Mein Leben auf dem Bau


Beschreibung meiner Arbeitsjahre.

 

Ich höre es jetzt schon: "Der alte Penner will sich doch bloß rechtfertigen und uns jungen Leuten die Ohren von früher vollsülzen."

 

Das soll nicht meine Absicht sein und ich werde mich bemühen, diese Zeit objektiv zu schildern.

 

 

Nach meiner Schulzeit in der Willers-Jessen-Schule, bis dahin eine reine Knabenschule und dementsprechend "gesittet", - die Lehrer waren zum Teil alte Kriegsveteranen und hatten noch die "preußische" Erziehungsart, es gab Prügel ohne Ende - kam der Ernst des Lebens!

Da wir als Jungs die meiste Zeit des Tages am Strand oder auf der Strasse verbracht hatten, kam für mich nur ein Beruf außerhalb von geschlossenen Räumen in Frage. ( Die Schule war für mich immer ein Graus gewesen ).

 

Also wurde ich Maurer:

 

Die Lehrjahre.

 

Der 1. April kam und ich fuhr mit stolzer Brust, den Rucksack mit dem Werkzeug auf dem Gepäckträger, mit Zunfthose und weißer Jacke bekleidet zu "meiner" neuen Firma.

Von dort wurde ich auf einen Neubau geschickt, der zu meiner großen Enttäuschung schon mit einem Dach versehen war, ( Ich wollte ja Häuser bauen und nicht in halbfertigen herumwerkeln ), wo ich mich bei dem Polier vorstellen musste.

Nachdem dieser mir die Baustelle gezeigt und mir die anderen Kollegen vorgestellt hatte, durfte ich bis Frühstück den Bau ausfegen. Schon nach einer halben Stunde taten mir das Kreuz und die Arme so weh, dass ich das Gefühl hatte sie würden mir jeden Moment abfallen.

 

Dann kam die halbe Stunde Frühstück. Was ich dort zu hören bekam, obwohl auf der Strasse aufgewachsen, trieb mir die Schamesröte ins Gesicht. Das muß den Herrschaften gefallen haben, denn die Sprüche wurden immer deftiger.

 

Als diese, für mich doch peinliche, Zeit vorüber war, schickte mich der Polier zu unserer Firma, ich sollte von dort eine Bogenschnur holen. Ich fuhr also hin und fragte danach. Oh ja, die Leute dort waren recht freundlich und lächelten mich an, bedauerten aber, dass sie so etwas nicht mehr im Lager hatten und ich müsse in die Stadt fahren und bei Fa. Schuch eine holen. Sie sei dort schon bestellt.

 

Dort angekommen, wurde ich auch wieder lächelnd begrüßt und mir wurde eine große Holzkiste, ca. 30Kg. schwer, auf mein Fahrrad gewuchtet. Damit schob ich dann die zwei Kilometer bis zu unserer Baustelle. Dort angekommen wurde ich hämisch lachend von den lieben Kollegen empfangen und musste dort die "Bogenschnur" auspacken. War alles nur Schrott. Man hatte mich in den April geschickt!

 

Nachmittags durfte ich dann wieder fegen und Baustelle aufräumen. Aber dann war Feierabend. Oh war ich stolz, war ja jetzt Maurer. Von dem kleinen Abenteuer "Bogenschnur" habe ich nichts erzählt. Leider wusste mein Vater schon von der Sache, denn seine Schmiede lag direkt gegenüber von Schuch und ich habe die Befürchtung, er selbst hat zu der "Bogenschnur" den Schrott geliefert.

Nun ja, wer den Spott hat, braucht für den Hohn nicht zu sorgen. Jedenfalls fiel ich abends totmüde ins Bett, aus dem ich mich am anderen Morgen, voll Muskelkater, kaum erheben konnte.

 

Die nächsten Arbeitstage durfte ich damit verbringen, die Handgelenke weich zu machen. Das sah so aus: Eine halbe Stunde die Maurerkelle in der Hand zu drehen, was mit einem steifen Handgelenk kaum zu schaffen ist. Dann eine Stunde Mörtel durch ein Sieb werfen. Dann wieder drehen und wieder werfen und zwischendurch immer wieder mal ausfegen.

Aber auch diese Zeit ging vorbei und war im nachhinein ein gutes Rüstzeug für später.

 

Ach ja später: Ich war zu Beginn meiner Lehrzeit gerade mal 1,55m groß und wog eben mal 45kg.

Leider war es damals nicht so, dass darauf Rücksicht genommen wurde, eher das Gegenteil war der Fall. Wurden zum Beispiel Zementsäcke zu je 50kg. geliefert,

stand ein Mann auf dem Wagen und legte uns die Säcke auf die Schulter, damit wir sie in die Materialbude tragen konnten.

Natürlich wurde sie bei mir schon losgelassen, bevor sie auf der Schulter lagen, was jedes Mal von Gleichgewichtsproblemen behaftet war. Diese traten ebenfalls auf, wenn man einen Zementsack vom Boden auf die Schulter befördern musste. Dazu war nämlich ein ganz besonderer Schwung nötig. Hatte man diesen nicht drauf, bekam man den Sack entweder nur bis zum Bauchnabel, was das tragen unheimlich erschwert, oder er fiel hinten gleich wieder herunter.

Bei meinen ersten Versuchen landete ich auch gleich mit auf dem Fußboden!

 

Aber diese täglichen Arbeiten stärkten nicht nur meine Muskeln sondern auch ganz gewaltig mein Selbstvertrauen. Ich wurde zwar nicht viel größer, nur 1,65m, aber durch den Aufbau der Muskeln doch so um die 65kg schwer. Damit konnte ich dann mein Leben ganz gut bestreiten.

 

Irgendwann war dann auch das erste Lehrjahr, mit Ausfegen, Aufräumen, Einkaufen und Handlangerdiensten vorbei und die ersten Versuche Steine aufeinander zu kleben begannen. Obwohl doch das rechte Handgelenk durch das drehen mit der Kelle und das Mörtelwerfen schon weicher geworden war, sahen diese recht kläglich aus.

Ich hatte entweder zuviel oder zuwenig Mörtel auf der Wand liegen, die Stoßfugen waren zu eng oder zu breit, oder aber der Stein lag einfach nicht lot- und waagerecht. Dieses wurde zwar anfangs noch toleriert, aber nach ein paar missglückten Versuchen bekam man von den Gesellen doch schon mal einen kräftigen Genickschlag.

 

An eine Begebenheit kann ich mich heute noch gefühlvoll erinnern.

 

Ich sollte eine Ecke im Kreuzverband mauern. Um dieses Kreuz im Verband zu erreichen, wird in jeder vierten Schicht, hinter dem Dreiviertel ein Kopf gemauert.

Hatte ich natürlich vergessen und das hieß abbrechen und neu mauern. Beim zweiten mal das selbe Spiel. Aufmauern und abbrechen. Beim dritten Anlauf bekam ich so einen Schlag ins Genick, dass ich mich fast überschlagen hätte.

Seitdem habe ich bei jeder vierten Schicht im Kreuzverband diesen Schlag gespürt und nie wieder den Kopf vergessen!

 

Da ich sehr viel ältere und erfahrene Lehrgesellen hatte, der beste war ein alter Zunftgeselle, der 7 Jahre auf der Walz ( also auf Wanderschaft fremd geschrieben ) war und in ganz Europa Erfahrungen gesammelt hatte, wurde ich ein ganz brauchbarer Maurergeselle.

 

Die Gesellenjahre.

 

 

Da man damals, 1963, in seinem Lehrbetrieb noch ein Jahr lang für einen Junggesellenlohn arbeiten musste, ging ich nach der Gesellenprüfung erst mal zu einer anderen Firma.

 

Ich möchte hier einmal einen Arbeitshergang von damals beschreiben:

 

Da war der Polier, dann vier Gesellen und ein Arbeitsmann. Der Polier hatte die Aufgabe, die Ecken anzulegen, Fenster und Türen einzumessen und die Leute zu beaufsichtigen sowie sich um Material zu kümmern.

Die Gesellen hatten zu mauern, putzen, einschalen und betonieren und der Arbeitsmann hatte für die Maurer das Material zu bringen.

 

Morgens nahm dann jeder Geselle eine Mörteltonne und begab sich zu "seiner" Ecke. Dort goss er einen Eimer Wasser hinein und holte sich eine Schubkarre voll Mauersteine. Der Arbeitsmann befüllte in der Zeit die Tonne mit Fertigmörtel, der dann von dem Gesellen mit einem Eisenspaten aufgerührt wurde.

Dann konnte man mit dem Mauern beginnen. Aber schon nach vier bis fünf Schichten war der Mörtel alle und man musste die nächste Tonne voll anrühren. Derweil brachte der Arbeitsmann neue Steine und man konnte weiter arbeiten.

 

Waren die Ecken auf Gerüsthöhe gemauert, gingen jeweils zwei Maurer in die lange Wand um diese dann auf Höhe zu bringen. Hier wurde dann alle zwei Meter eine Tonne hingestellt, zwischen denen dann die zu vermauernden Steine gestapelt wurden. Dann musste man wieder den Mörtel aufrühren und vermauern. So vergingen dann die Stunden und Tage mit Mörtel aufrühren und Steine vermauern bis alle Wände standen.

Zum Glück wurden die Tonnen aber nicht immer gleichzeitig leer und wenn der Kollege seine wieder aufrühren musste, konnte man in Ruhe eine Zigarette rauchen oder, was damals noch nicht verboten sondern Gang und Gebe war, einen Schluck Bier oder Köm trinken.

 

Waren die Außenwände dann auf Gerüsthöhe gemauert, wurde Gerüst gebaut, die Ecken hochgezogen und die Wände nach oben gebracht. Dann wurden die Zwischenwände gemauert.

 

Inzwischen war die Schalung für die Betondecke angeliefert worden. Hunderte von Tannenstämmen mit einem Durchmesser von etwa 10cm, viele, viele Kanthölzer und eine Unmenge von Schalbrettern und Holzkeilen.

Nun wurden die Tannen ( Steifen ) auf Länge geschnitten und am oberen Ende ein Brettstück angenagelt. Dann wurden die Kanthölzer, zu jedem Raum passend, auf Länge geschnitten. Nun wurden die Kanthölzer auf die Steifen gelegt und durch das Brettstück miteinander verbunden.

Dann kam alle Meter ein Steifen unter das Kantholz und alle Meter ein Kantholz in den Raum. Waren alle Kanthölzer an Ort und Stelle, wurde das Ganze mit Holzkeilen auf Höhe gebracht und die Schalbretter konnten verlegt werden.

War dieses fertig, wurde noch die Seitenschalung angebracht und das Eisen für den Stahlbeton verlegt.

Dann kam die große Stunde des Statikers. Dieser musste nämlich vor dem Betonieren das Stahlgeflecht abnehmen. War alles in Ordnung konnte die große Mischmaschine anrollen.

 

Dieses Gerät war ein Ungetüm aus Eisen. Noch mit Eisenbereifung und einem riesigen Dieselmotor, der noch mit einer "Zigarette" gezündet und mit einer riesigen Kurbel angeworfen wurde.

 

Zement und Kies wurde angeliefert und dann ging es los. Ein Mann am Mischer für die Bedienung der Maschine, Wasser und Zement zuständig, einer um den Kies und Split in den Zubringer zu schaffen, zwei Mann zum Karre schieben um den Beton auf die Decke zu bekommen und ein Mann auf der Decke zum Verteilen, Verdichten und gerade abzuziehen.

Diese Arbeit dauerte bei einem Einfamilienhaus etwa 10 bis 12 Stunden, konnte bei größeren Sachen aber auch mal 24 und mehr Stunden dauern.

 

Ganz besonderen Spaß hatten wir immer dann, wenn es am späten Vormittag zu regnen begann. Das heißt hier in Norddeutschland oft, es bleibt so bei. Und abbrechen geht nicht.

 

Da meistens am Freitag betoniert wurde, konnte der Beton übers Wochenende abbinden und wir konnten Montags darauf wieder mauern.

 

Nach etwa zwei bis drei Wochen konnte die Decke dann wieder ausgeschalt werden und die Arbeit für "Blöde" begann. Alle Bretter wieder Nagelrein machen und sauber kratzen. Zum Saubermachen hatten wir einen "Idiotenhobel", einen Holzklotz mit einer eingelassener Blechschlange. War eine Scheißarbeit!

 

Aber irgendwann kam dann das Richtfest! Leider waren diese wegen der Rivalität zwischen Maurern und Zimmerleuten nicht immer sehr harmonisch und manch blaues Auge wurde mit nach Hause gebracht.

 

Dann wurde noch die Verblendung gemauert und der Bau von innen mit einem Kalkputz versehen. Treppen und Fenster wurden eingebaut und zum Schluss die Baustelle abgeräumt. Dann kam die nächste Baustelle!

 

Die wilden Jahre!

 

Bald schon griff das Wirtschaftswunder auch auf Norddeutschland über und die ganz wilden Jahre begannen auf dem Bau. Alles wurde moderner und schneller. Akkord war das Schlagwort und der Verdienst stieg und stieg.

 

Natürlich wurden die Akkordsätze mit jeder Arbeitszeitverkürzung und jeder Lohnerhöhung hochgeschraubt, trotzdem war sehr viel Geld auf dem Bau zu verdienen. Wir Maurer schlossen uns zu Kolonnen von fünf bis sechs Mann zusammen und hatten dadurch eine gewisse Macht. Wer gut war, konnte auch eine dicke Lippe riskieren und so den Meister unter Druck setzen.

 

Es war klar, dass dies auch ausgenutzt wurde! Wer dieses "Spiel" nicht mitmachen wollte hatte schlechte Karten. Viele Kolonnen kannten sich und wenn eine Firma sich quer stellte, fing dort keiner mehr an zu arbeiten. Außerdem konnte man zu jeder Zeit bei einer anderen Firma anfangen.

 

Auch in dieser Zeit ging manch eine Firma, die das modernisieren verpasst oder die sich dadurch übernommen hatte, pleite. Die neuen Maschinen und Kräne waren teuer und mußten ausgelastet sein.

Doch auch mancher Maurer blieb auf der Strecke. Viele gute Leute haben sich in diesen Jahren gesundheitlich ruiniert, denn der Körper ist nun mal keine Maschine!

 

Und so lief die Arbeit in dieser Zeit ab:

 

Morgens um fünf Uhr wurde man mit dem Firmenwagen abgeholt. Um sechs begann dann die Arbeit. Am Kran hing die Mörtelbombe mit Mörtel für fünf bis zehn Mörteltonnen. Da hieß es nur Hebel auf, Tonne voll und mauern. Steine wurden auf Paletten oder im Steinkorb hingestellt und weiter mauern.

Von morgens bis abends nur krumm im Kreuz stehen. Für jeden Stein zweimal bücken und für jede Kelle Mörtel auch noch mal. Pausen, zweimal am Tag. Eine viertel Stunde Frühstück und eine halbe Stunde Mittag. Dann wieder mauern.

Drei bis vier Kubikmeter Mauerwerk war Satz. Das war rund 500 mal bücken am Tag und jedes Mal ca. 10kg. von hier nach dort bewegen. Die ersten sechs Schichten mit der Nase am Boden, dann vier Schichten relativ in einer normalen Haltung und die restlichen Schichten die Steine nach oben wuchten.

 

Trotzdem wurde dabei auch noch viel gelacht. Wenn die Späße auch manchmal ziemlich derbe waren, man musste damit leben.

Lies man mal den Hammer oder die Kelle auf der Wand liegen und ging austreten, war das Gerät mit Sicherheit bei der Rückkehr eingemauert.

Oder die Kollegen hatten weiter gemauert und das Stück fehlen lassen. Dann musste dieses Ende nachgeholt werden, während die anderen ein Bier tranken.

Überhaupt, gesoffen wurde damals auf Teufel komm heraus.

Für uns sechs Leute waren 2 Kisten Bier und ein Karton Boonekamp jeden Tag die gewohnte Ration. Manchmal, vor allem an Regentagen, wurde es auch schon mal mehr.

 

Ach ja, die Regentage: Es heißt hier: Regen vor acht wird trocken über Tag. Also mussten wir bis elf Uhr in der Baubude auf schönes Wetter warten. Wurde es dann trocken wurde mit der Arbeit begonnen. Leider konnten es einige dann nicht mehr oder nur eingeschränkt.

Schlimm waren immer die Tage bei Nieselregen. Zum Aufhören war es zu wenig und zum Trockenbleiben zu viel. Schon nach einer halben Stunde hatte man Finger wie eine Waschfrau. Nach einer Stunde waren die Finger von den nassen Steinen durchgescheuert und nach zwei Stunden lief das Blut heraus. Da half nur noch Isolierband um die Finger wickeln.

Dann, die Nässe zog unaufhaltsam durch jede Bekleidung. Zog man eine Gummijacke an, schwitzte man so sehr, dass die Kleidung von innen durchnässt wurde. War auch kein schönes Gefühl.

 

Aber wie gesagt, es wurde viel Geld verdient und viel ausgegeben.

 

Während dieser Epoche begann auch die große Zeit der Fertighäuser. Bevor wir geschnallt hatten, dass diese unseren Berufsstand sehr einengen würden, war es für viele Maurer schon zu spät etwas anderes zu beginnen.

Die Akkordlöhne wurden immer geringer, die Arbeitszeiten immer länger durch Überstunden, die Steine wurden immer größer und das Schlechtwettergeld wurde gestrichen.

So musste man bei jedem, noch so schlechten Wetter auf dem Bau bleiben. Wurde der Winter etwas härter, wurde man zum Arbeitsamt geschickt. Diese Praktik hat natürlich das Verjüngen der Belegschaften zur Folge gehabt. Ältere Maurer wurden im Frühjahr einfach nicht wieder eingestellt.

 

Nach so einer "Winterpause" habe ich dann das Fach gewechselt und bin in die Bau- und Betonsanierung gegangen.

 

Davon später mehr.

 

 


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