dorfgeschichte

Die Dorfgeschichte

Der Landstrich, in dem die heutige Doppelortschaft Rocherath-Krinkelt liegt, ist schon lange vor der Römerzeit von Menschen zumindest besucht worden. Davon zeugt eine bei Mürringen gefundene Steinklinge aus der Mittelsteinzeit (9000 bis ca. 3500 v. Chr.). Die von den Römern in den Jahren nach der Eroberung Galliens (um 57 v. Chr.) bis zum Rhein angelegte Straße zwischen Reims und Köln hat dann zu einer ersten Erschließung der damals weitgehend bewaldeten Nordeifel geführt.

1. Gründungszeit

In Bezug auf die Gründung der heute unter den Namen Krinkelt und Rocherath bekannten Ortschaften kann mit einiger Sicherheit behauptet werden, dass Krinkelt die ältere von beiden ist. Die Siedlungspioniere kamen aus dem Siedlungskern und Königshof Büllingen, der vermutlich im 6. Jahrhundert n. Chr. entstanden ist.

Orte wie Krinkelt, deren Name auf „-elt“ bzw. „-feld“ endet, werden allgemein der fränkischen Siedlungsperiode des 7. und 8. Jh. zugerechnet, während Ortsbezeichnungen mit der Endung „-rath“ oft der Karolingerzeit, d.h. dem 9. und 10. Jh. n. Chr. entstammen. Auf regionaler Ebene konnte es jedoch zu zeitlichen Verschiebungen von jeweils 100-200 Jahren kommen.

So ist es durchaus möglich, dass die in der ersten Hälfte des 12. Jh. im Bereich des Hofes Büllingen durchgeführte Waldrodung mit der Entstehung der Siedlung Rocherath in Zusammenhang stand.

Es bestand aber eine andere These über die Gründung von Rocherath.  War Rocherath vielleicht erst im Zuge der großen Pest entstanden, die Mitte des 14. Jh. bei ihrem tödlichen Streifzug durch Europa auch in unserer Gegend viele Opfer forderte? Aus der Überlieferung wissen wir, dass in einer östlich von Krinkelt gelegenen Waldlichtung „von alters her“ bis in das 18. Jh. ein Bildstock des hl. Rochus gestanden hat, den die Rocherather und Krinkelter als Beschützer vor der Pestseuche verehrten. Möglich ist, dass ein Teil der Bewohner von Krinkelt sich etwa 1 km weiter nördlich im dortigen Wald ansiedelte, um der Pest zu entfliehen. Diese kleine Siedlung benannten die Menschen dann nach dem Pestheiligen.

Restaurierte Statue des hl. Rochus (links) sowie des hl. Johannes des Täufers in der Rocherather Pfarrkirche.

Diese hölzernen Standbilde (Höhe ca 50-60 cm) stammen vermutlich aus dem 18. Jh. und standen bereits in der ersten Rocherather Pfarrkirche.

Sie sind auf Initiative und Kosten der Geschichtsgruppe Rocherath-Krinkelt im Jahr 1997 aufwändig restauriert worden.

 
Könnte es nicht sein, dass beide Thesen stimmen? Vieles spricht dafür, dass die Keimzelle der heutigen Ortschaft Rocherath im 12. Jh. als ausgelagerter Weiler von Krinkelt entstanden ist. Mitte des 14. Jh. haben diese Häuser sich rasch zu einem kleinen Dorf entwickelt, das seither mit der Erinnerung an die Verschonung von der Pest verbunden ist. Wie dem auch sei, diese Zeit kann bisher nur im indirekten und schwachen Licht von Indizien betrachtet werden...

2. Eintritt in die Geschichte

Der älteste bis heute erhaltene Beweis der Existenz von Rocherath und Krinkelt ist die schriftliche Erwähnung der beiden Ortschaften in einem Feuerstättenverzeichnis aus dem Jahre 1501. Solche Verzeichnisse, die als Grundlage zur Steuererhebung dienten, listeten die Häuser mit einer Feuerstätte auf. Dies waren nämlich die Häuser, in denen gekocht, geheizt, gewohnt – also gelebt wurde. Damals zählte Rocherath 9 solcher Häuser und Krinkelt deren 12. Nur fünfzig Jahre später wurden bereits 19 Häuser für Rocherath und 24 für Krinkelt verzeichnet, d.h. die Bevölkerung hat sich in dieser Zeit etwa verdoppelt.

Dieser Bevölkerungsanstieg wurde jedoch durch verschiedene Ereignisse stark gebremst. Seuchen, Missernten und marodierende Söldner machten der hiesigen Region wie auch weiten Teilen Europas zu schaffen.  So war die erste Hälfte des 17. Jh., als auch der Hof Büllingen mehrmals von grausamen Plünderungen, Gewalttaten und Schändungen der Gotteshäuser heimgesucht wurde, eine äußerst dunkle Zeit, in der die Menschen völlig verarmten. Nur langsam konnte die Bevölkerung sich von solch widrigen Lebensumständen erholen. So zählte Rocherath-Krinkelt im Jahr 1704, als es seine Bewohner eine Kapelle errichteten, wieder 33 Haushalte.

3. Wechselnde Herrschaften

Im 18. Jahrhundert begann, nachdem Rocherath mit dem Herzogtum Luxemburg 150 Jahre lang zu den Spanischen Niederlanden gehört hatte, die Herrschaft durch die Österreicher (1713 bis 1792/94). Diese Jahre sind im Allgemeinen als friedvolle Zeit der wirtschaftlichen Blüte empfunden worden. Die Verwaltung wurde gestrafft und es wurde eine allgemeine Steuerpflicht eingeführt, die gleichzeitig mehr steuerliche Gerechtigkeit verschaffte. Trotzdem lebten unsere Vorfahren damals – an heutigen Maßstäben gemessen – in bitterer Armut. Ungefähr 13 % des umgebenden Lands wurde für den Ackerbau genutzt, fast ausschließlich für die Kultivierung von Roggen, Hafer und Kartoffeln; letztere wurden Mitte des 18. Jahrhunderts zum Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung. Es gab noch keinen Kunstdünger, und so war der Boden nach einer Roggen- und 3-4 hierauf folgenden Haferernten bereits dermaßen ausgelaugt, dass er 15 bis 20 Jahre lang brach liegen musste!

Nicht zuletzt deshalb suchten und fanden viele Menschen eine Einnahmequelle in den umliegenden Waldungen, deren Nutzbarmachung die Dorfbewohner im 18. Jahrhundert den  verschiedenen Besitzern streitig machten. Dies gilt vor allen Dingen für den „Dreiherrenwald“, der den Herren von Oranien-Nassau, Arenberg und Kurtrier gemeinsam gehörte: Im Jahre 1788 konnten die Bewohner von Rocherath, Krinkelt und Mürringen ihnen 2/3 der Besitz- und Nutzungsrechte abringen.

Im Dreiherrenwald rodeten die Krinkelter
und Rocherather sich ihre Siedlung frei.

Dieser Wald prägte Jahrhunderte lang
das tägliche Leben der Bevölkerung.

Mit dem Einmarsch der Franzosen 1794 endete das Ancien Régime. Alte Traditionen und Gewohnheiten wurden radikal abgeschafft. Das alte feudalherrschaftliche System wurde durch eine rationelle, zentralisierte Verwaltung ersetzt. Das religiöse Leben wurde in den ersten Jahren des Revolutionsregimes der Verfolgung ausgesetzt. Auch die Einführung eines allgemeinen Kriegsdienstes stieß bei den Menschen auf großen Widerstand. Viele neue Gesetze aber, deren Nutzen von der Bevölkerung zunächst nicht erkannt wurde, sollten den Weg in ein neues Zeitalter ebnen.

Die französische Herrschaft währte nur 20 Jahre. Nach Napoleons Verbannung beschloss der Wiener Kongress 1815 eine tiefgreifende Neuordnung der europäischen Landkarte, wodurch unser Gebiet dem preußischen Königreich zugeschlagen wurde. Nach der als Fremdherrschaft und Besatzung empfundenen Franzosenzeit fanden sich unsere Vorfahren schnell mit den neuen Gegebenheiten ab. Die neuen Machthaber führten bald eine Schulpflicht und den regelmäßigen Schulbesuch ein.  Dies bis dahin der Kirche überlassene Unterweisung der Kinder und Jugendlichen unterstand mehr und mehr der Kontrolle des Staates.  So wurde in Rocherath-Krinkelt 1834 der erste Schulbau errichtet und 1848 der erste ausgebildete Lehrer eingestellt.  Schule und Kirche setzten sich in der Folge gemeinsam für eine vaterländische Begeisterung der Bevölkerung ein.  Vor allem seit dem siegreichen Krieg Preußens gegen Frankreich und der Reichsgründung 1871 beteiligten sich alle Seiten an patriotischen Feiern wie "Kaisers Geburtstag" oder dem Sedanttag.

4. Existenznöte

Wirtschaftlich war das 19. Jahrhundert für die Eifeler Bevölkerung insbesondere durch einen allgemeinen Niedergang geprägt. Gleich in mehreren Jahren fiel die Ernte auf Grund des schlechten Wetters sehr karg aus. Ihren Höhepunkt fand diese Entwicklung in den Jahren 1882/83, als Dauerregen zu derartigen Missernten führte, dass 2/3 der Menschen in größte Armut gestürzt wurden. Diese Zeit wird in der Geschichtsforschung vielfach auch als „Eifelnotstand“ bezeichnet.

In jener Zeit wanderten zahlreiche Menschen aus; viele suchten ihr Glück im verheißungsvollen Amerika, das mit unbegrenzten Möglichkeiten lockte. Für die Hiergebliebenen war es problematisch, dass meist „junge, unverheirathete und kräftige Arbeitsleute, die auch hier [in Rocherath] ihren Unterhalt finden konnten“ , ihre Heimat verließen. Ihre Arbeitskraft fehlte nun natürlich in Haus und Hof.

Bei dieser Gelegenheit sei kurz die Geschichte des 1857 in Rocherath geborenen Peter Palm erwähnt, der 1892 im Alter von 35 Jahren in die USA auswanderte. Dort traf er auf den Mürringer Metzger Nikolaus Schmitz, mit dem er wahren Pioniergeist bewies: Kurz vor der Jahrhundertwende bauten die beiden auf einem Stück Land in Minnesota, das sie von der US-Regierung bekommen hatten, ein Postamt in der Nähe einer vielbefahrenen Durchgangsstraße. Dieses kleine Fleckchen tauften sie dann „Rochert“, nach der mundartlichen Aussprache des Namens Rocherath. Das Postamt Rochert gehört heute zu einer gleichnamigen Ortschaft, die mit etwa 1000 Einwohnern größer ist als der Herkunftsort von Peter Palm.

Auf Grund nicht enden wollender Missernten sah sich die preußische Regierung zu tiefen Eingriffen in die Lebensweise der Bevölkerung genötigt. Eine Verbesserung der Lebensverhältnisse konnte vor allen Dingen durch die Umstellung von Schaf- und Ziegenzucht auf die Rinderzucht erreicht werden, die bis heute von den meisten Landwirten in unseren Breitengraden betrieben wird. Dazu wurde u.a. eine „Hülfskasse zur Erleichterung des Vieherwerbs“ gegründet. 1897 wurde in Büllingen eine Molkerei gegründet, die einiges zum wirtschaftlichen Aufschwung der umliegenden Dörfer beitragen konnte. Auch mit dem Vormarsch der Eisenbahn Ende des 19. Jh. und der Anbindung Büllingens an das Schienennetz im Jahr 1912 erhielt die Region Anschluss an die immer rasanter fortschreitenden Entwicklungen der Moderne.

5. Krieg und Vaterlandswechsel

Die Zeit des Aufschwungs sollte jedoch jäh enden, als der Erste Weltkrieg ausbrach. Zahlreiche Männer wurden zum Kriegsdienst eingezogen, 57 Rocherather und Krinkelter haben ihre Heimat nicht wiedergesehen. Die Zivilbevölkerung hatte unter Verknappung und Teuerung des Lebensnotwendigen zu leiden.

Als der Krieg verloren war, fiel Eupen-Malmedy – und damit auch Rocherath – im Jahr 1920 auf Grund der Beschlüsse des Versailler Vertrags erstmals an das Königreich Belgien. Diese Angliederung an Belgien war zwar an eine „Volksabstimmung“ geknüpft, doch deren Durchführung widersprach den Grundsätzen der freien und geheimen Wahl. So durften sich nur die Gegner der Angliederung in Listen eintragen, die nur an zwei Orten (Eupen und Malmedy) ausgelegt waren. Denjenigen, die diesen Schritt erwägten, wurde mit Repressionen und Ausweisung gedroht. Diese Abstimmung, deren Ergebnis damit von Anfang an klar war, gilt seither als „Farce“.

Mit der Angliederung an Belgien gingen einige verwaltungstechnische Neuerungen einher. So wurden die Kreise Eupen und Malmedy als selbständige Körperschaften 1921 aufgehoben, da im belgischen Staat nur Gemeinden und Provinzen eine Selbstregierung durch gewählte Volksvertretungen gestattet war. Außerdem wurde 1922 eine Gemeindereform durchgeführt, bei der die seit 1794 bestehende Bürgermeisterei Büllingen, der auch Rocherath angehörte, aufgehoben wurde. Es entstanden die Gemeinde Büllingen (mit den Dörfern Hünningen, Honsfeld und Mürringen) und die Gemeinde Rocherath (mit Krinkelt und Wirtzfeld). Rocherath bildete nunmehr mit Krinkelt und Wirtzfeld eine eigene Gemeinde, die mit Ausnahme der Jahre 1940-44 bis 1976 Bestand haben sollte.

6. Zwischen den Kriegen

Neben allen Problemen, die man mit dem neuen Vaterland hatte, gab es auch positive Entwicklungen für die Bevölkerung: Nachdem Rocherath seit 1933 mit Elektrizität versorgt wurde, konnte im Jahr 1936 endlich die erste Wasserleitung in Betrieb genommen werden. Zwar gab es schon vor 1914 entsprechende Pläne, doch erwies sich der Weg in die Moderne auf Grund des Krieges und diverser finanzieller Probleme als lang und steinig. Nun aber war auch Rocherath-Krinkelt endgültig im 20. Jahrhundert angekommen.

Politisch blieb die Zwischenkriegszeit eine schwierige Periode. Pro-deutsche und pro-belgische Organe und Vereinigungen warben um die Gunst der Bevölkerung. Auf Grund einer verfehlten Assimilierungspolitik der belgischen Behörden sowie der Tatsache, dass bei der Bevölkerung immer noch ein Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland vorhanden war, standen viele Rocherather dem Einmarsch deutscher Truppen am 10. Mai 1940 durchaus nicht ablehnend gegenüber.

7. Zweiter Weltkrieg – Ardennenoffensive

Am 18. Mai schließlich wurde das Gebiet Eupen-Malmedy per Führererlass „heim ins Reich“ geholt. Die Schergen der NSDAP zeigten nun ihr wahres Gesicht und sorgten dafür, dass auch der letzte Widerstand in der Bevölkerung gebrochen wurde. Trotzdem hat es auch in Rocherath-Krinkelt Sympathisanten gegeben und 53 Bewohner (eigentlich eine recht hohe Zahl) traten der Partei bei, davon einige gar der SA. Und da man sich mitten im Krieg mit halb Europa befand, wurden, wie im übrigen Reich auch, alle wehrfähigen Jahrgänge zwangsweise der Wehrmacht einverleibt, in deren Uniform 71 Soldaten aus Rocherath-Krinkelt den Tod fanden. Die wohl prägendste Zeit begann als Rocherath-Krinkelt am 12./13. September 1944 Rocherath-Krinkelt erstmals von amerikanischen Truppen eingenommen wurde. Da mit weiteren Kämpfen gerechnet wurde, evakuierten die Amerikaner am 7. Oktober 1944 alle Zivilisten (bis auf einige Viehhüter) zunächst nach Malmedy, und dann teilweise weiter ins Landesinnere.  Am 16. Dezember 1944 starteten die deutsche Seite in einem letzten Aufbäumen einen Gegenanschlag auf breiter Front: die Ardennenoffensive.  Am 18. Dezember erreichten die ersten Angreifer Rocherath-Krinkelt, das von den Amerikanern erbittert verteidigt wurde. Die Kämpfe in und um Rocherath zogen sich 2 Tage lang hin. In der Nacht zum 20. Dezember schließlich hatten die deutschen Truppen den Standort Rocherath gesichert und die letzten Amerikaner aus dem Dorf vertrieben.

Rocherath-Krinkelt konnte von den Deutschen bis Ende Januar 1945 gehalten werden. Am frühen Morgen des 30. Januar griffen die Amerikaner an, und es kam den ganzen Tag über zu schweren Panzergefechten und Häuserkämpfen. Bis zum ersten Februar war Rocherath dann endgültig in amerikanischer Hand. Die letzten Kriegswochen hatten vor allem aufgrund der Bombardierung Malmedys am 24. Dezember 1944 auch viele Opfer bei der Zivilbevölkerung zur Folge. Insgesamt 20 Zivilisten aus Rocherath-Krinkelt verloren durch den Zweiten Weltkrieg ihr Leben.

Während der Adennenoffensive im Dezember 1944, unter der Mensch und Tier zu leiden hatten, wurde die Doppelortschaft fast vollständig zerstört.

Foto: Totes Vieh vor dem Haus "Krénkjes" in Krinkelt.
Die Aufnahme datiert von Anfang Februar 1945.

8. Kriegsfolgen
 
Als die Evakuierten in ihr Heimatdorf zurückkehrten, stand kaum mehr ein Stein auf dem anderen. Rocherath lag zu 95 % in Schutt und Asche, Krinkelt zu 75 %. Zudem sind die beiden Ortschaften in den letzten Kriegsmonaten systematisch ausgeplündert worden und die gesamte Infrastruktur war vernichtet. Darüber hinaus fanden die Heimkehrer kaum mehr Vieh vor, das ihnen den Neustart hätte erleichtern können. Dank der Hilfeleistungen der belgischen Behörden konnten die schlimmsten Nörte überbrückt werden. Es wurden notdürftige Baracken für die Bevölkerung gebaut. Erst als ab dem Jahr 1947 die ersten Kriegsentschädigungen eintrafen, konnte man sich langsam wieder eine Existenz aufbauen.
 
Den unmittelbaren Nachkriegsjahren hat vor allem die vom belgischen Staat angetriebene sogenannte „épuration civique“ das Gepräge gegeben. Es sollten hierbei all diejenigen zur Rechenschaft gezogen werden, die mit den deutschen Besatzern kollaboriert und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hatten. Ein Viertel der ostbelgischen Bevölkerung geriet dabei (oftmals unverschuldet) ins Fadenkreuz der belgischen Justiz. Vor allem gegen viele Beamte und Gemeinderatsmitglieder, die den Treueeid auf den Führer leisten mussten, aber auch gegen Zivilisten und ehemalige Angehörige von Parteiorganisationen oder der Wehrmacht wurde ermittelt. Wer verurteilt wurde, dem wurden die Kleidungs- und Nahrungsmittelrationen gekürzt. Viele Ostbelgier fühlten sich nun als nicht vollwertige Mitglieder des neuen, alten Vaterlands und versuchten fast zwanghaft, nicht das Misstrauen der Behörden zu erwecken.
Diese wiederum versuchten, etwaigen Ressentiments der Deutschsprachigen gegenüber Belgien entgegenzuwirken, indem sie eine gezielte Assimilierungspolitik betrieben. So ließ der Malmedyer Bezirkskommissar im September 1945 in einem (allerdings auf deutsch abgefassten) Rundschreiben verlauten, es sei „unzulässig, dass in einem in der Hauptsache französisch sprachigen Teil Belgiens und namentlich in der Provinz Lüttich weiterhin Inschriften ausschliesslich in deutscher Sprache beibehalten werden.“ Dazu zählen auch Inschriften in Ladenfenstern und sonstige Bekanntmachungen von der Bevölkerung und an die Bevölkerung.
 
9. Auf dem Weg zur Anerkennung
 
Erst vor diesem Hintergrund erscheinen die Rechte, die den Deutschsprachigen als belgische Minderheit heute zugestanden werden, im angemessenen Licht. Der Weg von sogenannten „Inciviques“ zu einer den beiden großen Sprachgruppen in allen Belangen gleichgestellten Gemeinschaft war lang und steinig. 1970 wurde Belgien in drei Regionen und drei Gemeinschaften aufgeteilt, d.h. erst ab diesem Jahr gab es in Belgien offiziell eine Gruppe deutschsprachiger Einwohner, deren Kultur und Sprache nun geschützt wurde. Anfangs hatte diese Gemeinschaft nur rein kulturelle Befugnisse und konnte die ihr zugestandenen Gelder vor allem an kulturelle Vereinigungen verteilen.
1984 erhielt der Rat Dekretbefugnis und eine selbst gewählte Regierung, die Befugnisse wurden seither immer weiter gefasst. Seit 2004 darf die Volksvertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft sich Parlament nennen und verfügt nun auch über Befugnisse, die ehedem von der Wallonische Region ausgeübt wurden, wie beispielsweise der Denkmalschutz, die Beschäftigungspolitik und die Gemeindeaufsicht.
 
© Geschichtsgruppe Rocherath-Krinkelt
 
 
 
 
 
 



Datenschutzerklärung
Kostenlose Homepage erstellen bei Beepworld
 
Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der
Autor dieser Homepage, kontaktierbar über dieses Formular!