pfingsten

Pfingstbrief 2016

Globalisierung der Hoffnung

Sehen wir allen Ernstes ein, dass etwas nicht in Ordnung ist mit unserer Welt, in der es so viele Campesinos und Campesinas ohne Grund und Boden, so viele Familien ohne Wohnung, so viele Arbeiterinnen und Arbeiter ohne Rechte gibt, so viele Menschen, die in ihrer Würde verletzt sind?

Sehen wir ein, dass etwas nicht in Ordnung ist, wenn so viele sinnlose Kriege ausbrechen und die brudermörderische Gewalt sich sogar unserer Stadtviertel bemächtigt? Sehen wir ein, dass etwas nicht in Ordnung ist, wenn der Boden, das Wasser, die Luft und alle Wesen der Schöpfung einer ständigen Bedrohung ausgesetzt sind?

Wenn wir das also einsehen, sagen wir es ganz unerschrocken: Wir brauchen und wir wollen eine Veränderung. (…)
 

Ich frage ich, ob wir fähig sind zu erkennen, dass diese zerstörerischen Wirklichkeiten einem System entsprechen, das sich über den gesamten Globus ausgebreitet hat. Erkennen wir, dass dieses System die Logik des Gewinnes um jeden Preis durchgesetzt hat, ohne an die soziale Ausschließung oder die Zerstörung der Natur zu denken?

Wenn es so ist, dann beharre ich darauf – sagen wir es unerschrocken -: Wir wollen eine Veränderung, eine wirkliche Veränderung, eine Veränderung der Strukturen. Dieses System ist nicht mehr hinzunehmen; die Campesinos und Campesinas ertragen es nicht, die Arbeiterinnen und Arbeiter ertragen es nicht, die Gemeinschaften ertragen es nicht, die Völker ertragen es nicht … Und ebenso wenig erträgt es die Erde, „unsere Schwester, Mutter Erde“, wie der heilige Franziskus sagt. (…)

Die Globalisierung der Hoffnung, die in den Völkern keimt und unter den Armen wächst, muss an die Stelle der Globalisierung der Ausschließung und Ausbeutung treten! (…)

Sie können viel tun, sie können viel tun! Sie, die Unbedeutendsten, die Ausgebeuteten, die Armen und Ausgeschlossenen, können viel und tun viel. Ich wage, Ihnen zu sagen, dass die Zukunft der Menschheit großenteils in Ihren Händen liegt, in ihren Fähigkeiten, sich zusammenzuschließen und kreative Alternativen zu fördern, im täglichen Streben nach den „drei T“ (trabajo, techo y tierra – Arbeit, Wohnung und Boden) und auch in ihrer Beteiligung als ProtagonistInnen an den großen Wandlungsprozessen, an nationalen Veränderungen, regionalen Veränderungen und weltweiten Veränderungen. Lassen Sie sich nicht einschüchtern!

Papst Franziskus
Ansprache beim Welttreffen der Sozialbewegungen, Santa Cruz de la Sierra, Bolivien, 9. Juli 2015

Zitiert in: Papst Franziskus, Für eine Wirtschaft, die nicht tötet – Wir wollen und wir brauchen Veränderung,
Stuttgart 2015, (Verlag Katholisches Bildungswerk), Seite 36 – 41

Ich gebe es ehrlich zu: manchmal geht mir die Luft aus. Auch ich bin manchmal verzweifelt und sehe nur mehr wenig Hoffnung. Aber: Pfingsten bedeutet für uns ChristInnen neue BeGEISTerung, sich für die Sache Jesu und ebenso für die Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.

Pfingsten im gesellschaftlichen Sinne bedeutet, wie Leonardo Boff in seinem neuen Buch „Herzenssache – Warum uns die Vernunft allein nicht weiterbringt“ (Kevelaer 2016, Verlag Butzon & Berker, Seite 27) schreibt: „Wenn wir diesen Sprung in die Solidarität nicht schaffen, dann scheitern wir schließlich an der Vollendung unseres Menschseins. Das ist die große Herausforderung des 21. Jahrhunderts: dass wir im vollen Sinne Mensch werden und jeder / jede das Recht hat, am Tisch Platz zu nehmen und auf anständige Weise seine / ihre Nahrung zu erhalten.“

Auch wir im reichen Norden brauchen diese Globalisierung der Hoffnung, von der Papst Franziskus spricht.

Frohe und gesegnete Pfingsten

Alois Reisenbichler

 

 

 

Mein Pfingstbrief 2014
 

Auf Seite der Ausgebeuteten

Jesus selbst versteht sich als Messias der Armen und es sind auch die „anawim“, die Armen, die Gebeugten, die Gedemütigten, die Verstoßenen, die Ausgegrenzten, die an den Rand Gedrückten, die Enterbten, die Waisen und Witwen, die entwürdigten Frauen, die allein gelassenen Kinder, die zum ihm kommen, auf ihn hören, ihm vertrauen und ihn ausrufen lassen: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.“ (Mt 11,25) (…)

Dass es verschiedene Klassen in der Gesellschaft gibt, wird niemand bestreiten können. Wenn jemand ausgebeutet, unterdrückt, versklavt wird, gibt es logischerweise auch jemanden, der ausbeutet, unterdrückt, versklavt. Wir wissen es in Amazonien nur allzu gut und erleben es täglich, dass es Ausgebeutete und Ausbeuter gibt, Unterdrückte und Unterdrücker, Sklaven / Sklavinnen und Sklavenhalter. Die Leute sind arm, weil jemand oder ein System schuldig an ihnen geworden ist, weil sie bis aufs Blut geschunden worden sind. Das sind Tatsachen. (…)

Wenn der Reiche nur für sich hortet und dabei Menschen versklavt, dann ist das gegen die Menschenwürde und damit gegen Gott selbst. Als Kirche haben wir den Auftrag, uns im Namen des Evangeliums für die Menschenwürde und die Menschenrechte einzusetzen. Mit ihrer Anklage schafft sich die Kirche natürlich auch Feinde. Vor allem sind es Großgrundbesitzer, Holzhändler und Bergwerksgesellschaften. Für diese Leute ist zum Beispiel jeder Indio einer zu viel. Und für sie ist die Kirche ein Stachel im Fleisch, weil sie die Rechte der indigenen Völker mit aller Energie verteidigt. (…)

Die Kirche hat sich auf Seite der Ausgebeuteten, der Unterdrückten, der an den Rand Gedrängten gestellt, ob es indigene sind oder nicht indigene. Und wenn ich den Reichen auf die Zehen trete, schreien sie wütend auf und sagen, der Bischof sei ein Kommunist. Er muss weg, er muss „eliminiert“ werden.  Mehrere unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden genau deshalb ermordet, weil sie Gewalt, Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzungen angeprangert haben.

Bischof Dom Erwin Kräutler
In: Erwin Kräutler, Mein Leben für Amazonien, Innsbruck 2014 (Tyrolia Verlag), Seite 152, 177/178

Das jetzt nach Ostern erschienene Buch von Bischof Kräutler hat mich wie sein ganzes Leben beeindruckt, mehr noch, betroffen gemacht und mir Mut gegeben, in unserer oft hoffnungslosen, aber unvergleichbar bequemeren Situation uns gemeinsam weiter für Gerechtigkeit und Frieden zu engagieren, weiter zu kämpfen für eine geschwisterlichere Welt.

Das ist für mich Pfingsten – so wie es Dorothee Sölle schon 1979 in einem Vortrag in Argentinien formulierte: „Glauben heißt gegen den herrschenden Zynismus zu kämpfen und Widerstand leisten.“ (Dorothee Sölle, Wählt das Leben, Stuttgart 1980, Seite 20)

Frohe und gesegnete Pfingsten

Alois

Auf Grund meiner Internetprobleme konnte ich heuer meinen Pfingstbrief nur im Facebook und auf dieser Homepage  veröffentlichen.

 

Pfingsten 2013

 

Zusammen den Weg gehen

 

„Das Interesse Jesu ist, dass wir mit ihm zusammen seinen Weg gehen“ (Dorothee Sölle)

Der gewaltsame Tod Jesu ist nicht zu trennen von seinem Leben und Handeln, er ist die Konsequenz seines Weges, der in den Widerstand gegen eine Welt der Gewalt geführt hat. Ihm auf diesem Weg folgen heißt, die Perspektive der Opfer einzunehmen, in den Opfer der Gewaltgeschichte den Gekreuzigten selber wahrzunehmen. „Jesus wird in der Todesqual sein bis zum Ende der Welt“, sagt Dorothee Sölle mit Blaise Pascal. „Die radikale Passion für Gerechtigkeit, die Parteinahme für die Enterbten, führt in die Passion des Leidensweges“ – wer Jesus auf diesem Weg folgen will, wird selbst in den Widerstand geführt, der Leidenschaft und Leidensbereitschaft voraussetzt.

Zugleich aber ist dieser Weg ein Angebot zum Leben in der Gemeinschaft der Geschwister Jesu, der Versuch, miteinander eine alternative Lebensweise zu entdecken, die die Strukturen der Gewalt unterläuft und Menschen die von Gott verliehene Würde und Freiheit zurückgibt. Aus der Erfahrung, dass wahres Leben anders aussieht und dass es möglich ist, anders zu leben, erwächst eine Gegenkultur, und aus ihr zugleich der Widerstand gegen die Welt der Gewalt. Aus der befreienden Erfahrung einer alternativen Lebensweise, wächst die Bereitschaft, Anfeindungen und Verfolgungen zu ertragen. Wer Jesus nachfolgt, ist, wie er selber, einfach nicht totzukriegen. Wer den Widerstand wagt tritt nicht für eine abstrakte Idee ein – wohl aber dafür, einen Lebensentwurf zu verteidigen, der einem / einer eine neue Würde, eine neuen Sinn, eine neue Gemeinschaft geschenkt hat, die man um keinen Preis der Welt wieder verlieren, verleugnen oder verraten wird. Hier werden Menschen zu Brüdern und Schwestern, weil sie Brüder und Schwester des Herrn Jesus sind, dem Lehrer ihrer Sehnsucht nach Freiheit, Leben und Würde; in ihm sind sie vereint, haben zueinander und zu sich selbst gefunden, sein Name, der Name Jesu, ist mit Liebe und Sehnsucht gefüllt: die Anrufung „unseres Herrn Jesus“ wird zum Codewort für die Sehnsucht nach dem Leben und der Liebe, die über alle Grenzen geht, am Ende auch über die Grenzen des Todes.“

Renate Wind
Buch über Dorothee Sölle
„Grenzenlos glücklich – absolut fröhlich – immer in Schwierigkeiten“
Seite 48 – 50

 

„Wir haben den längeren Atem – wir brauchen die bessere Zukunft“, heißt es in einem Gedicht von Dorothee Sölle in dem schönen Buch von Renate Wind.

Diesen längeren Atem wünsche ich uns allen in dieser in vielen sehr hoffnungslosen Zeit, die uns allen – auch mir – den Atem raubt.

Gesegnete und schöne Pfingsten

Alois Reisenbichler

 

Pfingsten 2012

 

 

Wir gehen im Horizont der Hoffnung

Die Globalisierung hat uns auf einzigartige Weise den Enden der Erde näher gebracht. Diese „Enden“ gehen quer durch unseren lateinamerikanischen Kontinent und unser Land, und sie verlaufen vor unserer eigenen Haustür. Einerseits leben wir in einer viel größeren gegenseitigen Nähe, gleichzeitig leben wir aber auch viel weiter weg von jenem „Nächsten“, die vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wurden, weil sie ihre Arbeit, ihr Obdach oder ihr Land verloren haben.

In Brasilien hegen wir eine ganz besondere Zuneigung zu diesen „Verliererinnen und Verlierern der Globalisierung“ – zu den Landlosen und den indigen Völkern, die um Land kämpfen; zu den Obdachlosen und Migranten, die ihr Heim verloren haben; zu den Arbeitslosen und den durch Hungerlöhne Ausgebeuteten. Die globalisierte Welt hat neue Mauern errichtet zwischen Gewinnern und Verlierern, zwischen Reichen und Armen, und lässt einen ständig wachsenden Teil der Menschheit mit immer weniger Hoffnung zurück. (…)

Die überwiegende Mehrheit der Menschen lebt abgeschnitten vom Fortschritt, von der Fülle und vom Wohlstand, und kämpft täglich um ein Stückchen Brot. Die globalisierte Welt schafft Opfer und Ausschluss, Gewalt und Verzweiflung; sie verachtet das Leben der Unschuldigen und der Friedfertigen. (…)

Unsere universelle Mission unterscheidet sich radikal von der Globalisierung, die uns umgibt. Wir werden uns niemals den Ausschlussmechanismen anpassen. Wir geben die ethischen Grundsätze und die Vision des Gottesreiches niemals auf, die unserem Weg die Richtung weisen.

Die Welt kann anders sein! Mission ist Vision! Gottes Gerechtigkeit ist nicht die Gerechtigkeit jener Justitia-Statue mit verbundenen Augen. Unser Gott hört den Schrei der Armen, sieht das Leid der Migranten und ruft mit seinem Wort alle, die durch die babylonische Verwirrung der Makrodiskurse vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sind. Die Räume der Unentgeltlichkeit und Zweckfreiheit, welche die Kunst und die Religion anbieten, können Widerstandsräume sein gegen das heutige Axiom „Ich mache Gewinn, also bin“, gegen die Fragwürdigkeiten des „kulturell Korrekten“, das von der neoliberalen Globalisierung bestimmt wird. (…)

Wie können wir Brüche verursachen, wie können wir Risse und Brüche im System nutzen, um unsere Träume einzupflanzen, unsere und die der Armen und Ausgeschlossenen?

 

Bischof Dom Erwin Kräutler
In: Erwin Kräutler, Kämpfen, glauben, hoffen. Mein Leben als Bischof am Amazonas,
 Münsterschwarzach 2011 (Vier-Türme-Verlag), Seite 65 ff.

Für mich persönlich sind es heuer sehr traurige Pfingsten: Am Samstag nach Christi Himmelfahrt ist ein lieber Freund in seiner Wohnung verbrannt. Wahrscheinlich durch eine brennende Kerze, weil ihm wegen der Schulden der Strom abgedreht wurde. Wir, seine Freundinnen und Freunde, hatten es nicht gemerkt.

 „Tatsächlich verlangt Jesus ein äußerst wachsames Bewusstsein und eine äußerste Wahrnehmungsfähigkeit für andere Menschen, ein neues Sehen des anderen / der anderen, das seine / ihre Ängste und seine / ihre Hoffnungen erkennt, auch wo sie sich nur undeutlich oder missverständlich aussprechen, ja auch da, wo sie sich eher verstecken und verschweigen, schrieb Dorothee Sölle 1968 (Phantasie und Gehorsam, Überlegungen zu einer künftigen christlichen Ethik, Stuttgart 1968, Seite 57). Jesus „erwartete, dass wir die Welt verändern – eben dazu befreite er unsere Phantasie.

Frohe und gesegnete Pfingsten

Alois Reisenbichler

 

 

 

Pfingsten 2011

 

Wählt das Leben

 

In der Mitte der offiziellen bürgerlichen Demokratien hat die Okkupation stattgefunden: „Supermarkt; Großbank; Großtechnologie; Massenmedien; Kartelle; Börse; Holding; Monopol; internationales Finanzkapital“, um nur einige Stichworte zu nennen. Alle Institutionen der Gesellschaft sind von dieser Besatzungsmacht übernommen worden. (…) Hier einige Worte, um die das Glaubensbekenntnis jener Macht sich gruppiert: Wachstum um jeden Preis; Profit um jeden Preis; Konkurrenz um jeden Preis; unternehmerische Freiheit als Faustrecht um jeden Preis; Leistung um jeden Preis; Disziplin (…)

 

Das Leben wählen gegenüber dem Tod heißt einzustimmen in das große Ja zum Leben. (…) Das Ja, das im emphatischen biblischen Sinne gemeint ist, ist ein unbedingtes Ja, das etwa auch in Krankheit und Sterben gilt, das vor allem auch denen gilt, die sich selber ohne Würde, als verneint so lange erfahren, bis sie sich damit abgefunden haben.

 

Das Leben wählen ist gerade die Fähigkeit, sich nicht abzufinden mit der selbstverständlichen Zerstörung von Leben, die uns umgibt, und mit dem selbstverständlichen Zynismus, der uns begleitet. (…), Die objektiven Voraussetzungen eines Lebens, das wirtschaftlich auf Ausplünderung und militärisch auf Terror aufgebaut ist, widersprechen dem Glauben, der Furchtlosigkeit, dem Vertrauen in das Leben fundamental. Wir sind abhängig und bedingt in unserer Ohnmachtserfahrung.

 

Glaub nur, vertraue! Kämpfe gegen den objektiven Zynismus und sieh zu, dass er sich nicht subjektiv in deinem Herzen einrichtet. Lass nicht zu, dass dein Glauben und Hoffen zerstört wird. Lass dich ein auf die Deutung des Lebens als gut. (…)

 

Ich teile den Glauben, den Mut, ich erweitere den Raum der Freiheit des / der anderen, ich verändere seine / ihre vorherige Fremd- und Selbstinterpretation. Um glauben zu können und gegen den objektiven Zynismus kämpfen zu können, brauchen wir einander. (…) Wir lernen unser Leben verstehen als Kampf gegen den herrschenden Zynismus, wir begreifen uns in Einheit mit Christus als Teil der Reich-Gottes-Bewegung für Gerechtigkeit. Wir werden verwickelt in Kämpfe.

 

 

Dorothee Sölle

Aus: Dorothee Sölle, Wählt das Leben, Kreuz Verlag, Stuttgart 1980, Seite 13 ff

 

Im Buch „Wählt das Leben“ wird eine Vorlesungsreihe von Dorothee Sölle in Buenos Aires (Argentinien) im September 1979 dokumentiert. Ich habe es im April 1985 gelesen und heute berühren mich diese Worte genauso – vielleicht sogar noch mehr, weil ich wie viele von uns heute mehr die Ohnmacht spüre. Aber will ich mich – wie sehr viele von uns – weiter einmischen, verwickelt werden in die Kämpfe um Gerechtigkeit und Frieden.

 

Und wie schon in meinem vorjährigen Pfingstmail wünsche ich uns heuer ebenso diesen längeren Atem, diese Ruach – heilige Geistin, die die christliche Tradition auch „Vater / Mutter der Armen“ nennt (Veronika Prüller-Jagenteufel, Den Weg zur Auferstehung weitergehen, S. 132), dieses Hoffen und sich weiter Engagieren können von ganzem Herzen.

 

Frohe und gesegnete Pfingsten

 

 

Pfingsten 2010

 

In eine Bewegung des Widerstands hineinwachsen

 

„Ich verstehe das Evangelium als eine Anleitung zu Kampf und Kontemplation, lutte et contemplation, wie Roger Schutz, der Prior von Taizé, sagte. Diese Qualität finde ich auch im Neuen Testament, wo es heißt: „Ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe.“ Die Jüngerinnen und Jünger lebten unter Wölfen, in einem Reich des Terrors, wo jeder / jede, der / die auch nur einen winzigen Schritt auf die Gerechtigkeit zu tat, sein / ihr Leben riskierte. Sie wussten das, und dieses Bewusstsein war so stark, dass man die ganze Jesus-Bewegung nicht versteht, wenn man sie nicht als eine Bewegung des Widerstands gegen diejenigen begreift, die sie daran hindern wollten, den Willen Gottes zu tun.

 

Gott sagt klar: „Du sollst die Hungernden speisen, die Nackten kleiden, die Toten begraben, die Gefangenen besuchen.“ Alle diese Werke sind uns auch heute „verboten“ durch die wirtschaftliche Struktur, in der wir leben und die dazu gemacht ist, die Hungernden verhungern zu lassen, die Reichen reicher, die Armen ärmer zu machen. Wir leben in einer Welt, in der wir die Schöpfung Gottes nicht lieben können, sondern sie kaputt machen müssen. Wir können die Gerechtigkeit nicht lieben, sondern wir müssen die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds unterstützen. Diejenigen, welche die Verelendung weitertreiben und die Hungertoten auf dem Gewissen haben.

 

Die Theologie der Befreiung lehrte mich, die Bibel nicht nur als einen Ruf zu verstehen, den Willen Gottes zu tun, sondern auch als den Ruf, auch Diskriminierung, Schwierigkeiten und – jedenfalls an vielen Stellen der Dritten Welt – das Martyrium in Kauf zunehmen. „Wer sein Leben behalten wird, der wird es verlieren“, heißt das Risiko des Widerstands bewusst einzugehen. (…)

 

Gegen die Art, wie unsere Lebensgrundlagen zerstört, die Armen dem Tod ausgeliefert und ein so genannter Friede auf die Herrschaft des Wahnsinns aufgebaut wird, ist Widerstand notwendig. Man kann eigentlich nur Christ / Christin werden, in Christus hineinwachsen, indem man in eine Bewegung des Widerstands hineinwächst.“

 

Dorothee Sölle

Aus: Dorothee Sölle, Mut – Kämpfe und liebe das Leben, Freiburg im Breisgau 2008, Seite 39 / 40

zuerst veröffentlicht in: Gegenwind, Hamburg 1995, S. 189

 

Ich habe heuer lange überlegt, wie ich meinen Pfingstbrief formulieren soll. Es fällt mir immer schwerer, Hoffnung zu geben in dieser trostlosen Zeit. Wir haben gewusst, dass in diesem unmenschlichen Wirtschaftssystem Millionen Menschen an Hunger sterben. Wir haben auch früher keine Illusionen gehabt. Selbstverständlich ist das Elend im Süden nicht mit unserer Situation vergleichbar. Aber heute ist es der Arbeitskollege / die Arbeitskollegin, der Freund / die Freundin, der / die Bekannte, die Menschen „neben dir“, die es nicht mehr schaffen, die den wirtschaftlichen Druck nicht mehr aushalten, die immer mehr an den Rand gedrängt werden, die verzweifelt sind  – und unsere Kräfte reichen nicht einmal aus, ein paar Mitmenschen wirklich beizustehen.

 

Wir haben den längeren Atem, wir brauchen die bessere Zukunft, zu uns gehören Leute mit schlimmeren Schmerzen, die Opfer des Kapitals, bei uns hat schon mal einer Brot verteilt, das reichte für alle“, meint Dorothee Sölle in ihren „Argumenten für die Überwindung der Ohnmacht“. (Mut, S. 36). Diesen längeren Atem, diese Ruach – heilige Geistin, die die christliche Tradition auch „Vater / Mutter der Armen“ nennt (Veronika Prüller-Jagenteufel, Den Weg zur Auferstehung weitergehen, S. 132), dieses Hoffen und sich weiter Engagieren können, wünsche ich von ganzem Herzen.

 

Frohe und gesegnete Pfingsten

 

 

 

 

 

 

Ich erlaube mir zum Beitrag der Christinnen und Christen für die Friedensbewegung in der Langen Nacht der Kirchen am Freitag,  28. Mai 2010 einzuladen: DIE WAFFEN NIEDER - DEM ELEND EIN END, Friedenslieder, gesungen und erklärt von Ernst Toman, Texte von Dorothee Sölle, 20.00 Uhr, Evangelische Pfarrgemeinde H.B. – Zwinglikirche, 1150  Wien, Schweglerstraße 39, U3 Schweglerstraße.

 

Pfingsten 2009

 

Renovabis faciem terrae


Gott deine geistin erneuert das Gesicht der Erde
erneuere auch unser Herz

und gib uns den Geist der klarheit und des mutes

denn das gesetz des geistes

der uns lebendig macht in christus

hat uns befreit von dem geist der resignation

 

Lehre uns
wie wir mit der kraft des windes und der sonne
leben und andere geschöpfe leben lassen
lehre uns
die kraft der kleinen leute zu spüren
und keine angst mehr zu haben
wenn wir widersprechen und widerhandeln
dem luxus auf kosten aller anderen geschöpfe
lehre uns
die immer größere freude
beim lebendigwerden in deiner lebendigen welt

Weil wir unser ende nicht fürchten

 

Gott deine geistin erneuert das gesicht der erde

erneuere auch unser herz
und lass uns wieder miteinander leben
lehr uns zu teilen statt zu resignieren
die wasser und die luft
die energie und die vorräte
zeig uns dass die erde dir gehört
und darum schön ist.

 

Dorothee Sölle

Aus: Dorothee Sölle, Gewöhnen will ich mich nicht, herausgegeben von Bärbel Wartenberg-Potter,
Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2005, Seite 22 /23,
Erstveröffentlichung in: Loben ohne Lügen, Kleinmachnow 2000

 

„Befreit von dem Gesetz der Resignation“ – das ist mein Wunsch zu Pfingsten. Manchmal denke ich, wer heute nicht verzweifelt, der / die hat kein Herz. Dann gibt es doch ein großes „ABER, das stimmt nicht“ und viele kleine Stückchen Hoffnung sowie Texte wie dieser von Dorothee Sölle, die uns in dieser schwierigen Zeit Mut machen.

 

Der Heilige Geist „ist jene göttliche Kraft, die den Menschen zu allen Zeiten hilft im Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit“, sagt Kaplan Franz Sieder in seiner Pflingstpredigt, die am Pfingstmontag, dem 1. Juni 2009 um 19.50 Uhr im ORF 2 in der Sendung „Feierabend“ zum Thema „Taube, Feuer und Segel“ gezeigt wird.  http://tv.orf.at/program/orf2/20090601/455759201/

 

In diesem Sinne wünsche ich

 

frohe und gesegnete Pfingsten

 

 

Alois Reisenbichler

 

Pfingsten 2008

 

Selig, die träumen

 

Unter den Seligpreisungen Christi könnte gut folgender Satz stehen: „Selig, die träumen. Sie werden viele zur Hoffnung bewegen und süße Gefahr laufen, eines Tages ihre Träume verwirklicht zu sehen. (…)

 

Ich habe den Eindruck, dass alle großen Sehnsüchte des Menschen, alle seine / ihre großen Träume danach streben, eher oder später in Erfüllung zu gehen. (…)

 

Ich aber werde nicht müde, Träume zu wiederholen, von denen ich mir wünsche, dass WIR ALLE sie träumen, damit sie möglichst bald Wirklichkeit werden:

 

Träumen wir davon, dass alle Kriege ein Ende finden! Eines Tages wird der gesunde Verstand siegen, und der Mensch wird aufhören, sich darauf vorzubereiten, das Leben auf der Erde total zu zerstören.

 

Träumen wir von einer gerechteren und menschlicheren Welt, in der es weder Besiegte noch Sieger(innen), weder Unterdrückte noch Unterdrücker(innen) gibt.

 

Geist Gottes, schenk allen Menschen Träume. Aber keine trügerischen, entfremdeten und entfremdenden Träume. Schenk Ihnen Träume, schöne Träume, die morgen Wirklichkeit werden!

 

Dom Helder Camara

Aus: Helder Camara, selig die träumen, Zürich 1982, Seite 67 – 69

 

Schon in meiner Volksschulzeit habe ich davon geträumt, dass es eine Welt ohne Krieg und ohne Hunger gibt. Und heute sind wir leider weiter davon entfernt als damals. Auf der ersten Seite dieses Buches von Dom Helder Camara steht:

 

„Wenn jemand alleine kommt,

dann ist das nur ein Traum,

wenn wir aber zusammen kommen,

dann ist das der Beginn der Wirklichkeit.“

 

Wir haben noch sehr viel zu tun ….

 

Frohe und gesegnete Pfingsten

 

Alois Reisenbichler

 

Pfingsten 2007

 

Den befreienden Gott entdecken, Pfingsten ist´s!

 

Rot ist die Farbe des Feuers. Rot ist die Farbe des Heiligen Geistes. Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes.

 

"Der Herr ist der Geist. Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit" schreibt Paulus im 2. Korintherbrief (2 Kor 3,17). Wenn Christen und Christinnen glauben, was Paulus schreibt, warum spiegelt das Zusammenleben der Menschen davon so wenig wieder?

 

Zwei Jahre arbeitete Barbara Ehreneich in Billigjobs in den USA als Zimmermädchen, Bedienerin, Verkäuferin. 2 Jahre lebte sie in Wohncontainern oder schäbigen Motels! Die Einzimmerwohnung war nicht leistbar. Als Kellnerin jobbte sie in 8-Stunden-Schichten, Lächeln vorausgesetzt. Essen und Sitzen während der Arbeit ist verboten. Dafür "entlohnt" man sie mit umgerechnet € 5,15 per Stunde incl. Trinkgeld. Ein anderer Job: Putzen im Akkord. Frauen bringen in kürzester Zeit Einfamilienhäuser auf Hochglanz. Essenspause ist, sofern möglich, im Auto auf dem Weg zum nächsten Haus. Qualifikation ist nicht erforderlich, jedoch: "Die machen einen Persönlichkeitstest, um herauszufinden, ob du ein Dieb bist oder drogenabhängig. Sie gehen davon aus, dass du irgendwie kriminell bist. Ich fand das sehr demütigend." Zwei von vielen Erfahrungen der Journalistin Ehreneich im Jahr 2001. (Aus dem Buch „Arbeit ohne Würde“ ISBN: 3888972833)

 

ArbeitnehmerInnen berichten 2007 in Betriebsseelsorgerunden ähnliches vertraulich, was vom Job-Wunderland Amerika beschrieben wird. Für die Untersten sind Arbeitsbedingungen vielfach kränkend, krankmachend, oft würdelos. Mit wenigen, löblichen Ausnahmen! "Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit" schreibt Paulus. Wenn ChristInnen glauben, was Paulus schreibt,  warum spiegelt es das öffentliche Leben so wenig wieder? Das gemeinsame "Sozialwort aller christlichen Kirchen Österreichs" formuliert es so: "Die Marktwirtschaft bedarf sozialer und ökologischer Rahmenbedingungen, damit sie dem Leben dient … Die Wirtschaft muss nicht nur sachgerecht sein, sondern auch menschen- und gesellschaftsgerecht und die Belange zukünftiger Generationen und der Umwelt mit einbeziehen" (187). Und weiter: "Die Kirchen treten ein für einen Sozialstaat, der unersetzlich ist, um sozialen Risiken wie Verarmung und Ausgrenzung entgegenzuwirken" (230 ).

 

Pfingsten ist das Fest der Gemeinschaft, wie Gott sie denkt. Keine christliche Gemeinde ist vollkommen, aber jede sollte etwas vom strahlenden Licht Gottes widerspiegeln. Wir dürfen den Gottesgeist nicht in die Kirchen sperren, wir müssen uns im täglichen Miteinander auf IHN einlassen. Wo Menschen sich auf Gottes Geist einlassen, bringt er verborgene Potenziale zur Entfaltung. Wir alle haben in Taufe und Firmung IHN empfangen! Darum wünsche ich ein frohes Pfingsten!

 

Pfarrer Mag. Josef Gaupmann

Betriebsseelsorger und Pfarrer von St. Pölten-Viehofen

(Aus dem Pfarrbrief der Pfarre St. Pölten Viehofen Nr.3/2007

http://www.pfarreviehofen.net/downloads/upfl2007i3pfingstenweb.pdf)

 

Im diesem Sinne wünsche ich uns allen in dieser in vieler Hinsicht schwierigen Zeit, dass wir wieder neu Kraft zu unserem befreienden Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung bekommen.

 

Frohe und gesegnete Pfingsten

 

Alois

 

 

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