Mingelaba!

Das Expedition Robinson Team meldet sich gesund und munter nach einer internetlosen Zeit in Burma zurück.

Myanmar (oder Burma, wie es früher geheißen hat) raubt mir den Atem. Ich staune wie ein kleines Kind zu Weihnachten, befürchte leider, daß ich nicht wirklich in Worte fassen kann, was wir hier zu sehen bekommen. Ich bin ja nicht einmal in der Lage, diese Welt in Bildern festzuhalten, weil es mich einfach überfordert. Ich möchte am liebsten jeden Augenblick fotografieren und wünsche mir zum ersten Mal auf unserer Reise eine Videokamera. Und doch bin ich froh keine zu haben, da ich sogar beim Fotografieren wie gelähmt dasitze, den Finger nicht zum Auslöser bring, weil ich das Gefühl habe, ich könnte irgendwas verpassen.

Trotzdem, 400 von 800 für unsere gesamte Reise geplante Fotos sind bereits verschossen und entwickelt - aber keine Sorge, ich habe nicht vor, irgendwen damit zu langweilen und außerdem bin ich beim Aussortieren hoffentlich gnadenlos.

"Meine Fingernägel riechen nach dem Ende der Straße." - das ist der Satz, der mir in den Sinn kommt, wenn ich an dieses Land denke (schöne Grüße an Familie Motter!). Nichts, was ich bisher in meinem Leben gesehen habe, ist irgendwie hiermit vergleichbar...

Wir sitzen im Bus, ein chinesisches Modell Baujahr irgendwann zwischen 1960-70 würde ich schätzen, vielleicht auch jünger, aber auf alle Fälle in einem bemitleidenswerten Zustand (hoffe, er schafft die 6-stündige Fahrt von Kyaiktiyo nach Yangon, der Hauptstadt Myanmars. Wir konnten die letzten Sitzplätze für diesen Tag ergattern - es sind jedoch nur Klappnotsitze im Mittelgang. Trotzdem glaube ich, den Haupttreffer gemacht zu haben, denn ich hab den vordersten, also den einzigen fußfreien. Doch weit gefehlt: Zwischen meinen Beinen (wortwörtlich gemeint) sitzt eine ca. 30-jährige burmesische Dame auf einem Plastikschemel. Ihre Ellbogen sind auf meine Oberschenkel gestützt. Anders geht's nicht, denn zwischen ihren Beinen sitzt ihr Mann und davor ihre Freundin und der verbleibende Platz bis zur Tür ist mit stehenden Fahrgästen gefüllt.

Der Schaffner hängt außen an der offenen Tür, was ganz gut so ist, denn so kann er besser und andauernd seinen roten Schlatz geräuschvoll aufziehen und auf die Straße spucken.

Der Schlatz kommt nicht etwa daher, weil sich die Lunge mit dem roten Staub der Straße und dem schwarzen Ruß der alten Motoren füllt, sodaß man kaum atmen kann. Viele Burmesen und auch -innen lieben es, auf der "Beetle-Nuß" herumzukauen, die den Mund, Lippen, Zähne und Spucke blutrot verfärbt. Es ist ziemlich eklig anzusehen und ich muß mich schwer beherrschen, den Leuten im Gespräch nicht dauernd fassungslos auf den Mund zu starren. Die Nuß wird in ein mit Kalk bestrichenes Blatt gewickelt. Der Kalk löst irgendwelche berauschenden Stoffe aus dem Blatt und scheint zusammen mit der Nuß was ganz Superiges zu sein. Ich hab's leider nicht probiert, weil's mich so sehr ekeln tut!

In der Zwischenzeit spüre ich meine Beine von der Hüfte abwärts nicht mehr und bewegen kann ich sie auch keinen Millimeter. Außerdem bohrt sich die Lehne in meinen Rücken, denn sie reicht mir leider nur bis ins Kreuz. Trotzdem verschwende ich keinen Gedanken an meine bemitleidenswerte Lage, denn was sich meinen Sinnen auf unserem ersten Ausflug aus der Hauptstadt bietet, läßt mich mit offenem Mund auf dem von den Löchern in der Straße geschüttelten Klappsitz ausharren. In Österreich wär ich wahrscheinlich nach einer Viertelstunde ausgezuckt, aber hier ertrage ich es wie alle anderen, obwohl ich mit meinen langen Haxn besonders gestraft bin.

Wir sind - wie so oft in diesem Land - die einzigen Ausländer weit und breit und werden von allen sehr freundlich und respektvoll, aber wie Wesen aus einer anderen Galaxie beobachtet. Sie begutachten uns mindestens genauso, wie wir sie. Besonders unsere Größe sorgt für viel Erheiterung unter den Locals, die mir in der Regel bis knapp unter die Brust reichen.

Der junge Busfahrer will den beiden Damen zu meinen Füßen sichtlich imponieren und fährt wie eine gesenkte Sau. Eine Hand am Steuer, die andere, wie üblich, immer auf der Hupe. Das Recht des Stärkeren zählt, und wir sind so ziemlich das Stärkste, was sich auf dieser Rumpelpiste bewegt. Motorfahrzeuge sind eher selten und alles andere räumt so schnell wie möglich die Fahrbahn, wenn wir uns mit unserer Hupe (sie klingt eher wie das Signalhorn eines Ozeandampfers bei der Einfahrt in den Hafen) oft mit 90 Sachen den Ortschaften nähern.

"Nur" ein Hahn muß dran glauben und bei einem Hund sind wir uns nicht einig, ob er's noch geschafft hat. Wie auch in unserem Bus ist in jedem Fahrzeug mindestens ein Buddha-Bild, wenn nicht gar ein ganzer Schrein mit Opfergaben am Armaturenbrett befestigt. Den Viechern scheint das aber auch nicht viel zu helfen...

Ich mache mir Gedanken darüber, was ich wohl tun würde, sollte uns auf dieser gottverlassenen Landstraße am Arsch der Welt irgend etwas zustoßen. Aber es fällt mir außer "nix wie raus hier" nichts ein und schiebe die Gedanken beiseite.

Das ländliche Straßenbild wird beherrscht von Fußgängern, Radfahrern auf klapprigen, alten Chinesenrädern und Karren, die von zwei Ochsen gezogen werden. Die Ochsen haben einen Höcker am Genick wie ein Kamel und eine sehr helle, beinah weiße Färbung.

Wir sitzen im Luxusbeförderungsmittel der Landstraße (eine unfaßbare Schepperkiste), das sich nur die Bessergestellten leisten können. Die "normalen" Einheimischen reisen zu 30st viele Stunden auf einem kleinen Pickup mit Dach, wobei einige hintendran hängen und andere auf ca. 1 1/2m Gepäck auf dem Dach sitzen (was auch wir auf Kurzstrecken gemacht haben, zwar nicht auf dem Dach, aber wie in einen Hühnerkäfig eingepfercht). Regelmäßig kommen wir an liegengebliebenen Fahrzeugen vorbei: Die Fahrgäste sind ausgestiegen, sitzen im Schatten und warten, bis der Fahrer, der gleichzeitig Mechaniker sein muß, die Kiste wieder flott kriegt.

Wir haben Glück und bleiben nur ein einziges Mal mit einem Patschen liegen. Der Reifenwechsel ist reine Routineangelegenheit und fast wie bei einem Boxenstopp erledigt. Auch der Ersatzreifen hat nicht viel mehr Profil als ein Formel-1-Slick.

Die Landschaft links und rechts der Straße ist relativ grün, die Regenzeit ist noch nicht lange vorüber. Wir bekommen - abgesehen von morgendlichen Nebelfeldern kaum einmal eine Wolke zu Gesicht. Die Temperatur tagsüber liegt bei angenehmen 28 Grad und sinkt, sobald die Sonne untergegangen ist, um 20 Grad.

Daß Burma zu den ärmsten Ländern der Welt gehört, wird mir klar, wenn ich sehe, wie sie hier ihre Felder bebauen: Maschinen sind Mangelware, und wenn's mal eine gibt, dann ist sie aus dem Jahre Schnee. Die Felder werden bestellt wie vor 100 Jahren. Den Holzpflug ziehen die Ochsen, das Getreide wird mit der Sichel geschnitten, mit dem Flegel gedroschen (das kenn ich bisher nur aus dem Museum) und das Stroh wird von den Damen auf dem Kopf abtransportiert. Auf einem kleinen Feld stehen ca. 20 Arbeiter mit chinesischen Strohhüten und erledigen die gesamte Arbeit von Hand. Einen einzigen alten Traktor haben wir während unseres gesamten Aufenthalts und vielen Stunden im Bus quer durchs Land gesehen.

Die Häuser sind einfachst aus geflochtenen Strohmatten und einem Dach aus Stroh oder Palmblättern. Sie haben meistens weder Fenster noch Türen, oft sind sie nach vorne einfach offen, und das obwohl es in der Nacht arschkalt und feucht wird (ca. 7 Grad). Von Möbeln keine Spur, Kleidung ist das, was man am Leib hat, Männer wie Frauen tragen den sogenannten "Long-shwe" - ein in Form eines Schlauches zusammengenähtes Tuch, das um die Hüften gewickelt wird und bis zu den Knöcheln reicht (ohne Unterwäsche – da kann man sich einfach am Straßenrand hinhocken und sein Geschäft verrichten). Oben ein langärmliges Hemd oder ein T-Shirt.

An Strom und fließendes Wasser ist am Land gar nicht zu denken bzw. in der Stadt auch nur zeitweise vorhanden. Die Regierung läßt Willkür walten und verteilt Energie in Form von Strom und Diesel nach Lust und Laune. Einen Tag erhält ein Häuserblock Strom, ein anderer bleibt dunkel. Am nächsten Tag ist es umgekehrt. Einheimische erzählen uns, daß das nicht aus Strommangel geschehe, denn den gäbe es genug, sondern um den Leuten zu zeigen, wer die Macht hat, den Hahn zuzudrehen. Man arrangiert sich: Wir sehen viele, die mit alten Autobatterien zum Aufladen durch die Stadt laufen. Damit betreiben sie dann ihre kleinen Glühlämpchen, aber die Stadt bleibt trotzdem gespenstisch dunkel. Wir haben immer eine Taschenlampe dabei, wenn wir nachts durch die finsteren Straßen streifen, denn überall lauern Löcher in den Gehsteigen der Hauptstadt.

Für Fahrten mit dem Pickup bezahlen wir einmal auf der Rückfahrt doppelt so viel wie hin und kapieren zuerst nicht warum. Wir fühlen uns verarscht, bis wir erfahren, daß der Fahrpreis davon abhängt, ob die Regierung grad Benzin rausrückt oder nicht. Falls nicht, muß der Treibstoff am Schwarzmarkt erstanden werden und ist dementsprechend teuer.

Wir versuchen, das Regime so wenig zu unterstützen, wie's uns möglich erscheint, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, denn wir fühlen uns permanent überwacht. Manche Begegnungen erscheinen uns allzu unwahrscheinlich, als daß wir sie als Zufall empfinden könnten. Zum Beispiel erkenne ich zwei Burmesen, die in einem ausgesprochen guten Toyota unterwegs sind, 3mal an hunderten Kilometer entfernten Orten wieder. Überall werden wir gefragt, woher wir kommen, wo wir übernachten, wie lang wir bleiben und wohin wir gehen. Außerdem müssen wir in jedem Guesthouse, in dem wir übernachten, sämtliche Angaben machen, die man sich vorstellen kann. Der Staat ist allgegenwärtig und kassiert mit. Alles ist unverhältnismäßig teuer für Ausländer. Übernachtungen, Eintrittsgelder, Reisen, Flüge und Schiffsfahrten müssen in Dollar bezahlt werden. Sowohl der Standard als auch das Lohnniveau liegt weit unter dem in Thailand.

Schon bei unserer Einreise per Thai Airways von Bangkok nach Yangon (früheres Rangoon), die Hauptstadt Myanmars, bekommen wir eine Kostprobe burmesischer Bürokratie zu spüren: In einer Schlange warten wir etwa eine Stunde, bis sämtliche Einreiseformalitäten erledigt sind (obwohl momentan der einzige Flieger am gesamten Airport). Wir hoffen inständig, daß der Communicator nicht konfisziert wird, denn alles was Computer, Kommunikationsmittel, Funk etc. betrifft, ist höchst suspekt und Internet ist sowieso verboten! Information darf zwar rein ins Land (in Form von Satelliten-TV für diejenigen, die sich's leisten können), aber nicht raus. Ich muß meinen tatsächlichen Beruf verschweigen und reise als "technical assistant" ein - alles was mit Film und Journalismus zu tun hat, darf nicht rein. Es gäbe nichts, was ich lieber täte, als einen Film über Myanmar zu drehen, was aber sicher unmöglich ist, ohne von der Stasi erwischt zu werden.

Die erste Bestechung bringen wir auch gleich am Flughafen hinter uns, indem wir der Beamtin 5 $ pro Person zuschieben. Das ist hier so üblich, denn auch wir wollen nicht die geforderten 200 $ pro Person in Mickeymousewährung (genannt "foreign exchange certificate", kurz FEC) wechseln, wies vom Staat für Ausländer vorgeschrieben ist. Diese Währung ist kein international anerkanntes Zahlungsmittel, sondern stellt nur sicher, daß Ausländer einen Mindestbetrag an US$-Devisen an den Staat abliefern, denn FEC sind nicht rücktauschbar. Wir ziehen es vor, unser Geld nicht dem Staat zu geben, sondern uns die 3. offizielle Landeswährung Kyat am Schwarzmarkt zu besorgen, denn die Leute versuchen irgendwie an Dollars zu kommen - ein großes Abenteuer und sehr geheim.

250 US$ müssen an den Staat abgeliefert werden, wenn ein Burmese das Land für 1 Monat verlassen möchte - eine schier unvorstellbare Menge für den Normalbürger, der nicht im Besitz eines Taxis oder eines für Ausländer zugelassenen Guesthouses ist. Auch andere Güter wie Trishaws aus China (Fahrräder mit Beiwagen zum Personen- und Gütertransport in Ortschaften), sind nur gegen $ zu kriegen und erhalten ganze Großfamilien am Leben. Wir wechseln zum Kurs von 710 Kyat : 1 US$, wobei der offizielle, staatliche Wechselkurs bei irgendwas um 6:1 liegt. Zu dem Kurs wechseln aber sowieso nur Idioten - und die haben's so verdient.

Sämtliche Pauschalreisen werden von MTT (Myanmar Tourist Travels) organisiert, sodaß der Staatsapparat und all diejenigen, die sich's mit ihm gerichtet haben, ordentlich abkassieren und die anderen durch die Finger schauen.

Wir versuchen, soweit es geht von allem Offiziellen wegzubleiben, wir essen teilweise auf der Straße (was einige Überwindung kostet, denn das Essen ist - entsprechend der Armut - wirklich grauslich) und sind überglücklich, wenn wir einmal etwas wirklich Gutes wie Shan-Nudeln am Markt erwischen. Vorübergehend zu Vegetariern geworden, verzichten wir gerne auf Fleisch, denn das ist, abgesehen von fancy tourist places wirklich ungenießbar und aufgrund der hygienischen Bedingungen (keine Kühlschränke) für den europäischen Magen kaum empfehlenswert. (Außer dem einen Mal auf Ko Wai in Thailand, wo ich mich eindeutig überfressen hab, hatte ich bisher mit meiner Verdauung gottseidank noch keine Probleme - knock on wood!) Täglich denken wir mit Wehmut an die Thai-Küche und schwärmen von Green Curry oder Fried Chicken with Cashewnuts oder den herrlichen Früchten... ich kann ohne Chili nicht mehr leben!!! Soweit zum kleinen kulinarischen Exkurs.

Ich hoffe, die verwirrende Gliederung meines Erlebnisaufsatzes bereitet euch keine allzu großen Schwierigkeiten, aber es kommen mir tausend verschiedene Dinge in den Sinn, wenn ich an dieses ungewöhnliche Land denke. Ich muß sowieso schon so viel auslassen, sonst bin ich Weihnachten mit meinem Mail noch nicht fertig.

Apropos Weihnachten: Ich brauch News über den Schiweltcup und außerdem hab ich vergessen, wann die Olympiade in Salt Lake beginnt! Aber lassen wir das, das ist jetzt wirklich unpassend, wenn ich an die Probleme in Myanmar denke.

Das Ziel unserer ersten Busfahrt war übrigens der "Golden Rock", eines der bedeutendsten Heiligtümer des Landes und ein riesiger, runder Felsbrocken auf dem Gipfel eines Berges in the middle of nowhere - komplett vergoldet und mit einer kleinen Stupa oben drauf. Er balanciert am Rand einer Felsplatte, direkt über dem Abgrund. Wie er dahin gekommen ist, darüber gibt es nur Sagen (angeblich auf einem Schiff, das versteinert wurde und etwas weiter entfernt in Form eines anderen Felsens zu sehen ist. Das Meer ist ganz weit entfernt am Horizont noch im Dunst erkennbar).
Jedenfalls ist der Stein zwar wunderschön, aber nicht annähernd so beeindruckend wie die Fahrt dorthin.

Wieder zurück in Yangon in unserem Guesthouse, sitze ich gebannt an der Straße und beobachte das Treiben. Der Generator läuft, denn unser Block hat wiedermal keinen Strom. Holz- oder Wellblechverschläge wechseln sich mit verfallenden viktorianischen Gebäuden aus der britischen Kolonialherrschaft ab. Gekocht wird auf Feuerstellen vor den Häusern, weshalb die Luft gemeinsam mit den Dieselabgasen der Fahrzeuge komplett verraucht ist. Man riecht es jedoch nur und sieht es erst, wenn ein Fahrzeug die Scheinwerfer bei entgegenkommendem Verkehr einschaltet. Ansonsten werden Batterie und Scheinwerfer geschont (Was würden die Burmesen wohl von der Aktion "Fahren mit Licht auch bei Tag" halten?).

Wir wollen ganz zeitig die Shwedagon - Pagode besteigen. Erstens, um den Sonnenaufgang gemeinsam mit den betenden Mönchen an dieser riesigen, güldenen Kuppel zu erleben, und zweitens, um den Leuten vom Government zu entgehen, die 5$ pro Ausländer einkassieren wollen und um diese Zeit noch schlafen.

Und wieder sind wir die einzigen Touris, die sich den Arsch und die bloßen Füße am kalten Marmor abfrieren. Ob die Mönche etwas unter ihren knallroten Wickeltüchern (im Gegensatz zu Thailand, wo sie in Orange gehüllt sind) tragen?

Wir werden trotzdem von den Aufpassern erwischt und zur Kasse gebeten, weil wir diesem grandiosen Schauspiel bis um 8 Uhr zusehen.

Vom Dreck der Hauptstadt haben wir genug eingeatmet und machen uns auf den Weg per Bus in den Norden - nach Mandalay.

Rund 500 km Landstraße liegen vor uns und prognostizierte 15 Stunden Fahrt im beengten Bus. Keine atemberaubende Vorstellung. Die alternative wäre der Zug, in dem man sich wenigstens etwas bewegen kann, aber ich habe die Züge gesehen, mit Waggons ohne Türen und Fenster, in denen die Menschen am Boden oder auf Holzbrettern hocken. Die Waggons werden doch tatsächlich von Dampflokomotiven!!! gezogen und drohen jeden Moment aus den Schienen zu springen. Die Geleise sind so krumm verlegt, daß die Waggons darauf herumhüpfen. Na ja, meistens sieht man sowieso nur Frauen mit Gefäßen auf dem Kopf oder Mönche auf den Geleisen entlanggehen.

Zug kommt für mich also nicht in Frage, denn auf den Straßen haben wir wenigstens noch nie einen Unfall gesehen, Zuggarnituren neben den Gleisen aber schon einige... Mich wundert, daß man so gar keine Verkehrsunfälle sieht, denn die Regierung hat eines Tages beschlossen, von Links- auf Rechtsverkehr umzustellen, um sich vom britischen System loszusagen (genauso wie sie Burma in Myanmar und alle Städte umgetauft haben). Trotzdem sind die Autos natürlich nach wie vor rechtsgesteuert (sie fahren ja noch immer dieselben) und da wundert es mich schon, daß sie den Gegenverkehr auf den engen Straßen so gut abschätzen können.

Die nächtliche Busfahrt nach Mandalay - 17 Stunden, eine handvoll Pinkelpausen und sonst nix zu sehen - möchte ich gerne aus meinem Gedächtnis streichen und nicht weiter schildern. Johnnie Walker hat mir Trost gespendet...

Bei unserer Ankunft vormittags ist die Farbe unserer Rucksäcke unter der dicken Staubschicht nicht mehr zu erkennen und es fällt uns schwer, sie zu identifizieren.

Wir lassen uns per Pickup ins AD 1 Guesthouse bringen und Gabi hat beim Anblick der fleckigen Leintücher im Zimmer einen halberten Nervenzusammenbruch, sodaß wir schleunigst die Flucht ergreifen und uns in einem für unsere Verhältnisse pikfeinen Hotel einquartieren (nix für ungut liebe Martina und Michael! Wir haben auf unserer Reise weiß Gott in schlechteren Unterkünften übernachtet, aber nach dieser Horrorfahrt und in unserem komplett verdreckten Zustand konnte Gabi die Vorstellung einfach nicht ertragen, sich nach der Dusche in ein schmutziges Bett legen zu müssen).

Nach ein paar Stunden Schlaf in unserem sauberen, klimatisierten Hotelzimmer mit heißer Dusche (mir hat das Zimmer auch gefallen, denn ich durfte Stefan Eberharter beim Abfahrtssieg auf BBC World bewundern!) haben sich die Nerven wieder beruhigt und wir stellen uns den Ereignissen des verbleibenden Tages in der neuen Stadt - zumindest so weit, daß wir direkt ins nächste Reisebüro latschen und Flugtickets für eine gute Woche später buchen, die uns die ebenfalls 17stündige Rückfahrt vom Lake Inle, der letzten Station unserer Burmareise, nach Yangon ersparen und direkt nach Chiang Mai in Thailand bringen sollen. Wir müssen Cash und in Dollars bezahlen, was uns ein Riesenloch in unser verbleibendes Burmabudget reißt, denn in diesem Land kann man nicht wie in Thailand einfach zum nächsten Bankomaten marschieren und mit der EC-Karte Kohle rauslassen und die Kreditkarte kannst du hier auch getrost daheim lassen! Wir räumen also die letzten Dollars aus unseren Geldgürteln und Schuhsohlen, kalkulieren und rechnen und entscheiden, daß es sich knapp aber doch ausgehen wird - inklusive Ausreiseabgabe von 20 $ oder FEC an den lieben Staat.

Ich reise ungern ohne Notreserve in meinen Taschen und mache nach aufwendiger Suche eine Wechselstube ausfindig, die mir illegalerweise eine fingierte Hotelrechnung in Höhe von 50 $ auf meine Visakarte ausstellt - gegen eine Provision von 20%!!! wohlgemerkt. Ich denke, ohne prallgefüllte Geldgürtel werden wir uns - außer in Thailand - so schnell nicht mehr erwischen lassen. Wir haben die Gier der burmesischen Regierung nach Dollars eindeutig unterschätzt.

Jedenfalls müssen wir uns jetzt nichts mehr verwehren und können unseren verbleibenden Aufenthalt in vollen Zügen genießen.

Ist euch aufgefallen, daß ich mit keinem Wort erwähnt habe, daß uns Gabi mit dem teuren Hotel und dem Kauf eines Seidenrocks um ??$ ins finanzielle Debakel geritten hat? Das würd ich in meiner diskreten Art auch nie tun, und er sieht ja auch verdammt schick aus, der Seidenrock aus diesmal echter und feinster handgewobener burmesischer Seide (jaja, wir haben gelernt, damals auf unserer großen Reise).

Und genau wegen meiner diskreten Art hatten wir auch bis jetzt noch keinen Streit, jedenfalls nicht, solange sie das nicht gelesen hat. Und ihr seid ja mindestens so diskret wie ich, oder?

Mit den Tickets in der Tasche lassen wir uns von einem Trishaw-Fahrer zum Essen führen und abends zu den "Moustache Brothers", einem traditionellen Comedian-Familienclan, der burmesische Unterhaltung mit einer Mischung aus Tanz, Kabarett und Puppenspiel präsentiert, anders jedoch, als die übliche Touristenfolkloretruppen. Der Bruder und damalige Kopf der Truppe wanderte für 5 Jahre und 6 Monate ins Arbeitslager, weil er sich getraut hat, einen regierungskritischen Witz bei einer öffentlichen Feier zu erzählen. Seither sind die Moustache Brothers auf der "black list" und stehen unter Beobachtung. Juni dieses Jahr wurde der Bruder aus dem Gefängnis entlassen und arbeitet wieder mit den anderen fast als wäre nichts gewesen. Obwohl es ihnen streng untersagt ist. Sie brechen Schritt um Schritt ihre Auflagen, indem sie zuerst nur ganz ohne Kostüm und jetzt zwar in Kostüm aber ohne Schminke auftreten. Sie riskieren Kopf und Kragen, weil sie mehr als je zuvor versuchen, dieser unrechtmäßig an die Macht gelangten Regierung zu schaden und in ihrer Show so viele Ausländer wie möglich auf die Zustände in ihrer Heimat aufmerksam zu machen, auf daß sie ihr Wissen in die Welt hinaus tragen mögen.

Es ist wirklich äußerst amüsant ihnen zuzusehen und zu -hören (einer übersetzt alles so gut er kann ins Englische), und man muß sich immer wieder ihre Situation vor Augen halten, damit man den Ernst der Sache nicht aus dem Blickfeld verliert.

Zusammen mit dem Trishawfahrer stellen wir eine Rundfahrt in der Gegend von Mandalay für den nächsten Tag zusammen. Nicht mit dem Fahrrad, sondern mit dem alten Mazda Pickup seines Cousins, der aussieht wie ein aufgeschnittener Trabi. Ich muß mich halb auf die Ladefläche legen, denn anders hab ich auf dem Ding keinen Platz (die beiden vorne lachen sich tot über mich). Den absolut schönsten Teil unserer Tour erleben wir etwas außerhalb von Mandalay. Wir setzen per Fähre auf die Insel Ava über und besteigen eine Pferdekutsche. Ich werde das Gefühl nicht los, in einer Art Ethno-Disneyland gelandet zu sein. Das Leben auf der Insel ist so echt, so tief, so erdig (wie Josef Hader es beschreiben würde), daß es mir unwirklich erscheint. Wie aus einem Kalender oder Reiseprospekt für eine längst versunkene Kultur präsentieren sich die kleinen Dorfgemeinschaften. Es gibt weder Autos noch asphaltierte Straßen, keinen Strom und keine gemauerten Gebäude.

Wir landen schließlich in einem alten Teakwood-Kloster, wo wir Kindermönche (Gabi nennt sie Mini-Mönche und würde die kahlköpfigen Knirpse am liebsten alle mit nach Hause nehmen) bei der Meditation beobachten. Eine seltsame Meditation, denn sie machen dabei einen ziemlichen Krach.

Die Aussicht vom Kloster ist atemberaubend. Erinnert mich an die Bilder, die ich von im Urwald verborgenen Maya-Tempeln kenne. In der Ferne erheben sich zwischen Wasser, Urwald und Kokospalmen verfallene Steinpagodas im Gegenlicht des Nachmittags.

Wir besteigen einen alten chinesischen Turm, der sich im Lauf der Zeit wie der schiefe Turm von Pisa zur Seite geneigt hat, und ich kann nicht anders, als von jeder Seite eine Panorama-Landschaftsaufnahme machen. Auf zwei Seiten umschließt uns der breite Arm des Ayeyarwady Rivers, den wir am nächsten Tag noch vor Sonnenaufgang per Schiff Richtung Bagan bereisen werden.

Nach dem Sonnenuntergang auf der 1.2 km langen Holzbrücke von Amarapura, auf der sich leider Autobusladungen von Pauschaltouristen aus der französischen Schweiz tummeln und uns Souvenirverkäufer belagern, haben wir noch eine kleine Autopanne auf der nächtlichen Rückfahrt ins Hotel, die jedoch im Schein meiner LED-Taschenlampe (www.globetrotter.de) bald behoben ist.

Der Trishawfahrer möchte uns in der Früh unbedingt mit seinem Fahrrad zum Schiff bringen (eine Kundschaft läßt man nicht so leicht wieder gehen). Wir versuchen ihm klarzumachen, daß das mit unserem großen Gepäck nicht möglich ist, doch er will das nicht akzeptieren, bittet uns, ihm und seiner Erfahrung zu vertrauen und verspricht, uns pünktlich um 5.30h mitsamt Gepäck beim Schiff abzuliefern.

Tatsächlich schafft er das auch tadellos. Er ist um 3h Früh aufgestanden und eine Stunde lang von seinem Dorf außerhalb von Mandalay in die Stadt geradelt, damit er uns die Viertelstunde zum Boot bringen kann... 3 Personen und 40 kg Gepäck auf einem chinesischen Fahrrad ohne Gangschaltung – nicht zu fassen!

Ein herrlicher Sonnenaufgang und eine wunderbar entspannte, 9stündige Fahrt erwartet uns. Was für eine angenehme Art zu reisen! Wir liegen auf Deck, lesen und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. Einmal bleiben wir vor einer Nebelbank hängen, doch nach einer Stunde geht’s wieder weiter. Ohne Sicht ist es aufgrund der unberechenbaren Sandbänke viel zu gefährlich.

Erholt und ausgeruht erreichen wir ohne Rückenweh und eingeschlafene Beine Bagan. Ich muß vielleicht erwähnen, daß wir uns das 16$ teure und schnelle Touristenboot geleistet haben. Die Einheimischen reisen zusammengepfercht auf einem alten Kahn, der für dieselbe Strecke 29h braucht (mit einer Übernachtung, denn die Boote können nachts ja nicht fahren).

Auch wir lassen uns manchmal also dazu verleiten, die Kapitalistensau zugunsten der Bequemlichkeit raushängen zu lassen, versuchen allerdings, uns nicht in die Abgründe des Pauschaltourismus hinabziehen zu lassen. Wir beobachten zum Beispiel eine Szene an Bord, in der ein etwa 60 jähriger Holländer einem burmesischen Reiseleiter (der nur an Deck einen Platz bekommt und nicht die für Ausländer reservierten gepolsterten Sitze im Schiffsinneren benutzen darf) einen Sessel entreißt, der eigentlich von dessen Kollegen besetzt war. Die beiden zerren an dem Sessel, während der Burmese zu erklären versucht, daß sein Freund gleich zurück sein würde. Der Holländer läßt nicht locker, bis der Burmese schließlich aufgibt, und wir uns für unsere europäische Herkunft vor diesen freundlichen Menschen in Grund und Boden genieren.

In Bagan stoßen wir zum zweiten Mal auf Touristenherden in der Größe mehrerer Busladungen. Bald schon finden wir heraus, warum wir gerade hier nicht die einzigen Fremden sind. Die Gegend um Old Bagan ist kulturell gesehen wirklich das Atemberaubendste, was wir bisher auf dieser Welt sehen durften. In der von Hügeln und dem Ayeyarwady River umschlossenen Ebene erheben sich über 2.200 Pagoden und Tempel - größtenteils 11. und 12. Jahrhundert - aus der Landschaft, in einer unglaublichen Dichte und soweit das Auge reicht.

Wir sind verzaubert von der beeindruckenden Landschaft und durchpflügen auf unseren chinesischen Drahteseln ohne Gangschaltung den teilweise recht tiefen Sand der Wege 3 Tage lang. So können wir den Straßen der Bustouristen entkommen und es hilft uns außerdem, mit den Einheimischen in Kontakt zu treten.

Gabis Mini-Polaroidkamera stellt sich als Megahit heraus, denn überall, wo sie die zückt, laufen nach kürzester Zeit sämtliche Menschen zusammen und bilden eine Traube um uns. Jeder möchte gern eines dieser miserablen Bilder von sich ergattern, die meisten haben wohl noch nie ein Foto von sich besessen. Ich hab auch einen Vorteil, denn ich kann mich mit meiner Ixus als Trittbrettfahrer anhängen und die Menschen für uns fotografieren.

Wir werden endlich auch die Werbegeschenke der Mobilkom (Danke Pia, die Kinder werden's dir nicht vergessen!) an der richtigen Stelle los. Die Kinder entschädigen uns mit ihren großen Augen dafür, daß wir die T-Shirts, Taschen, Kappen, Kugelschreiber, etc. 10.000km über den Erdball geschleppt haben.

Wir machen eine Bootsfahrt mit einem Fischer und seinem Enkel auf dem Ayeyarwady. Um ins kleine Ruderboot zu gelangen, stapfen wir durch 40cm tiefen Schlick. Das abgelegene Fischerdorf, durch das wir zum Fluß gelangen, ist wirklich sehr armselig.

Der Bub auf dem Boot bestaunt die ganze Zeit meine Swatch und als ihm Gabi eine Siemens Werbeuhr schenkt, ist er völlig von den Socken und kriegt sich überhaupt nicht mehr ein. Wieder zurück im Dorf, hüpft er zwischen seinen Freunden herum und hält ihnen die Uhr vor die Nase. Er verabschiedet sich von uns mit den Worten: "I happy".

Die Burmesen sprechen generell viel besser Englisch als die Thai. Sie lernen es schon ab der 1. Schulklasse und müssen angeblich 5 Jahre zur Schule. Alle Kinder, an denen wir vorbei kommen, winken uns zu und rufen "hello" und "bye bye", sodaß es manchmal sogar schon fast mühsam wird, permanent in alle Richtungen zu winken. Ich komm mir vor wie der Papst oder Queen Elisabeth...

Wir haben eine Schulklasse mit über 50 Kindern unterschiedlichen Alters gesehen, in der ein Riesenwirbel herrschte. Zuerst dachten wir, es sei Pause, doch die Lehrerin stand mit strengem Blick an der Tafel und kritzelte irgendwas darauf.

Nach der Pflichtschule ist Bildung nur mehr für die Reichen erschwinglich. Aber auch die weniger gebildeten haben erkannt, daß Englisch für sie unverzichtbar ist, wenn sie ein bißchen vom Tourismus mitprofitieren wollen.

In Bagan ist gerade jede Nacht ein riesen Fest am Marktplatz im Gange (Vollmondfest). Wir mischen uns unters Volk und scheinen die größte Attraktion zu sein, obwohl es auch eine seltsame Tierschau (eher eine -quälerei als eine -schau) mit Affen, Schlangen (übrigens Schlangen bekommen wir in Bagan etliche in freier Wildbahn zu sehen), Ratten und was weiß ich noch allem gibt. Wir bieten ihnen eine gratis Freakshow, denn erstens sind wir die einzigen Nichtburmesen, die sich da hin verirrt haben und zweitens noch so groß, daß ich nur in gebückter Haltung unter den Dächern der Buden durchkomm. Wir stehen vor einer Musikbühne, doch die Zuschauer drehen sich von der Bühne weg und starren uns an: Wir überragen das gesamte Feld um gut einen halben Meter. Als wir uns dann auch noch zum Essen hinsetzen, werden wir aus allen Richtungen beobachtet. Ich glaub, wir sind die ersten Ausländer, die sich dieses Zeug eingeworfen haben. Dabei ist die Suppe noch eine der besseren und absolut genießbar. Auf dem "Rummel" gibt's Musik, eine Fußballshow, Glücksspiel (eine Art Roulette mit Dartpfeilen), viele Freß- und sonstige Buden. Als uns einige Souvenirverkäuferinnen entdecken, ergreifen wir schnell die Flucht.

4.30h! soll uns der Bus zum Lake Inle, der letzten Station unseres Myanmar-Aufenthalts, bei unserem Bungalow abholen. Wir haben es schön langsam satt, dauernd den Sonnenaufgang erleben zu müssen. Immer gehen die Busse so zeitig in der Früh, wenn es noch mindestens 3 Stunden lang eiskalt ist, weil der Bus keine Fenster hat und die Tür offen ist, damit noch einige außen dran hängen können. Diese letzte, mit 9 h für 200 km veranschlagte Busfahrt durch die Berge wird uns kaum erspart bleiben, wenn wir unsere Flugtickets nicht verfallen lassen wollen. Der Bus ist die einzige Möglichkeit dorthin zu kommen. Es handelt sich um das schlimmste Modell, das wir selbst je benutzt haben (gesehen haben wir noch ärgere.) Das dicke Ende kommt immer ganz zum Schluß... Der Kübel ist noch fast leer, als wir einsteigen, doch bald schon ist er zum bersten voll. Hätten wir uns denken können, ein Bus fährt hier gar nicht los, solange nicht der letzte cm gefüllt ist. Die Sitze sind diesmal mit Plastik überzogene Bänke, die aber nur 1 1/2 Plätze breit sind. Zu allem Übel bekommen wir noch unsere Rucksäcke zwischen die Beine, denn sonst gibt's dafür keinen Platz mehr. Wir nehmen es mit Fassung zur Kenntnis und sagen uns: 9h sind ja nicht 17! Wenn ich mit dem Zug von Wien nach Bregenz fahre, sind's 8 1/2 unerträgliche Stunden - dachte ich jedenfalls bis jetzt. Hinter uns sitzt ein junges piefkinesisches Pärchen und vor uns ein französisches.

Wir sitzen also, eingepackt in sämtliche Kleidung, die wir dabei haben (2 Sweatshirts, T-Shirt, winddichte Regenjacke, Jogginghose, darüber normale Hose, Socken, Turnschuhe und der Kapuze auf dem Kopf) im Bus und hören uns das Gejammere der Deutschen an.

Wir halten an einem offenen Teashop, trinken Kaffee und essen im Fett herausgebackene Stangen, die entfernt nach Krapfen ohne Zucker schmecken. Am Straßenrand steht ein etwa 11-jähriges Mädchen in kurzer Bluse und Rock, am ganzen Leib schlotternd vor Kälte. Neben ihr 2 kleine Buben in kurzen Hosen, T-Shirt und barfuß. Das Mädchen sieht mich an und deutet zuerst auf ihren Bauch und dann auf ihren Mund. Wir geben ihnen unsere Stangen und bestellen noch mehr für sie. Ich packe meine Keksreserve aus und sie beginnen glücklich zu essen. Strahlend winken sie uns nach, während Gabi im Bus noch schnell versucht, sich einen Pulli auszuziehen. Leider schafft sie es nicht mehr bevor der Bus abfährt und das Mädchen muß weiterhin frieren. Mir ist zum Heulen zumute, als der Piefke (ich hoffe, Stephi verzeiht mir den "Piefke"!) hinter mir zu seiner Freundin sagt: "Wenn ich eine Tugend nicht leiden kann, dann ist es Betteln!". Ich möchte ihm gerne erklären, was eine Tugend ist, und daß Betteln garantiert nicht dazugehört, aber ich halte meinen Mund, denn sonst müßte ich ihm vor lauter Ärger eine aufs Maul hauen - und das könnte ich nun schon gar nicht mit meiner gewaltfreien Einstellung vereinbaren. Der Satz geht mir jedenfalls seither nicht mehr aus dem Kopf. Ich bin zutiefst beschämt und überlege mir den Rest der Fahrt, wie man zu so einem Arschloch wird.

Lake Inle ist ein ca. 22km langer und an den tiefsten Stellen 4-5m tiefer See, im Gegensatz zum Neusiedlersee ist er jedoch glasklar. Umgeben von Bergen ist er kein Wassersportparadies, sondern ein Lebensraum: Die hier lebenden Intha ("Söhne des Sees") sind angeblich im 14. Jahrhundert wegen der ständigen Kriege zwischen Burmesen, Hmong und Thai aus dem Süden des Landes in diese friedliche Gegend geflüchtet. Da alles fruchtbare Land schon im Besitz der hier ansässigen Shan war, machten sie aus der Not eine Tugend und bauten ihre Häuser aus geflochtenen Bambusmatten auf Stelzen in den See, heute schon teilweise so schief und halb verfallen, daß wir uns sicher sind, daß da niemand mehr wohnt. Aber natürlich sehen wir auch in diesen Häusern Menschen, die uns zuwinken, sobald wir in unserem Kanu vorbeirudern oder besser gesagt rudern lassen. Die Gegend um den See ist eine im Vergleich wohlhabende, denn die Menschen haben eine auf der Welt einzigartige Methode gefunden, Gemüse und Obst das ganze Jahr über mit genügend Wasser zu versorgen: Sie haben die Felder einfach aufs Wasser gestellt! Auf ein Geflecht aus Zweigen werden Schlamm und die überall wuchernden Wasserhyazinthen gehäuft. Das Gemisch verwandelt sich dank Feuchtigkeit und Wärme in Humus und ist stabil genug, die Pflanzen zu tragen – nicht jedoch das Gewicht eines Menschen. Die schwimmenden Beete werden mit Bambusstangen im Boden in langen Bahnen verankert, damit sie vom Boot aus bestellt werden können. Mit genügend Schlamm vom Seeboden als Dünger liefern die Gärten 2 – 3 Ernten pro Jahr!

Zu den Häusern auf dem See gelangt man nur mit dem Boot. Deshalb gleiten wir am ersten Tag fast geräuschlos mit einem typischen Holzkanu durch die Kanäle - ein idyllischer Tag zwischen Hyazinthen und Wasservögeln - und beobachten die Menschen bei ihrer täglichen Arbeit.

Am 2. Tag besuchen wir mit einem Pickup den Markt in Taunggyi, dem letzten Bergdorf in östlicher Richtung, das von Ausländern besucht werden darf. Hinter diesem Ort gibt's angeblich nur mehr Schmuggler in Tarnanzügen, die Waren aus Thailand und China für den Schwarzmarkt beschaffen und Opiumplantagen in den Bergen. 50% des Heroin-Weltmarktes soll ebenfalls aus Burma stammen. Die andere Hälfte kommt wahrscheinlich aus Kolumbien, dem wir ja auch schon unseren Besuch abgestattet haben. In Zukunft weiß ich wenigstens, warum mir die US-Zollbehörde bei der Einreise in die Vereinigten Staaten seltsame Fragen stellt! Zusammen mit meinen Visa aus Kuba und dem Libanon komme ich da vielleicht in Argumentationsnotstand. Sollte ich mir einen neuen Paß besorgen?

Für unseren letzten Tag in Burma beschließen wir, gemeinsam mit einem jungen Pärchen aus Israel, eine Tagestour per Longtail-Motorboot in den südlichen Teil des Sees zu machen, der erst vor einem Monat für Touristen geöffnet wurde. Wir haben die beiden Israelis im Guesthouse kennengelernt, und im Nachhinein betrachtet, hätten wir's dabei auch belassen sollen: mußten uns wiedermal für wen anderen in Grund und Boden genieren! Wir halten z.B. bei einem Haus, in dem ein Mann und eine Frau in reiner Handarbeit chinesische Seidenpapierschirme herstellen - nur aus Bambus und Papier, und den primitivsten Werkzeugen, die man sich vorstellen kann. Ich sitze fassungslos am Boden bei den beiden und sehe ihnen zu, wie sie das machen. Allein die "Drechselmaschine" ist eine Sensation; 2 Bambusrohre, eine Schur dazwischen und ein drehbarer Holzkeil, in den das Werkstück eingespannt wird, das war's.

Der Israeli namens Ran spaziert in den Wohn- und Werkraum, flackt sich an einen niedrigen Tisch, auf dem Tee und burmesische Zigarren stehen, zündet sich unaufgefordert eine davon an und schenkt sich Tee ein. Danach legt er sich auf den Boden und sieht gelangweilt zur Decke. Ich bin so fasziniert von der handwerklichen Meisterleistung, daß ich mir ohne nachzudenken einen dieser Schirme, die in schätzungsweise 5-stündiger Arbeit von 2 Personen hergestellt werden, zum Preis von 20 Schilling kaufen muß. Leider hab ich keine Ahnung, wo ich die nächsten Monate mit dem Ding hin soll.

Bei einem auf Stelzen in den See gebauten Teakwood-Kloster möchten unsere beiden Freunde gar nicht mehr aus dem Boot steigen, wir nehmen aber keine Rücksicht, gehen hinein, trinken mit den Mönchen Tee und unterhalten uns mit ihnen. Als wir die beiden wiedertreffen, hat Ran sich von einem Mönch eine Glatze scheren lassen. Auf die Frage, wie das denn gekommen sei, erklärt er uns, er habe dem Mönch auf die Glatze gegriffen (steht in jedem Reiseführer, daß man den Kopf eines Buddhisten nicht berühren darf – und schon gar nicht den eines Mönches), worauf dieser ihn gefragt habe, warum er das getan hätte. Er habe daraufhin seine Mütze abgenommen, um ihm seine ebenfalls sehr kurzen Haare zu zeigen. Das hätte der Mönch anscheinend falsch verstanden und angeboten, ihn zu scheren. Zuguterletzt spaziert er quer durch das ganze Kloster, mit nacktem Oberkörper, denn das T-Shirt hat er sich zum Rasieren ausgezogen (Kleidervorschrift für buddhistische Klöster: keine ärmellosen T-Shirts, lange Hosen oder Rock bis zu den Knöcheln und barfuß – steht am Eingang jedes Klosters auf Englisch).

Wir haben uns jedenfalls dazu entschlossen, nicht mehr so schnell mit jemandem, den wir noch nicht wirklich gut kennen, gemeinsame Ausflüge zu machen.

Unsere Rucksäcke sind gepackt und ich bin schon etwas nervös wegen dem Flugzeug, das uns erwartet. Vielleicht hätten wir doch lieber den Bus nehmen sollen? Aber wir hatten ja extra darauf geachtet, mit der Air Mandalay zu fliegen und nicht mit den alten Fokker F 27 Propellermaschinen von Myanmar Airways, von denen ich gelesen hab, daß 9 Stück seit 1989 abgestürzt sind.

Mit 10 $, die uns übriggeblieben sind, besteigen wir das tadellose und moderne Turboprop-Flugzeug der - ich glaube malaiisch geführten - Air Mandalay und freuen uns sehr auf Chiang Mai.

Als wir den Flughafen in Chiang Mai verlassen, erscheint uns Thailand wie das modernste Land auf diesem Erdball: Nagelneue japanische Autos mit Klimaanlage, große, glatt asphaltierte Straßen und das Allerbeste: Geschäfte, in denen man auch etwas kaufen kann! Sind wir vielleicht doch das Produkt einer Konsumgesellschaft?!

Die 3 Tage in Chiang Mai - einer nicht besonders attraktiven Touristenbasis für all diejenigen, die die Bergvölker des thailändischen Nordens besuchen wollen - verbringen wir fast ausschließlich mit den Dingen, die uns mehr als 2 Wochen lang verwehrt waren: Essen, Shopping, zur Bank und Post gehen, unsere Rucksackbibliothek mit gebrauchter englischer Literatur erneuern, Internetzen usw. und sind froh, daß wir Myanmar nicht als erste Station unserer Reise gewählt haben! So ist uns wenigstens der heftigste Schock erspart und nur das Staunen geblieben.

Die Diskussion darüber, ob man die burmesische Regierung mit seinem Besuch als Tourist beehren sollte oder nicht, würde ich jetzt, nach dem, was wir gesehen und erlebt haben, folgendermaßen zusammenfassen: Pauschaltourismus ist für mich in diesem Land abzulehnen, da man als solcher nur der Regierung die teuren Toyota Land Cruiser finanziert. Die Gruppen werden von regierungsfreundlichen Guides in luxuriösen Bussen von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit gekarrt, nach einer 1/2 Stunde wieder eingesammelt, in fancy Restaurants abgespeist, in feinen Hotels untergebracht und vom tatsächlichen Leben abgeschottet. Sie bekommen in 14 Tagen Myanmar nur das zu sehen, was die Regierung möchte (und sie hinterlassen bei der Bevölkerung einen schlechten Eindruck vom Westen, indem sie in ihrer gönnerhaften und protzigen Art einen Packen Kugelschreiber aus ihren klimatisierten Bussen in die Menge werfen, wie bei einem Karnevalsumzug. Das hab ich alles mit eigenen Augen erlebt!).

Andererseits hab ich aus Gesprächen den Eindruck, daß der Tourismus auch etwas zum Besseren für die Bevölkerung bewegt: Nicht nur, daß es für viele bedeutet, etwas Geld verdienen zu können, öffnet sich das Land von Jahr zu Jahr mehr, neue Gebiete, vormals "off limits", werden zugänglich, und vor allen Dingen gelangen Informationen aus einem Land, das bei mir sogar im Geographieunterricht verschwiegen wurde - oder hab ich vielleicht grad mal wieder verträumt aus dem Fenster gesehen?! (wie war das noch damals nach dem historischen Abriß beim toupierten Weihnachtssurfer - hätten wohl selber etwas besser recherchieren sollen, oder tu ich ihm da unrecht, Peter?)

Momentan hängen wir nun schon tagelang in Pai (zwischen Chiang Mai und Mae Hong Son an der burmesischen Grenze) herum und genießen die Unabhängigkeit, die Berge der Umgebung auf unserer gemieteten 100ccm Honda auf eigene Faust zu erkunden (ich glaub, Gabi hat ein bißchen Schiß hintendrauf, dabei hatte ich doch eh 6 Fahrstunden auf einer 125er in Wien!).

Heute sind wir auf dem Rücken eines indischen Elefantenweibchens durch den Dschungel und den Pai River geritten, morgen machen wir in einer Hütte etwas außerhalb von Pai einen Thai-Kochkurs, der euch hoffentlich auch zugute kommen wird. Irgendwo wollen wir dann noch ein bißchen Trekking zu den Hilltribes machen, aber bloß nicht zu anstrengend! Bis Weihnachten wollen wir wieder im Süden sein, wo das Wetter hoffentlich schon besser ist, und wir endlich unsere Tauchkünste auffrischen können. Es zieht uns schon wieder extrem auf eine Insel!

Zum Abschluß noch ein kleines Zuckerl: Ich fahre auf meiner Honda durch die Straßen von Pai und entdecke in einem Straßenlokal - na wen wohl? - Steve und Steven, die beiden nicht-schwulen Engländer aus Ko Wai. Nach überschwenglicher Begrüßung verabreden wir uns für den Abend und ich überrasche Gabi damit.

Steve, der Musiker, hat inzwischen ein paar Zähne verloren, ist bei einem Deutschen im Guesthouse ganz billig untergekommen, der froh ist, wenn ein Europäer in der Nähe ist, während er über Weihnachten die Heimat besucht. Steven hat bei einer Ausstellung in England ein paar seiner teuersten Bilder verkauft und so sein Budget bis Mai oder Juni ausgedehnt. Es gefällt ihnen hier wahnsinnig gut und sie glauben, daß sie wohl noch a couple of months hier anzutreffen sein werden.

So, das war's jetzt aber endgültig. Die Expedition Robinson verabschiedet sich nach diesem Monstermail, das auf dieser Minitastatur etliche Stunden in Anspruch genommen hat, von ihren schifahrenden Freunden in der Heimat, wünscht Euch alles Liebe aus Thailand und freut sich schon auf zahlreiche Antworten! Es ist so aufregend, ins Internetcafé zu gehen und von Euch das Neueste zu lesen.

Bis demnächst, von irgendwo auf diesem Planeten,

Clemens @ Gabi

 

Liebe Leute,

dem ist fast nichts hinzuzufügen, bis auf daß die Geschichte mit dem Seidenrock natürlich erfunden ist und nur aufgrund der künstlerischen Freiheit und nicht der Meinungsfreiheit durchgeht. (Aber das blaue Seidenteil in meinem Rucksack wird Furore in Wien machen.)

Liebe Grüße,

Gabi

 

            

© clemenslechner 2002


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