in menschlichem Sinne, sondern ein gehorsames Kind eines himmlischen Vaters. In der Zeit geboren, bringt es die Ewigkeit mit sich auf Erden, als Sohn Gottes bringt es uns allen die Liebe des Vaters im Himmel. Geh hin, suche und finde an der Krippe den ewigen Vater, der hier auch dein lieber Vater geworden ist.

„Friede-Fürst“ – wo Gott in Liebe zu den Menschen kommt, sich mit ihnen vereint, dort ist Friede geschlossen zwischen Gott und Mensch und zwischen Mensch und Mensch. Fürchtest du dich vor Gottes Zorn, so geh zum Kind in der Krippe und lass dir hier den Frieden Gottes schenken. Bist du in Streit und Hass mit deinen Bruder zerfallen, komm und sieh, wie Gott aus lauter Liebe unser Bruder geworden ist und uns miteinander versöhnen will. In der Welt herrscht Gewalt, dieses Kind ist der Fürst des Friedens. Wo es ist, dort herrscht Friede.

„Wunder-Rat, Gott-Kraft, Ewig-Vater, Friede-Fürst“ – so sprechen wir an der Krippe von Bethlehem, so überstürzen sich unsere Worte beim Anblick des göttlichen Kindes, so versuchen wir in Begriffe zu fassen, was für uns in dem einen Namen beschlossen liegt: Jesus. Diese Worte aber sind ja im Grunde nichts anderes als ein wortloses Schweigen der Anbetung vor dem Unaussprechlichen, vor der Gegenwart Gottes in der Gestalt eines Menschenkindes.

Von der Geburt und dem Namen des göttlichen Kindes haben wir gehört. Nun hören wir zuletzt noch von seinem Reich. Groß wird die Herrschaft dieses armen Kindes sein. Die ganze Erde wird sie umfassen, und alle Menschengeschlechter bis ans Ende der Zeiten werden ihr, wissentlich oder unwissentlich, dienen müssen. Es wird eine Herrschaft über die Herzen der Menschen sein, aber auch Throne und große Reiche werden an dieser Macht sich stärken oder zerbrechen. Die heimliche, unsichtbare Herrschaft des göttlichen Kindes über die Menschenherzen ist fester gegründet als die sichtbare und glänzende Macht irdischer Herren. Zuletzt muss alle Herrschaft auf Erden allein der Herrschaft Jesu Christi über die Menschen dienen. Durch alle Feindschaft hindurch wird diese Herrschaft nur immer größer und gefestigter werden.

Mit der Geburt Jesu ist das große Friedensreich angebrochen. Ist es nicht ein Wunder, dass dort, wo Jesus wirklich Herr über Menschen geworden ist, auch Friede herrscht? Dass es eine Christenheit gibt auf der der ganzen Erde, in der es mitten in der Welt Frieden gibt? Nur wo man Jesus nicht herrschen lässt, wo menschlicher Eigensinn, Trotz, Hass und Begehrlichkeit sich ungebrochen ausleben dürfen, dort kann kein Friede sein. Nicht durch Gewalt will Jesus sein Friedensreich aufrichten, sondern wo Menschen sich willig ihm unterwerfen, ihn über sich herrschen lassen, dort schenkt er ihnen seinen wunderbaren Frieden. Wenn heute wieder christliche Völker zerrissen sind in Krieg und Hass, ja wenn selbst die christlichen Kirchen nicht zueinander finden, dann ist das nicht die Schuld Jesu Christi, sondern die Schuld der Menschen, die Jesus Christus nicht herrschen lassen wollen. Dadurch fällt aber die Verheißung nicht hin, dass „des Friedens kein Ende“ sein wird, wo das göttliche Kind über uns herrscht.

„Auf dem Thron Davis und in seinem Königreich“ herrscht Jesus Christus. Es ist kein weltlicher Thron und kein weltliches Reich mehr, wie es einst war, sondern ein geistlicher Thron und ein geistliches Reich. Wo ist Thron und Reich Jesu? Dor, wo er mit seinem Wort und seinem Sakrament gegenwärtig ist, herrscht und regiert, in der Kirche, in der Gemeinde.

„Mit Gericht und Gerechtigkeit“ regiert Jesus in seinem Reich. An der Gemeinde der Gläubigen geht sein Gericht nicht vorüber, nein, an ihr gerade über er sein strengstes Gericht, und sie erweist sich als seine Gemeinde, indem sie sich diesem Gericht nicht entzieht, sondern beugt. Nur wo Jesus die Sünde richtet, kann er neue Gerechtigkeit schenken. Ein Reich der Gerechtigkeit soll sein Reich sein, aber nicht der Selbstgerechtigkeit, sondern der göttlichen Gerechtigkeit, die nur durch das Gericht über die Sünde aufgerichtet werden kann. Es wird die Dauer dieses Reiches sein, dass Unrecht in ihm nicht ungestraft bleibt.

Ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, unerfüllte Sehnsucht der Menschen, ist mit der Geburt des göttlichen Kindes angebrochen. Wir sind zu diesem Reich berufen. Wir können es finden, wenn wir in der Kirche, in der Gemeinde der Gläubigen Wort und Sakrament des Herrn Jesus Christus annehmen und uns seiner Herrschaft unterwerfen, wenn wir in dem Kind in der Krippe unseren Heiland und Erretter erkennen und uns ein neues Leben in der Liebe von ihm schenken lassen. „Von nun an“ – das heißt von der Geburt Jesu an – „bis in Ewigkeit“ wird dieses Reich dauern. Wer bürgt dafür, dass es nicht unter den Stürmen der Weltgeschichte zerschmettert wird und zugrunde geht, wie alle anderen Reiche auch?

„Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth.“ Der heilige Eifer Gottes um seine Sache bürgt dafür, dass dieses Reich in Ewigkeit bleibt und zu einer letzten Vollendung kommt, aller menschlichen Schuld, allen Widerstand zum Trotz. Ob wir dabei sind oder nicht, darauf wird es nicht ankommen. Gott selbst führt seinen Plan zum Ziel mit uns oder gegen uns. Aber er will, dass wir mit ihm seien. Nicht um seinetwillen, sondern um unsretwillen. Gott mit uns – Immanuel – Jesus – das ist das Geheimnis dieser Heiligen Nacht. Wir aber jubeln: „Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geboren.“ Ich glaube, dass Jesus Christus, wahrhaftiger Mensch von der Jungfrau Maria geboren und auch wahrhaftiger Gott, vom Vater in Ewigkeit geboren, sei mein Herr.

Dieser Text stammt aus Dietrich Bonhoeffer, Gesammelte Schriften, Band IV, 3. Aufl. 1975, Chr. Kaiser Verlag München, abgedruckt im lesenswerten Buch Walter Jens (Hg.), Es begab sich aber zu der Zeit, Texte zur Weihnachtsgeschichte, Stuttgart 2004, Fischer Taschenbuch.

Kurze Texte zum Nachdenken
nicht nur in der Weihnachtszeit

Bert Brecht
Friedenslied
(frei nach Pablo Neruda)

Friede auf unserer Erde!
Friede auf unserem Feld!
Dass es auch immer gehöre
dem, der es gut bestellt!
Friede in unserem Lande!
Friede in unserer Stadt.
Dass sie den gut behause
der sie gebauet hat!

Friede in unserem Hause!
Friede im Haus nebenan!
Friede dem friedlichen Nachbarn
dass jedes gedeihen kann!
Friede dem Roten Platze!
Und dem Lincolnmonument!
Und dem Brandenburger Tore
und der Fahne, die drauf brennt!

Friede den Kindern Koreas!
Und den Kumpels an Neiße und Ruhr!
Friede den New Yorker Schoffören
und den Kulis von Singapore!
Friede den deutschen Bauern!
und den Bauern im Großen Banat!
Friede den guten Gelehrten Eurer Stadt Leningrad!
Friede der Frau und dem Manne!
Friede dem Greis und dem Kind!
Friede der See und dem Lande
Dass sie uns günstig sind!

Bert Brecht
Maria

Die Nacht ihrer ersten Geburt war
Kalt gewesen. In späteren Jahren aber
Vergaß sie gänzlich
Den Frost in den Kummerbalken und rauchenden Ofen
Und das Würgen der Nachgeburt gegen Morgen zu.
Aber vor allem vergaß sie die bittere Scham
Nicht allein zu sein
Die den Armen eigen ist.
Hauptsächlich deshalb
Ward es in späteren Jahren zum Fest, bei dem
Alles dabei war.
Das rohe Geschwätz der Hirten verstummte.
Später wurden aus ihnen Könige in der Geschichte.
Der Wind, der sehr kalt war
Wurde zum Engelsgesang.
Ja, von dem Loch im Dach, das den Frost einließ, blieb nur
Der Stern, der hineinsah.
Alles dies
Kam vom Gesicht ihres Sohnes, der leicht war
Gesang liebte
Arme zu sich lud
Und die Gewohnheit hatte, unter Königen zu leben
Und einen Stern über sich zu sehen zur Nachtzeit. 

Bert Brecht

Die gute Nacht

Der Tag, vor dem der große Christ
zur Welt geboren worden ist,
war hart und wüst und ohne Vernunft.
seine Eltern, ohne Unterkunft,
fürchteten sich vor seiner Geburt,
die gegen Abend erwartet wurd,
denn seine Geburt fiel in die kalte Zeit.
Aber sie verlief zur Zufriedenheit.
Der Stall, den sie doch noch gefunden hatten,
war warm und mit Moos zwischen seinen Latten,
und mit Kreide war auf die Tür gemalt.
dass der Stall bewohnt war und bezahlt.
So wurde es doch noch eine gute Nacht,
auch das Heu war wärmer, als sie gedacht.
Ochs und Esel waren dabei,
damit alles in der Ordnung sei.
Eine Krippe gab einen kleinen Tisch,
und der Hausknecht brachte heimlich einen Fisch.
(Denn es musste bei der Geburt des großen Christ
alles heimlich gehen und mit List.)
Doch der Fisch war ausgezeichnet und reichte durchaus
und Maria lachte ihren Mann wegen seiner Besorgnis aus
denn am Abend legte sich sogar der Wind,
und war nicht mehr so kalt, wie die Winde sonst sind.
Aber bei Nacht war es fast wie ein Föhn,
Und der Stall war warm und das Kind war sehr schön.
Und es fehlte schon fast gar nichts mehr,
da kamen auch schon die Dreikönig daher!
Maria und Joseph waren zufrieden sehr.
Sie legten sich sehr zufrieden zum Ruhn
Mehr konnte die Welt für den Christ nicht tun.

Dorothee Sölle:

Selig sind die FriedensstifterInnen

 

Jesus, unser Bruder,
du zerbrichst das Gewehr
und machst die dir folgen
furchtlos und kämpferisch
Die über uns herrschen,
sprechen von nachrüsten
und meinen aufrüsten
sie sagen Verteidigung
und meinen Intervention und ersten Schlag
sie sagen Frieden
und meinen Öl
Jesus, lass uns werden wie du und die Lüge nicht dulden
wir wollen den Militarismus nicht dulden
über uns nicht, neben uns nicht, in uns nicht.

Herr, erbarme dich …

Jesus, unser Bruder,
du störst das Geschäft mit den Waffen
du hast dich eingemischt
du hast Widerstand organisiert
wir haben uns vor dem Elend der Armen versteckt
in einem waffenstarrenden Luxuspalast wohnen wir
Wir rüsten auf und lassen verhungern.
Jesus, lass uns werden wie du
und das Sterben nicht dulden
wir wollen dem Militarismus nicht dienen
nicht mit Worten, nicht mit Geld und nicht mit Lebenszeit

Herr, erbarme dich …

Jesus, unser Bruder,
du legst die Tötungsindustrie lahm
du treibst den Wunsch nach Totsicherheit aus unsern Herzen
du machst uns frei uns zu wehren;
die Militärs in unserm Land
wollen wieder Orden tragen
es kostet nur einhundertfünfzigtausend Mark
dich auszuliefern hat einmal
nur dreißig Silberlinge gekostet.
Jesus, lehr uns verstehen, was Leben ist,
wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt
lass uns deine Brüder und Schwestern werden,
die Frieden machen.

Herr, erbarme dich …

Dieses Gebet stammt aus einer Predigt von Dorothee Sölle im Lübecker Dom am 6. September 1980. Im Internet: http://www.lebenshaus-alb.de/magazin/001711.html

Dorothee Sölle
Träume mich Gott

Nicht du sollst meine Probleme lösen,
sondern ich deine, Gott der Arbeitslosen.
Nicht du sollst die Hungrigen satt machen,
sondern ich soll deine Kinder behüten
vor dem Terror der Banken und Militärs.
Nicht du sollst den Flüchtlingen Raum geben,
sondern ich soll dich aufnehmen,
schlechtversteckter Gott der Elenden.
Du hast mich geträumt Gott,
wie ich den aufrechten Gang übe
und niederknien lerne,
schöner als ich jetzt bin,
glücklicher als ich mich traue,
freier als bei uns erlaubt.
Hör nicht auf mich zu träumen, Gott.
Ich will nicht aufhören mich zu erinnern,
dass ich dein Baum bin,
gepflanzt an den Wasserbächen
des Lebens.

Dorothee Sölle
Lehre uns, Minderheit zu werden, Gott

Lehre uns, Minderheit zu werden, Gott,
in einem Land, das zu reich ist,
zu fremdenfeindlich und zu militärfromm.
Pass uns an deine Gerechtigkeit an,
nicht an die Mehrheit.
Bewahre uns vor der Harmoniesucht
und den Verbeugungen vor den großen Zahlen.
Sieh doch, wie hungrig wir sind
nach deiner Klärung.
Gib uns Lehrerinnen und Lehrer,
nicht nur Schowmaster mit Einschaltquoten.
Sieh doch wie durstig wir sind
nach deiner Orientierung,
wie sehr wir wissen wollen, was zählt.
Verschwistere uns mit denen, die keine Lobby haben,
die ohne Arbeit sind und ohne jede Hoffnung,
die zu alt sind, um noch verwertet zu werden,
oder zu ungeschickt und zu nutzlos.
Weisheit Gottes, zeig uns das Glück derer,
die Lust haben an deinem Gesetz
und über deiner Weisung murmeln tags und nachts.
Sie sind wie ein Baum,
gepflanzt am frischen Wasser,
der Frucht bringt zu seiner Zeit.

Luise Schottroff
Dir will ich gehören

Gott, ewiger Gott
dir will ich gehören
du hast mir versprochen
dass ich nicht Sklavin der Menschen werde
dass ich nicht Sklavin der Götzen werde
deine Feste machen mich glücklich.
Gott, ewiger Gott
du lehrst mich die Lügen durchschauen
du lehrst mich die Opfer sehen
du machst mein Herz mutig
dass ich nach denen suche, die überflüssig gemacht werden
Gott, ewiger Gott
du hast mich besucht
als ich vor dem Tode erschrak
vor dem menschengemachten Tod
der Menschenopfer frisst
und von mir verlangt, ich soll schweigen
Gott, ewiger Gott
dir will ich gehören
du hast versprochen
dass ich nicht Sklavin der Menschen werde
dass ich nicht Sklavin der Götzen werde
Ich will dich loben, solange ich lebe

Dorothee Sölle
Glaubensbekenntnis

 Ich glaube an Jesus Christus,
Sohn des Lebens, Bruder der Menschen,
Erstgeborener aller Schöpfung,
der uns an unsere Geschwister erinnert,
die Bäume und die Vögel des Himmels,
Schwester Wasser und Bruder Feuer.
Er verbindet uns mit allem, was lebt
auf unserem kleinen Planeten Erde.
Ich glaube an Jesus,
den Sohn des Lebens,
das uns geschenkt wird,
damit wir es weiter verschenken.
Er hat die Kranken geheilt und die Traurigen,
er hat die Hungrigen gespeist und die Verzweifelten,
ein Mitarbeiter der Schöpfung,
Die weitergeht an jedem Tag
in unserer Arbeit,
wenn wir unsere Heimat vor der Plünderung schützen,
unseren kleinen Planeten Erde.
Ich glaube an Jesus,
Sohn des Lebens und einer armen Muter,
arbeitsloser Zimmermann, dem heute das Menschenrecht
auf Arbeit genommen wird,
durch die Profitgeier der Mächtigen,
die wir noch immer dulden
auf unserem kleinen Planeten Erde.
Ich glaube an Jesus,
den Erstgeborenen aus dem Tode.
Sie konnten ihn nicht fertigmachen,
er ist von den Toten auferstanden,
er verbindet uns mit den Toten vor uns,
um die wir trauern,
und den Toten neben uns,
die wir nicht gerettet haben.
Sie sind alle unsere Schwestern und Brüder
auf dem kleinen Planeten Erde.
Ich glaube an Jesus Christus,
Kind des Lebens,
eine Schwester für alle Menschen,
die Wahrheit, die uns frei machen wird,
von dem Zwang auszubeuten
und aus dem Tode Profit zu schlagen.
In Christus spüren wir den Geist des Lebens
in einer todessüchtigen Welt.
Wir stehen auf, mit ihm zu kämpfen,
zu leiden und unser Leben zu geben,
bis Gott sei alles in allem
auf unserm kleinen Planeten Erde.
Amen

Diese Gebete stammen aus einer Bibelarbeit zu Matthäus 20, 1 – 16 von Dorothee Sölle und Luise Schottroff beim 27. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Leipzig im Juni 1997. Im Internet:
http://cdithw.han-solo.net/kunden/kirchentag/kirchentag1997/dokumente/soelle3.html

Flugblatt der Wiener Friedensbewegung:

Nicht nur zu Weihnachten aktuell:
Abrüstung jetzt!
FRIEDEN auf Erden!
  

  • Kein Krieg! Der Irak-Krieg hat deutlich gezeigt: Krieg löst keine Probleme – er ist das Problem. Kriege sind durch nichts zu rechtfertigen. Konflikte müssen zivil gelöst werden.

  • Weg mit allen Atomwaffen! Noch immer lagern mehr als 30 000 Atomwaffen in den Arsenalen. Alle Arbeiten zur Weiterentwicklung von Atom­waffen, wie zum Beispiel jene der USA, müssen ge­stoppt werden. Für ein Verbot von Weltraumwaffen! Nein zu allen Atomwaffen – in den USA, in Russland und China, in den EU-Staaten Großbritannien und Frankreich sowie in den „neuen“ Atomwaffenstaaten. Für die Auflösung aller Militärstützpunkte auf fremden Territorien!
  • Stopp der Militarisierung der Europäischen Union! Keine europäischen Eingreiftruppen, keine von der EU geführten Kampfeinsätze, keine Militär­interventionen irgendwo in der Welt! Stopp den Plänen für gemeinsame EU- Rüstungsprojekte, wie sie von der Europäischen Rüstungsagentur organisiert werden sollen!
  • Keine Teilnahme Österreichs an Aktionen eines Militärpaktes, wie sie im Rahmen der EU und der „NATO-Partnerschaft für den Frieden“ aufgebaut werden. Denn das wäre die Teilnahme an Militär­bündnissen und somit im krassen Widerspruch zum Status der immerwährenden Neutralität, zu dem sich Österreich 1955 verpflichtet hat.

Für eine aktive Neutralitäts- und Friedenspolitik Österreichs!

(Flugblatt bei der Weihnachtsaktion der Wiener Friedensbewegung
am 15. Dezember 2006 auf dem Kunsthandwerksmarkt am Karlsplatz in Wien)

Informationen über Friedensarbeit unter:

www.hiroshima.at  www.friedensbewegung.at.tf  www.friedenschristinnen.at.tf

Kaplan Franz Sieder

 Weihnachtsbrief 2006

Liebe Freundinnen und Freunde!

Advent heißt Ankunft. Es ist damit die Ankunft Gottes in dieser Welt gemeint. Vor 2000 Jahren hat sich diese Ankunft ereignet und es war das zweifellos die eigentliche Sternstunde der Menschheit. Dieser menschgewordene Gott in der Person des Jesus von Nazareth hat uns die Kunde von Gott gebracht, die unserem Legen Hoffnung und Sinn gibt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Menschen tatsächlich im Dunkel herumgetappt. Sie hatten zwar den Glauben an irgendeinen Gott, aber sie hatten Angst vor Gott. Sie brachten Gott Speise- und Schlachtopfer dar, um sich diesen Gott gnädig zu stimmen, damit er ihnen nichts Böses antut. Von Jesus wissen wir, dass Gott gut ist und voll menschlicher Liebe. Er möchte, dass es uns gut geht und wir glückliche Menschen sind. Er hat uns auch gesagt und mit seiner Auferstehung bezeugt, dass unser Leben mit dem Tod nicht zu Ende ist. Von ihm wissen wir, dass wir keine Zufallsprodukte auf dieser Welt sind, sondern, dass wir von ihm gewollt sind und dass unsere Berufung auf dieser Welt vor allem darin besteht, die Liebe zu leben und uns einzusetzen für eine menschlichere und gerechtere Welt.

Seine Forderung an uns ist nur, dass wir ihm Herberge geben, damit er bei uns ankommen kann. Vom heiligen Angelus Silesisus stammt der Satz: "Wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, aber nicht in dir, dann wäre er für dich umsonst auf die Welt gekommen." Für uns stellt sich die Frage, wie diese Herberge für IHN bei uns aussieht. Wie können wir Gott bei uns ankommen lassen? Die Antwort auf diese Frage möchte ich dem Theologen Dietrich Bonhoeffer geben lassen, der im Konzentrationslager umgekommen ist: "Christsein ist nicht in einer bestimmten Weise religiös sein, sondern heißt Menschsein - nicht in einem gestimmten Menschentypus, sondern den Menschen schafft Christus in uns. Nicht der religiöse Akt macht den Christen, sondern die Teilnahme am Leiden Gottes im weltlichen Leben." Unser Verhältnis zu Gott ist kein religiöses zu einem denkbar höchsten und mächtigsten Wesen, - sondern unser Verhältnis zu Gott ist ein neues Leben im "Dasein für andere" - in der Teilnahme am Sein Jesu, in der Kraft Jesu. Gott in Menschengestalt, das heißt, dass wir den verzweifelten Flüchtlingen nicht die Türe verschließen - dass wir teilen mit den Armen der Welt, dass wir uns interessieren und ein offenes Ohr haben für die Frau, deren Ehe gerade zerbrochen ist.

Ich möchte zum Weihnachtsfest mein persönliches Glaubensbekenntnis an jenen Gott ausdrücken, der als kleines Kind in der Krippe liegt:

Ich glaube an einen Gott, dem es zutiefst darum geht, alle Menschen von menschenunwürdigen Zuständen zu befreien, dem es zutiefst darum geht, dass alle glücklich sind und ein schönes und erfülltes Leben haben. Ich glaube an einen Gott, der Kriege zutiefst verabscheut, dem der Friede unter allen Menschen ein Herzensanliegen ist.

Ich glaube an einen Gott, der sich für alles verantwortlich weiß, dem die Arbeitslosen nicht gleichgültig sind, dem die Umweltzerstörung nicht gleichgültig ist, an einen Gott, der die allumfassende Wirklichkeit unserer Welt ist.

Ich glaube an einen Gott, den ich aber nicht dafür verantwortlich mache, dass es Kriege gibt oder dass Menschen von Schicksalsschlägen getroffen werden. Er hat auch unser Leben nicht vorherbestimmt. Er hat uns vielmehr Freiheit und Verantwortung übertragen.

Ich glaube an einen Gott, der kein Gesetzesgott ist, der wahrscheinlich sogar viel großzügiger ist als manche kirchlichen Normen und Gesetze. Ich glaube an einen Gott, von dem ich mich angenommen weiß, der mich gern hat und vor dem ich keine Angst habe. Ich glaube an einen Gott, der die Liebe ist.

Ich glaube auch an einen Gott, der Dir und mir den Weihnachtsfrieden schenkt und der uns stärkt und begleitet durch das Neue Jahr 2007.

WEIHNACHTEN 2005

die herrschenden können die schrift
an der wand nicht mehr übersehen
die beherrschten kehren sich ab vom kopfnicken
die Waffenhändler wagen nicht mehr
über die am boden liegenden zu steigen
die bischöfe geben die schlüpfrigen reden auf und sagen nein
die freunde und freundinnen jesu blockieren die Straßen des overkill
die schulkinder erfahren die Wahrheit
woran sollen wir einen engel erkennen
außer dass er und sie mut macht wo angst war
freude wo nicht mal mehr trauer wuchs
einspruch wo sachzwang herrschte
abrüstung wo terror glaubwürdig drohte
fürchte dich nicht der widerstand wächst

 


Dorothee Sölle
Dieser Text war das Motto der Dorothee-Sölle-Lesung am 19. April 2005 im Betriebsseelsorgezentrum St. Pölten und
das Zitat am Ende meiner Rede beim Friedensgottesdienst am 3. Dezember 2005 in der Luther-Kirche in Kasse
l.

"Das größte Weihnachtswunder ist, dass Gott weiß wohin er gehört, zu jenem Lumpengesindel, das ihn braucht und das ihn erkennt. (…) Gott ist kenntlich geworden im kleinen König, geboren in einem Stall. Sein Name ist Habenichts, Flüchtling, Todgeweihter", so beschreibt der Theologe Fulbert Steffensky das Weihnachtsfest in einer Predigt. Parteinahme für die Armen bei uns und weltweit, für den Frieden und eine Globalisierung der Solidarität - hier sind wir alle gefordert, denn "frei werden wir, wenn wir aktiv, bewusst und militant für den Frieden arbeiten" (Dorothee Sölle).

Gesegnete und frohe Weihnachten
und alles Gute für ein friedliches 2006

Alois Reisenbichler

 

Fulbert Steffensky
Das Fest des Lumpengesindels

Wir sind eine bunte Schar, die wir spät in der Heiligen Nacht in die Katharinenkirche gekommen sind. Einige von uns glauben an das Geheimnis dieser Nacht. Einige von uns sehnen sich vermutlich danach, glauben zu können. Vielleicht gehört für andere der Gottesdienst zum Heiligen Abend wie "Dinner for one" zum Silvesterabend, und dies wird wohl auch eine Form von Sehnsucht sein. Wer wir auch sind, lassen Sie uns doch für eine Stunde den Glauben spielen! Lassen Sie uns die Lieder singen, als stimmten unsere Herzen damit überein! Lassen Sie uns das Vaterunser beten, als sei es unsere eigene Sprache! Die Kirchen sind auch eine Art Kostüm- und Sprachenverleih. Sie leihen Kleider, Masken, Sprachen, Lieder, Gesten an die, die keine eigenen haben und die doch gelegentlich spüren, dass es ein Herz in der Welt gibt und dass das Leben nicht über eisigen Abgründen hängt. Dies ist die Nacht des religiösen Lumpengesindels, und so gehören wir dazu, wer immer wir seien.

Weihnachten, eine große Posse, vom Lumpengesindel aufgeführt. Wer gehört dazu, wer spielt mit, wer ist anzutreffen bei dieser merkwürdigen Schwangerschaft und Geburt? Maria, ein junges Mädchen, verarmter Adel aus dem Hause Davids, zu Unzeiten schwanger. Sie behauptet, dies sei höhererseits veranlasst. Wie auch immer! Sie hat nicht viel Renommee. Die zweite Figur: Josef, ein Zimmermann, ein Kleinbürger, ziemlich verwirrt über die Schwangerschaft seiner Braut, mit der er nichts zu tun hat. Er hat keine Reichtümer. Auf alten Bildern wird er dargestellt, wie er seine Hosen auszieht und damit das göttliche Kind wärmt, nicht gerade ein hoffähiges Verhalten. Im Hintergrund Elisabeth, eine alte Frau, sie hat zu Essen und zu Trinken. Aber sie hat nicht, womit eine Frau in jener Gesellschaft erst angesehen ist. Sie hat keine Kinder, sie ist unfruchtbar. Weitere Personen: die Hirten. Es sind die Subproletarier jener Zeit. Bei ihrer Arbeit mit dem Vieh und mit dem Dreck können sie nicht einmal die Gesetze der Frömmigkeit einhalten. Schließlich noch die drei merkwürdigen Figuren aus dem Morgenland, denen die Tradition nachträglich noch den Glanz von Königen angedichtet hat, jene Frühesoteriker, die die Geburt des Kindes aus den Sternen gelesen haben wollen. Jeder Protestant schüttelt sich bei dieser theologischen Methode. Die Posse des Lumpengesindels, der Armen, der Unfruchtbaren, der Nicht-Dazugehörigen. Die Rolle der Spieler wird noch deutlicher, wenn man beachtet, wer in diesem Spiel fehlt. Der König soll geboren werden und es fehlt an Macht. Das göttliche Kind soll geboren werden, und es fehlen die offiziellen Vertreter der Religion. Bei ihnen sind zwar die Bücher, die die Geburt ankündigen. Dort kann man alles nachschlagen und studieren. Sie vermitteln den Ort, aber sie gehen nicht hin. Gefunden wird das Kind nicht von der Macht und der Religionsverwaltung, nicht in Jerusalem, nicht in Rom und nicht in Wittenberg.

Eine Gruppe von Mitspielern wenigstens erscheint standesgemäß und situationsgemäß: die Engel in den Heerscharen und in der Klarheit des Himmels. Einer von ihnen sagt die Nachricht, auf die die Hirten lange gewartet haben: Euch und allem Volk wird eine große Freude widerfahren. Euch und allem Volk ist der Heiland geboren, der Messias, der Herr in der Stadt Davids. Der alte Traum der Gedemütigten, der Armen und der Gequälten soll wahr werden: Endlich ist er da, der Messias, der Retter, der Heiland und Herr. Er wird die Feinde vertreiben. Er wird den Blutsaugern das Handwerk legen, er wird die Macht aufs Kreuz legen, er wird die Waffen zerbrechen, er wird unsere Wunden heilen. Das ist die Nachricht. Noch ist nichts zu sehen, wo sie wahr wird, aber die Engel geben ein Zeichen für diese Wahrheit. Wie sieht es aus (die Posse, geht weiter!): "Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet ein Kind finden, in Windeln gewickelt, es liegt im Futtertrog der Esel und Ochsen." Dieses Zeichen hat nichts zu tun mit dem, was es bezeichnen soll. Der Messias soll kommen. In den alten Schriften ist doch versprochen, welche Ereignisse seine Ankunft begleiten: "Den Gefangenen soll gesagt werden: Geht hinaus! Zu denen in der Finsternis: Kommt hervor! Niemand wird hungern noch dürsten, sie wird weder Hitze noch Sonne stechen." Das sind Zeichen, die überzeugen. Das sind Zeichen, die zum Messias passen.

Und es geschieht ein erstes Weihnachtswunder: Die Hirten glauben den geringen Zeichen. Sie warten nicht mehr auf den glänzenden Gott der Heerscharen. Sie warten nicht mehr auf den Unverwundeten und Unverwundbaren, den niemand aufs Kreuz legen kann. Wo such man einen Starken? Bei den Starken. Wo sucht man einen Befreier? Bei den Befreiten. Die Menschen vergeben Gott viel, manchmal zu viel. Nicht aber vergeben sie ihm, dass er sich in unseren eigenen Masken in der Welt herumtreibt: Als ein Kind, das allen Gefahren ausgesetzt ist; als einer der zum Tode verurteilt ist und seiner Marter nicht entrinnen kann. Das Weihnachtswunder, das zweitgrößte: Die Hirten erkennen ihren Retter in dieser fremden Gestalt. Sie gehen eilends hin, und sie finden Maria und Josef und das Kind in der Krippe. Die spätere Tradition hat es ausgemalt: Die Hirten bringen dem Kind Milch von ihren Schafen und ein Fell, das es wärmen soll. Die Armen helfen ihrem Retter überleben, sie trösten ihn mit ihren Liedern, und sie wärmen ihren Gott. So haben wir gesungen:

Er äußert sich all seiner G'walt, wird niedrig und gering
und nimmt an Knechts Gestalt, der Schöpfer aller Ding.

Das größte Weihnachtswunder ist, dass Gott weiß wohin er gehört, zu jenem Lumpengesindel, das ihn braucht und das ihn erkennt. Die Götter, die wir uns ausdenken, haben all das, was uns selber fehlt: Unsere Kargheit machen wir zu ihrem Reichtum. Unsere Wunden machen wir zu ihrer Unversehrtheit. Unsere Niederlagen machen wir zu ihren Siegen. Dieser kleine König im Stall von Bethlehem ist der große Einspruch gegen unsere Gottesbilder des ungetrübten Glanzes und der ungebrochenen Macht. Macht euch kein Bildnis! Tut diese falschen Bilder von den unberührbaren Göttern weg. Das Wort Gott ist in der Geschichte ein verschlüsselter Text, man kann ihn auf viele Weise auslegen. Das Kind in der Krippe ist die Lesart, die uns bindet: Gott ist unkenntlich geworden südlich von Jerusalem, versteckt im kleinen König, geboren im Stall. Der Unverwundbare hat den Wall seiner Burg geschleift. Hungrig nach der Nähe der Menschen ist er auf ihre Straßen gegangen und an ihre Zäune. Er duckt sich am Feuer der halbwilden Hirten, er zecht mit den Armen. In der Nacht schläft er bei ihnen, den Kopf auf einem Stein. Dieses Kind in Bethlehem ist das fleischgewordene Bilderverbot. Und dieses Kind ist die neue Kenntlichkeit Gottes. Gott ist kenntlich geworden im kleinen König, geboren in einem Stall. Sein Name ist Habenichts, Flüchtling, Todgeweihter. Ein geheimnisvoller Gott, der die Tränen nicht trocknet, die seine Armen weinen; die die Wunden nicht heilt, die das Leben schlägt. Ein geheimnisvoller Gott, der nicht weicht aus dem Hunger der Brotlosen, aus der Qual der Gefolterten und den das Leben aufs Kreuz legt wie andere auch. Sein Grundname ist Emmanuel, der Gott mit uns; der Gott bei uns. Eines unserer Kinder konnte es, als es noch klein war, nicht ertragen, von irgend einem Gespräch oder einem Unternehmen ausgeschlossen zu sein. "Auch dabei" war sein Lieblingswort. Emmanuel, "Auch dabei", ist der Lieblingsname jenes Gottes, der sein Gesicht aufgedeckt hat in dem Kind zu Bethlehem und der in unserem Glück und in unseren Schmerzen wohnt. Es kommt nicht so sehr darauf an, dass Sie die Vorgänge dieser Nacht in Bethlehem glauben. Ich wünschte noch mehr, dass Sie sie schön finden, dass Sie Gott schön finden, der sich nicht in sich selbst verkrallt, in seinen eigenen Glanz und seine Absolutheit; der nicht geizig sein eigenes Glück bewacht, sondern ausströmt in die Welt der Kälte. Dieser Gott ist Mitteilung, er ist der Allermitteilsamste, wie ihn Meister Eckhart nennt.

Gott hat sich mitgeteilt. Er duldet keine Apartheid, auch nicht die zwischen sich selber und seinen Geschöpfen. Das sagt etwas über ihn. Und es sagt etwas über uns. Alles ist wichtig, bedeutet es. Ob Menschen in Ruhe oder Glück leben oder nicht; ob Menschen Brot haben oder nicht; ob Menschen Arbeit haben oder nicht - das alles ist eine spirituelle Angelegenheit geworden, seit Gott sich in unseren Wunden und in unseren Glück versteckt. Seit Gott die Gestalt unserer Leiden angenommen hat, sind sie mehr als eine brutale und nackte Tatsache. Sie haben eine endgültige Bedeutung, denn sie sind die Verletzungen Gottes. Unser Verhältnis zu den Schicksalen der Menschen ist nicht nur eine Frage der Moral, es ist eine Frage des Glaubens: Erkennen wir den verwundeten Gott unter den Masken der Menschenwunden, oder sind wir taub und blind? Es gibt keine Unterscheidung mehr zwischen dem Vorläufigen und zwischen dem Endgültigen, zwischen einem rein Politischen und dem Religiösen, zwischen nur Weltlichem und Eigentlichem. Seit Gott die Gestalt unserer Knechtschaft angenommen hat, ist alles eigentlich geworden: das Brot und das Wasser, das Gelingen des Lebens und seine Zerstörung. Nichts ist mehr gleichgültig, und das Leben hat eine unendliche Kostbarkeit und Bedeutung. Nichts ist gleichgültig. Der Glaube an Weihnachten ist das Gegengift gegen jeden Zynismus.

Schön ist die Höflichkeit Gottes, der nicht aus unserem Leben weicht. Aber reicht das alles? Ist das nicht die romantische Glorifizierung der Schwäche eines Kindes? Stirbt keiner mehr, nachdem dieser Messias da ist? Wird keiner mehr erniedrigt und angespieen? Sprechen die Verstummten und springen die Lahmen wie ein Hirsch? Es ist der alte jüdische Einwand, wenn wir unser Weihnachten feiern und die Geburt dieses Sohnes. Es ist die widerborstige Frage der Hoffnung, die nicht eher zufrieden ist, bis die Schwerter zu Pflugscharen geschmiedet und bis alle Tränen getrocknet sind. Glauben heißt, mit Widersprüchen leben können. Wir beharren auf einen Widerspruch: Ja, Gott hat sein wahres Gesicht gezeigt in diesem Sohn; ja, das Morgenlicht ist angebrochen; ja, es ist der Tag, den Gott gemacht hat; ja, die Tür ist aufgeschlossen zum schönen Paradies. Sie hören, dass ich das große "Ja" mit der Stimme der Tradition, der Lieder und der Bibel sage. Denn dieses "Ja" überfordert den Glauben des Einzelnen. Das "Nein" des Widerspruchs kann man mit der eigenen Stimme sprechen; denn man braucht es ja nur am Zustand dieser Erde abzulesen. Noch immer verhungern Kinder; noch immer werden die Fremden erschlagen und noch immer unterliegen wir dem Lebenshass. Und so muss noch kommen, der gekommen ist. So muss noch siegen, der gesiegt hat. So muss noch erscheinen, was schon ist. Aber wir sind nicht die ewig Wartenden, die ewig Ausschau haltenden, die ewig Morgigen. Wir haben nicht nur Zukunft, wir haben eine Vergangenheit. Die Hoffnung braucht eine Herkunft. Wir haben einen guten Anfang, die wir aus jener Nacht kommen und aus der Freude jener Nacht der Engel: Er ist da, er ist geboren, die Rose ist aufgeblüht, die die Schönheit der Welt bedeutet.

Liebe Gemeinde, die Predigt ist aus. Aber es gibt einen kurzen Nachtrag, der zur Sache selbst gehört. Ich werbe für die Kollekte, was man nie tun soll in der Predigt. Sie ist bestimmt für "Brot für die Welt" und für "Brot für St. Petersburg". Gott ist das Allermitteilsamste. Spielen wir Gott und teilen wir mit! Man glaubt an die Geburt des Lichtes nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit dem geöffneten Geldbeutel. In der Bibel steht zwar, dass Gott auf das Herz sieht, aber ich glaube, dass er auch unseren Geldbeutel respektiert, wenn das Herz schwach ist. Und diejenigen, die Brot brauchen, haben vom Geldbeutel immerhin mehr als von unserem puren Herzen. Ich habe mich gefragt, ob ich eine Summe empfehlen soll. Das ist insofern schwierig, als ich die Großzügigkeit von niemandem unterschätzen möchte. Aber ich habe mir gedacht, angemessen als Spenden, angemessen als Spende für das nackte Kind im Stall wäre das, was wir ausgeben für unser Weihnachtsessen, jedenfalls angemessen fürs erste, bis das Reich Gottes kommt, da werden wir noch viel mehr abgeben. Also essen Sie uns trinken Sie nach Herzenslust. Wir haben allen Grund dazu, und unsere Geschwister in den Ställen brauchen es.

Aus Fulbert Steffensky, Dorothee Sölle, Löse die Fesseln der Ungerechtigkeit, Kreuz Verlag, Stuttgart 2005, S 135 - 140.
 

Texte zum Nachdenken
in der Weihnachtszeit

Aus der Hebräischen Bibel (Altes Testament):

Jesaja 9

Das Volk, das im Dunkel lebt,
sieht ein helles Licht;
über denen, die im Land der Finsternis wohnen,
strahlt ein Licht auf.
Du erregst lauten Jubel
und schenkst große Freude.
Man freut sich in deiner Nähe,
wie mensch sich freut bei der Ernte,
wie frau jubelt, wenn Beute verteilt wird.
Denn wie am Tag von Midian
zerbrichst du das Joch,
das Tragholz auf unserer Schulter
und den Stock des Treibers.
Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft,
jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist,
wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers.
Denn uns ist ein Kind geboren,
ein Sohn ist uns geschenkt.
Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter;
man nennt ihn:
Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott;
Vater und Mutter in Ewigkeit, Fürst des Friedens.
Seine Herrschaft ist groß
und der Friede hat kein Ende.
auf dem Thron Davids herrscht er über sein Reich;
er festigt und stützt es durch Recht und Gerechtigkeit;
jetzt und für alle Zeiten.
Der leidenschaftliche Eifer des Herrn der Heere
wird das vollbringen.
Jesaja, 9, 1-6

 Jesaja, 58

1 Rufe aus voller Kehle, halte dich nicht zurück! / Lass deine Stimme ertönen wie eine Posaune! Halt meinem Volk seine Vergehen vor / und dem Haus Jakob seine Sünden!
2 Sie suchen mich Tag für Tag; / denn sie wollen meine Wege erkennen. Wie ein Volk, das Gerechtigkeit übt / und das vom Recht seines Gottes nicht ablässt, so fordern sie von mir ein gerechtes Urteil / und möchten, dass Gott ihnen nah ist.
3 Warum fasten wir und du siehst es nicht? / Warum tun wir Buße und du merkst es nicht? Seht, an euren Fasttagen macht ihr Geschäfte / und treibt alle eure Arbeiter zur Arbeit an.
4 Obwohl ihr fastet, gibt es Streit und Zank / und ihr schlagt zu mit roher Gewalt. So wie ihr jetzt fastet, / verschafft ihr eurer Stimme droben kein Gehör.
5 Ist das ein Fasten, wie ich es liebe, / ein Tag, an dem man sich der Buße unterzieht: wenn man den Kopf hängen lässt, so wie eine Binse sich neigt, / wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt? Nennst du das ein Fasten / und einen Tag, der dem Herrn gefällt?
6 Nein, das ist ein Fasten, wie ich es liebe: / die Fesseln des Unrechts zu lösen, / die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, / jedes Joch zu zerbrechen,
7 an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, / die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden / und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen.
8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte / und deine Wunden werden schnell vernarben. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, / die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach.
9 Wenn du dann rufst, / wird der Herr dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: / Hier bin ich. Wenn du der Unterdrückung bei dir ein Ende machst, / auf keinen mit dem Finger zeigst und niemand verleumdest,
10 dem Hungrigen dein Brot reichst / und den Darbenden satt machst, dann geht im Dunkel dein Licht auf / und deine Finsternis wird hell wie der Mittag.
11 Der Herr wird dich immer führen, / auch im dürren Land macht er dich satt / und stärkt deine Glieder. Du gleichst einem bewässerten Garten, / einer Quelle, deren Wasser niemals versiegt.
12 Deine Leute bauen die uralten Trümmerstätten wieder auf, / die Grundmauern aus der Zeit vergangener Generationen stellst du wieder her. Man nennt dich den Maurer, / der die Risse ausbessert, / den, der die Ruinen wieder bewohnbar macht.
13 Wenn du am Sabbat nicht aus dem Haus gehst / und an meinem heiligen Tag keine Geschäfte machst, wenn du den Sabbat (den Tag der) Wonne nennst, / einen Ehrentag den heiligen Tag des Herrn, wenn du ihn ehrst, indem du keine Gänge machst, / keine Geschäfte betreibst und keine Verhandlungen führst,
14 dann wirst du am Herrn deine Wonne haben, / dann lasse ich dich über die Höhen der Erde dahinfahren und das Erbe deines Vaters Jakob genießen. / Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen.


Gerechtigkeit und Friede küssen sich.
Lesung aus 85. Psalm (Vers 2 - 14)

Einst hast du, Herr, dein Land begnadet / und Jakobs Unglück gewendet, hast deinem Volk die Schuld vergeben, / all seine Sünden zugedeckt, hast zurückgezogen deinen ganzen Grimm / und deinen glühenden Zorn gedämpft. Gott, unser Retter, richte uns wieder auf, / lass von deinem Unmut gegen uns ab! Willst du uns ewig zürnen, / soll dein Zorn dauern von Geschlecht zu Geschlecht? Willst du uns nicht wieder beleben, / sodass dein Volk sich an dir freuen kann? Erweise uns, Herr, deine Huld / und gewähre uns dein Heil!

Ich will hören, was Gott redet: / Frieden verkündet der Herr seinem Volk und seinen Frommen, / den Menschen mit redlichem Herzen.

Sein Heil ist denen nahe, die ihn fürchten. / Seine Herrlichkeit wohne in unserm Land.
Es begegnen einander Huld und Treue; / Gerechtigkeit und Friede küssen sich. Treue sprosst aus der Erde hervor; / Gerechtigkeit blickt vom Himmel hernieder.

Auch spendet der Herr dann Segen / und unser Land gibt seinen Ertrag. Gerechtigkeit geht vor ihm her / und Heil folgt der Spur seiner Schritte.
 
Aus der Tradition der ArbeiterInnenbewegung:

Arbeiter-Stille-Nacht

1. Stille Nacht, traurige Nacht,
rings umher Lichterpracht!
In der Hütte nur Elend und Not,
kalt und öde, kein Licht und Not,
kalt und öde, kein Licht und kein Brot,
schläft die Armut auf Stroh,
schläft die Armut auf Stroh,

2. Stille Nacht, traurige Nacht,
hast du Brot mitgebracht?
fragen hungrige Kinderlein.
Seufzend spricht der Vater: "Nein.
Bin noch arbeitslos!"
Bin noch arbeitslos!"

3. Stille Nacht, traurige Nacht,
drunten tief in dem Schacht
schlagen Wetter, welch grässliche Fron!
Gräbt der Bergmann für niedrigen Lohn
 für die Reichen das Gold,
für die Reichen das Gold.

4. Stille Nacht, traurige Nacht,
Henkersknecht hält die Wacht;
In dem Kerker gefesselt, geächt´,
leidet schmachtend für Wahrheit und Recht
mutige Kämpferschar,
mutige Kämpferschar.

5. Stille Nacht, traurige Nacht,
Arbeitsvolk, aufgewacht!
Kämpfe mutig mit heiliger Pflicht,
bis die Weihnacht der Menschheit anbricht,
bis die Freiheit ist da,
bis die Freiheit ist da.
...
Texte von Jura Soyfer (1912 - 1939)

Lied des einfachen Menschen

Menschen sind wir einst vielleicht gewesen
Oder werden's eines Tages sein,
Wenn wir gründlich von all dem genesen.
Aber sind wir heute Menschen? Nein!

Wir sind der Name auf dem Reisepaß,l
Wir sind das stumme Bild im Spiegelglas,
Wir sind das Echo eines Phrasenschwalls
Und Widerhall des toten Widerhalls.

Längst ist alle Menschlichkeit zertreten,
Wahren wir doch nicht den leeren Schein!
Wir, in unsern tief entmenschten Städten,
Sollen uns noch Menschen nennen? Nein!

Wir sind der Straßenstaub der großen Stadt,
Wir sind die Nummer im Katasterblatt,
Wir sind die Schlange vor dem Stempelamt
Und unsre eignen Schatten allesamt.

Soll der Mensch in uns sich einst befreien,
Gibt's dafür ein Mittel nur allein:
Stündlich fragen, ob wir Menschen seien?
Stündlich uns die Antwort geben: Nein!

Wir sind das schlecht entworfne Skizzenbild
Des Menschen, den es erst zu zeichnen gilt.
Ein armer Vorklang nur zum großen Lied.
Ihr nennt uns Menschen? Wartet noch damit!

Das Lied von der Erde.

Denn nahe, viel näher als ihr es begreift,
Hab´ ich die Erde gesehen.
Ich sah sie von goldenen Saaten umreift,
Vom Schatten des Bombenflugzeugs gestreift,
Und erfüllt von Maschinengedröhn.
Ich sah sie von Radiosendern bespickt;
Die warfen Wellen von Lüge und Hass.
Ich sah sie verlaust, verarmt und beglückt
Mit Reichtum ohne Maß.

Voll Hunger und voll Brot ist diese Erde,
Voll Leben und voll Tod ist diese Erde,
In Armut und in Reichtum grenzenlos.
Gesegnet und verdammt ist diese Erde,
Von Schönheit hell umflammt ist diese Erde,
Und ihre Zukunft ist herrlich und groß.

Denn nahe, viel näher als ihr es begreift,
Steht diese Zukunft bevor.
Ich sah, wie sie zwischen den Saaten schon reift,
Die Schatten vom Antlitz der Erde schon streift
Und greift zu den Sternen empor.
Ich weiß, dass von Sender zu Sender bald fliegt
Die Nachricht vom Tag, da die Erde genas.
Dann schwelgt diese Erde, erlöst und beglückt,
In Reichtum ohne Maß.

Voll Hunger und voll Brot ist diese Erde,
Voll Leben und voll Tod ist diese Erde,
In Armut und in Reichtum grenzenlos.
Gesegnet und verdammt ist diese Erde,
Von Schönheit hell umflammt ist diese Erde
Und ihre Zukunft ist herrlich und groß!

Texte von Dorothee Sölle

Frei werden

Frei werden wir erst,
wenn wir uns mit dem Leben verbünden,
gegen die Todesproduktion
und die permanente Tötungsvorbereitung.

Frei werden wir
weder durch den Rückzug ins Private, ins "Ohne mich",
noch durch Anpassung an die Gesellschaft,
in der Generäle und Millionäre besonders hoch geachtet werden.

Frei werden wir,
wenn wir aktiv, bewusst und militant für den Frieden arbeiten.


Schalom

Unter Gerechtigkeit verstehen die Prophetinnen und Propheten ein Leben der Gemeinschaft im Recht. Diejenigen, die die Häuser gebaut haben, werden auch in ihnen wohnen; die die Weinberge gepflanzt haben, werden den Wein auch trinken. Das kommende Friedensreich wird im Zusammenhang von Recht und Gerechtigkeit gedacht. Gott "wird Recht sprechen zwischen vielen Völkern und Weisung geben starken Nationen bis in die Ferne; und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Spieße zu Rebmessern. Kein Volk wird wider das andere das Schwert erheben, und sie werden Krieg nicht mehr lernen. Sie werden ein jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum sitzen, ohne dass einer sie aufschreckt" (Micha 4,3 f.). Das sind biblische Vorstellungen von dem, was wirklich Frieden in Gerechtigkeit ist. Schalom ist nicht ein Abstraktum, und es gibt in der hebräischen Bibel keine Beispiele, wo Schalom die seelische Haltung des inneren Friedens bezeichnet. Auch wird der Begriff meist auf eine Gemeinschaft, selten auf ein Individuum bezogen. Schalom ist eine Vorstellung vom guten Leben, das Menschen leben können und nach dem sie dann alt und lebenssatt sterben können, weil ihre Tage gezählt sind und sie nicht vorzeitig zugrunde gehen an Krieg und Ungerechtigkeit.

Grundlage des Friedens ist die Gerechtigkeit. "Gnade und Treue begegnen einander, Gerechtigkeit und Friede küssen sich." (Psalm, 85,11) Das Ziel ist der Zustand, in dem Gott die Kriegswagen zerstört und der Aggression ein Ende gemacht hat. Ohne soziale Gerechtigkeit, ohne Recht kein Frieden. Der Maßstab ist nach Aussage der Prophetinnen und Propheten das Recht der Rechtlosen, etwa der Witwen und Waisen, die keinen männlichen Fürsprecher haben. Die unterste Klasse wird zum Maßstab des Wohlergehens aller gemacht. Die am meisten entrechtet sind, am wenigsten zu sagen haben, die nicht nur kein Geld haben, sondern auch keine FürsprecherInnen, keine Beziehungen, die nicht einmal mit den Behörden umgehen können, weil sie nicht wissen, worauf sie Anspruch haben - sie sind der Maßstab, an dem gemessen wird, was eigentlich Gerechtigkeit ist. Die Ausgegrenzten, die RandsiedlerInnen, die an der untersten Sprosse der Leiter einer Gesellschaft stehen, werden "erhöht", die Hohen "erniedrigt", damit eine "ebene Bahn für Gott" entsteht (Jesaja 40,3). Außenpolitik und Innenpolitik werden hier nicht getrennt, als ob man sich außenpolitisch unterwerfend, imperialistisch, aufrüstend verhalten und zugleich innenpolitisch Ruhe und Ordnung erhalten könne! Gerechtigkeit und Frieden gehören so zusammen, wie Aufrüstung und Krieg zusammengehören. Nur zusammen mit der Gerechtigkeit entsteht Frieden im vollen Sinn des Wortes Schalom. Biblisch gedacht ist es daher falsch zu behaupten, die Atombomben hätten uns vierzig Jahre lang den Frieden garantiert, insofern als sie in derselben Zeit den Menschen der Zweidrittelwelt das Verhungern garantiert haben. Ein auf Abschreckung und Gewalt, Terror, Elend und Drohung beruhender Friede ist antibiblisch, weil er Rüstung, nicht Gerechtigkeit zur Grundlage des Friedens macht.

Hunger nach Sinn
 
Ich werde manchmal gefragt, warum ich
denn "immer noch" für Gerechtigkeit,
Friede und die gute Schöpfung eintrete.
"Immer noch?" frage ich zurück,
wir fangen doch gerade erst an,
aus der Verbundenheit mit dem Leben
heraus, zu kämpfen, zu lachen, zu weinen.
Wir können uns doch nicht auf das geistige
Niveau des Kapitalismus zurückschrauben
und ständig "Sinn" mit "Erfolg" verwechseln.
Das ist eine lebensgefährliche Verwechslung,
wenn wir das Leben zurechtstutzen
auf das Machbare und das,
was sich konsumieren lässt.
Meine Tradition hat uns wirklich
mehr versprochen!
Ein Leben vor dem Tod,
gerechtes Handel und die Verbundenheit
mit allem, was lebt,
die Wölfe neben den Lämmern und
Gott nicht oben und nicht später,
sondern jetzt und hier.
Bei uns, in uns.

Lob in der schrecklichen Weihnachtszeit

Als der regen auf die roten mäntel der weihnachtsmänner fiel
und sie bonbons aus ihren säcken holten
und die kinder ihre eiligen mütter festhielten
und mir mir mich schrieen vor dem Kaufhaus

Gingen hinter mir zwei jungen
bei uns in chile ich traute meinen ohren nicht
sind die weihnachtsbäume viel größer
und der nikolaus holt alles runter ganz viel.

Ich drehte mich um und sah einen menschen von zwölf jahren
mit schwarzen locken
er sagte in klaren deutsch zu dem blonden
alle kriegen was verstehst du keiner
kriegt nix verstehst du keiner.

Dies ist eine wahre geschichte aus hamburg-altona
und drei gründe auf einmal
gott zu loben
für das gloria keiner kriegt nix gar keiner
für den engel im anorak
für das chile das war
Für das chile, das sein wird.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

 

 

Kostenlose Homepage von Beepworld
 
Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der
Autor dieser Homepage, kontaktierbar über dieses Formular!