Virtuelles Denkmal "Gerechte der Pflege"

"... die tolldreisten, machthungrigen Horden, sie konnten den Geist nicht morden!"


Pflegekräfte in Theresienstadt

 

Eine weitere Spur von jüdischen Pflegekräften findet sich in Theresienstadt. Die braunen Verbrecher hatten alten jüdischen Menschen in Deutschland und Österreich ihr Geld abgegaunert, indem sie ihnen weismachten, daß sie zu einem ruhigen, schönen Alterssitz für Juden kämen, wo sie sich allerdings einkaufen müssten: „Theresienbad“. Theresienbad war das Ghetto Theresienstadt. Die Alten kamen ahnungslos in dem Ghetto an. In dem einzigen Koffer, den sie mitbringen durften, schleppten sie Sachen heran, mit denen sie ihre „sonnigen Südzimmer“ zu verschönern gedachten. Für Theresienstadt unnützes Zeug, denn zum Überleben benötigten sie eher praktische Dinge wie einen Löffel, Becher, Teller, warme Kleidung, Decken.

 

Statt des behaglichen Altersruhesitz erwartete sie Hunger, Elend und unbewohnbare Räume. Viele reagierten auf diesen Schock mit Verwirrtheit. Die anfangs zahlreich gut ausgebildeten Pflegekräfte nahmen sich der geblendeten Alten an. Das bedeutete eine extreme Überforderung. Denn es fehlte an allem: bewohnbare Zimmer, medizinische Geräte, Pflegeutensilien, Medikamente. Die Krankenstationen waren restlos überfüllt.

 

Gemälde des tschechischen Häftlings František Moric Nágl (1942)

 

Und immer weitere Transporte mit Alten, Kranken und Geisteskranken trafen auf der Bahnstation Bohuschowitz von Theresienstadt ein. Denn viele Juden verloren durch den Naziterror den Verstand. Hunderte von psychisch Erkrankten wurden in Theresienstadt versorgt. Es sollte nur einen kurzen Aufschub bedeuten.  Die Insassen der psychiatrischen Anstalt des Ghettos wurden ebenfalls in die Vernichtung geschickt.

 

Makabererweise zog man die gehunfähigen Menschen in Leichenwagen zur Krankenstation. Ein anderes Transportmittel für sie gab es nicht. Das Einzige, was die Krankenschwestern diesem Elend entgegensetzen konnten, war ihr persönliches Engagement. Trotzdem starben viele der Alten und Kranken schon kurz nach ihrer Übersiedlung in das Ghetto. Und hilflos mussten die Pflegekräfte zusehen, daß viele ihrer Betreuten nach kürzester Zeit wieder auf den Leichenwagen saßen oder lagen. Nach der „Schleuse“  transportierte man sie zu den Viehwagen nach Auschwitz.

 

Die pflegerische Tätigkeit konnte lebensgefährlich werden. Oft trieb man kurzerhand auch das Pflegepersonal in die Waggons. Sie sollten unterwegs die Hilflosen betreuen. Es war in der Regel ihr Todesurteil. Denn erbarmungslos trieb man sie in Auschwitz mitsamt ihren Schützlingen in die Gaskammern.

 

Zum Jahreswechsel 1943 / 1944 müssten nach Berichten in Theresienstadt noch 29 ausgebildete Krankenschwestern gearbeitet haben. Im Oktober 1944 waren es sogar vermutlich ca vierzig Pflegekräfte. Die Tagebuchaufzeichnungen von Alisah Shek belegen aber für November 1944 nur noch zwei Krankenschwestern. Eine davon war die zwanzigjährige Ruth Ehrmann, die Schwester von Alisah Shek. Dabei stieg die Anzahl der Kranken unaufhörlich. Dafür mitverantwortlich waren letzte „Säuberungenaktionen“ gegen jüdische Mitbürger und laufende „Evakuierungstrans-porte“ aus anderen Konzentrationslagern in der Endphase der Nazis.

 

Theresienstadt: Krankenschwester mit Patient, 1943, Zeichner?

 

Beispielsweise trafen am 19.11.1944 aus Westerborg 49 ausgehungerte Kinder zwischen ein und siebeneinhalb Jahren mit zwei Betreuerinnen ein. Im Gepäck: Scharlach, Diphterie, Masern. Am 8.2.1945 kamen fünfzig verwundete ungarische Juden aus der Organisation Todt. Auch sie dem Hungertode nahe waren von sämtlichen Läusearten befallen. Der Kampf gegen die Läuse erledigte sich späte-stens am 8.3.1945. Da erreichten 1700 restlos verlauste Ungarn und Slowaken Theresienstadt. Diese einzeln herausgepickten Beispiele aus Dutzenden verdeut-lichen den Sisyphuskampf gegen Krankheiten und Seuchen im überfülltem Ghetto. Den unterernährten Menschen mit überharten Arbeitseinsätzen und der psychischen Anspannung durch die Lebenssituation fehlten die nötigen Abwehrkräfte. Und für die Bekämpfung der seuchenartig ausbrechenden Krankheiten wie Typhus und Fleckfieber fehlten zumeist wie auch in den Konzentrationslagern die Medikamente und zum Ende hin das Personal.

 

Daran änderte sich auch nichts durch die Delegation des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, die am 6.4.1945 Theresienstadt inspizieren konnte. An diesem Tage gab es zwar eine großzügige Extraportion Essen und eine menschenwürdigere Behandlung. Erkauft wurde dieser Tag mit grenzenlosen Schikanen und zusätzlicher Arbeit in den Wochen davor, wo Theresienstadt „herausgeputzt“ wurde für die IKRK-Delegation, die das Ghetto nicht unangemeldet besuchen durfte. Am Tage danach schlug die SS wieder erst richtig hart zu.

 

Ab etwa März 1945 kam noch ein Problem dazu, was das Leben in Theresienstadt nicht leichter machte. Mit den Transporten aus den „evakuierten“ KZ´ verlegte die SS auch Schwerverbrecher aus Deutschland ins Ghetto, von denen sich die jüdischen Bewohner, ohne jegliche Möglichkeit der Gegenwehr, massiv bedroht fühlten. In dem ganzen Chaos versahen die Krankenschwestern Ruth Ehrmann und Váva Schön mit dem Arzt Dr. Schorsch alleine die Krankenambulanz. Zehn bis zwanzig Menschen starben zu diesem Zeitpunkt täglich im Krankenrevier, dass sich überbelegt in einer hygienischen Katastrophe befand. Viele Kranke machten unter sich, da sie nicht mehr in der Lage waren, aufzustehen und die Latrinen zu erreichen. Die sowjetische Armee, die schließlich Theresienstadt übernahm, versprach, die Kranken in Lazarette zu verlegen. Aber der russische Arzt traute sich erst gar nicht in die Krankenabteilung hinein. Nur die Gehfähigen wurden verlegt.

 

Ruth Ehrmann harrte weiter aus. Sie konnte es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren, etwa 250 Bettlägrige ohne pflegerische Hilfe sich selbst zu überlassen. Im Mai 1945 trafen fünf Rot-Kreuz-Schwestern für die Versorgung des Ghettos ein, zwei Tage später nocheinmal drei Rot-Kreuz-Schwestern und ein Pfleger für die Krankenstation, um endlich die jüdischen Krankenschwestern zu entlasten. Das war ein Tropfen auf einem heißen Stein.

Kostenlose Homepage von Beepworld
 
Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der
Autor dieser Homepage, kontaktierbar über dieses Formular!