Bericht in Sachen Niergolzing. V/n

Martin Wingerter, Ermittler.

1. Oktober 2002, 10:30 Uhr Büro Süd des PND, Jockgrim, Südpfalz

„Danke Schlicher". Schmenger übernahm, ebenfalls schmunzelnd, wieder das Kommando. „Tolles Gesöff, Kaefirchen" lobte er Hedwig für den Kaffee, deren Kingsizebeine im engen Kostümrock wohlgefällig musternd. Schlicher war noch nicht mit dem Latein am Ende: „Niergolzingen ist ebenfalls fiktiv".  „Einen gleichnamigen Ort gibt es nicht. Auch nicht welche mit abweichenden Schreibweisen. Das nächstliegende wäre Nagold. Ist aber zugegebenermaßen ziemlich weit hergeholt für etwas Nächstliegendes." 

In Nagold war mein Freund Remy auf der Textilfachschule gewesen, bevor er das elterliche Kurzwarengeschäft in der Westpfalz übernahm. Er fuhr damals die Strecke Pirmasens – Nagold mit seinem VW Standard im Achtziger-Schnitt um Normalbenzin zu sparen. Das war  pro einfacher Strecke ein halber Liter, umgerechnet - in den Mittsechziger Jahren - ungefähr zwölf Cent. Mit dieser Einstellung, bei uns galt er als geizig, war er in Württemberg gut aufgehoben gewesen. Als Ursprung für Niergolzing machte der Flecken aber wirklich nichts her. Nur Schmenger, der dort unter Rauh, dem „Schleifer von Nagold" seine Grundausbildung genossen hatte, liebäugelte mit dieser Möglichkeit. „Das alte Fallschirmjägerbataillon 252 würde mit diesen Burschen kurzen Prozess machen" kam auch sofort die befürchtete Reaktion. Um Himmels Willen, jetzt ganz schnell das Thema wechseln. 

„Den Teil „Fakten" haben wir jetzt ja wohl hinter uns". Ich hoffte mit diesem Einwurf von Sprungübungstürmen, Rundkappen, Nachtmärschen, Springerstiefeln und unverbrüchlicher Kameradschaft ablenken zu können. Hedwig/Harry hatte inzwischen Platz genommen und ihr Notebook aufgeklappt: „Nicht ganz meine Herren, zum Namen hätte ich folgenden Fakt: Ortsnamen, die mit -ingen enden, bezeichnen Siedlungen, die nach einer berühmten Person oder einer geographischen Einheit benannt wurden, wie etwa Sigmaringen, gegründet vom Teutonen Sigmar, vorwiegend in Schwaben" „Daher ist auch der Arbeitstitel leicht irreführend. „Niergolzing" hingegen würde auf einen bayrischen Ursprung schließen lassen." 

Ihr Mobiltelefon  lag hinter dem Notebook, über die Infrarotschnittstelle mit diesem kommunizierend. Uhu nannte sie den Rechner, den sie nahezu überall hin mit sich schleifte. „Uhu" als Sinnbild der Weisheit deshalb, weil sie damit, ihrer Meinung nach, mit dem gesamten Wissen der Menschheit verbunden war. Notebook mit Namen, wohl ein typisch weibliches Verhalten. Meinen Vorschlag, den ständigen Begleiter dieser Marotte wegen „Meise" zu nennen quittierte sie mit einem schnippischen „Blödmann".

„Also Schwoobe" kombinierte Schmenger aus Hedwigs Worten. „Mittlere Großstadt ist glaube ich vorhin gefallen, das schränkt die Möglichkeiten doch erheblich ein". „Karlsruhe, Mannheim und Stuttgart, denke ich. Freiburg, Ulm und Heilbronn kann man in diesem Zusammenhang getrost vergessen. Karlsruhe und Mannheim strich ich im Geiste auch schon von dieser Liste. Für einen Karlsruher ist wegen des beinahe täglichen Kontaktes der Pfälzer Dialekt nichts ungewöhnliches, der Mannheimer spricht selbst eine Unterart des Pfälzischen.  Bleibt Stuttgart. Für die Vor-Ort-Recherche wäre mir Freiburg zwar lieber gewesen, aber das hatte Schmenger soeben vorerst ausgeschlossen. „Wingerter, Sie kümmern sich mal um die genannten Orte, Kaefir unterstützt Sie. Schlicher vertieft die bisher gewonnenen Erkenntnisse." 

„Zufall?" wiederholte ich meine vorhin gestellte Frage. „Nicht ganz auszuschließen, wenigstens der Angriff auf MP. Die Beleidigung des Pfälzers an sich, ist bleibt meines Erachtens volle Absicht. Vielleicht brauchten diese „Niergolzinger" in ihrer konkreten Lebenssituation „Ihre Neger". Schlicher packte mit einem entschuldigenden Achselzucken seine Folien zusammen. „Man müsste halt ein wenig mehr wissen".

Fortsetzung

 

Bericht in Sachen Niergolzing. VI/n

Martin Wingerter, Ermittler.

1. Oktober 2002, 11:00 Uhr Büro Süd des PND, Jockgrim, Südpfalz

In meinem  Büro, Sicht nach Osten in Richtung Feind, Rhein und Tankanlagen der Mobil Oil,  4. Stock, begannen Hedwig und ich, das eben Gehörte zu strukturieren, einen Schlachtplan auszuarbeiten. „Dass Schmenger keinen Unterschied zwischen Schwaben und Badenern macht, lässt ihn nicht in einem besonders guten Licht erscheinen." Hedwig hatte fein aufgepasst. „Ob der künstlich hochgehaltene Unterschied bei der frühmittelalterlichen Namensgebung eine große Rolle gespielt hat?" mit einem „wahrscheinlich nicht" beantwortete ich diese eher rhetorische Frage gleich selbst.

Hedwig saß zurückgelehnt in Heuschreckenbeinhaltung auf meinem Besucherstuhl. Ich sollte sie darauf aufmerksam machen, dass sie heute den obligatorischen Hosenanzug mit dem Businesskostüm getauscht hatte. War jammerschade, aber besser für die Konzentration: „Victorias Secret?" fragte ich so beiläufig wie möglich. Lasziv langsam, in keinster Weise verlegen, schlug sie die langen Beine übereinander. „Anton Schlecker" lachte sie laut heraus. „Ich schau mal, ob das schon alles war, was diese „Niergolzinger fabriziert haben". Mit einem leise sirrenden Geräusch begann „Uhu" seine Arbeit zum Wohle der Pfalz, schien gleichsam lebendig zu werden. „Loop?" fragte Hedwig über den schlichten, lichtgrauen Versandhausschreibtisch hinweg. „Ich versuch’s mal mit Google" erklärte sie, nunmehr über den Schreibtisch gebeugt, den Bildschirm betrachtend.

Da war er wieder, dieser Google. „Google ist eine schicke Suchmaschine" klärte mich Hedwig auf. „Man gibt ein Stichwort ein und schaut, was Google in zweieinhalb Milliarden Seiten dazu findet."Dies würde, soviel war absehbar, eine längere Prozedur werden. „Auch eine Cola?" fragte ich, meinen Drehsessel verlassend. „Lieber einen Prosecco" antwortete sie leicht abwesend, Tageszeit und Alkoholverbot negierend. Ich schenkte zwei Prosecco ein. Ein Vorrat von ein paar Flaschen stand immer kalt im Kühlschrank unserer Teeküche am Ende des Flures. Selbstverständlich auch hiesiger Riesling und Dornfelder, der letztere natürlich im Regal neben dem Kühlschrank. Hedwig griff nach dem Glas, den Blick nicht vom Bildschirm wendend. „Das kommt ja noch viel dicker" murmelte sie, „entweder weiß Schmenger noch nicht alles oder er spielt falsch, guck", Sie drehte das Notebook leicht in meine Richtung:

Tag 5: Kühl kalkuliert auf Wanderschaft

fünf niergolzinger wanderhoden,
sauber gehüllt in grauen loden.

pfälzer luden werden wach und harren
der ahnungslos hoffnungsvollen gesellenschaft.

anhaltende beschwerden in schritt, gedärm und seele:
apothekennotdienst oder nächste winzerei?

drei männer, fünf eier, keine frage:
schoppenhilfe, geschmeidige rast, lass’ fahren dahin das ferne ziel.

marianne g. im trachtenschurz: ex-weinkönigin,
national und international erfahren, tv- und messeauftritte,
ausgestattet mit gütesiegeln für besondere gastlichkeit.
empfangsbereit, strohherbstliches geraschel zwischen oben und unten,
traubensaftiges versprechen einer vollfleischigen taube im schmortopf.

schritt, gedärm und seele entledigen sich aller hemmungen,
ludenlegionäre werden an den tisch gebeten.
eine ex-weinkönigin zupft gespielt verschämt am ausschnitt ihrer bluse.
zwei von vier luden singen das pfälzerlied,
zwei andere versuchen sich an antons solar-taschenrechner.
lloyd landet derweil unbemerkt einen königlichen stich.
ganz privat und sehr persönlich,
nahe landau/pfalz - zum nulltarif.

pennthaus fern * - 21.09.02 at 14:25:39

Ich schaute in meinen hellgrünen Hängeregistraturordner. „Dieses Machwerk und eines von Anton, vom Wahltag, also dem 22. September habe ich hier." „Getürkt" sagte ich. „Woran will der Kerl denn einen Luden erkennen? Die Beschwerden im Schritt glaube ich ihm."

 

Fortsetzung folgt.

 

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