Gloria Estefan:

           Ich sende Pakete

Sie ist die Lady des Latino-Sounds und machte den Conga-Beat weltberühmt. In AMICA spricht die Kubanerin, die heute in Miami lebt, offen über die Mißstände in ihrer Heimat

Ein gutes Einkommen bedeutet auf Kuba umgerechnet 600 Mark pro Jahr. Soviel verdienen zum Beispiel Kellner in Touristenhotels. Den Profit streichen die überwiegend spanischen Besitzer ein und die Regierung. Für jeden kubanischen Angestellten kassiert Castro etwa 20 000 Mark Steuern pro Jahr. Das klingt nach einer Menge Geld. Dennoch ist die öffentliche Krankenversorgung eine Katastrophe. Bis heute müssen Frauen, die in eine Klinik gehen, um ein Kind zu gebären, ihre Bettwäsche mitbringen. Es fehlt an Medikamenten, an allem.

Meine Tante lief jahrelang ohne Zähne herum, weil sie im ganzen Land keine Prothese auftreiben konnte. Versorgungsprobleme gehören zum Alltag auf Kuba. Häuser zerfallen, weil es keinen Mörtel gibt. Selbst Leute, die sich das Baumaterial leisten könnten, stehlen Sand von den Stränden und riskieren Strafen. Die Strände sind nämlich, ebenso wie Hotels und Restaurants ausschließlich für Fremde da. Einheimischen ist der Zutritt verboten. Der Führungskader führt dagegen ein ganz anderes Leben. Für Fidel Castro und seine Leute gibt es alles. Das Embargo der USA ist darum im Grunde kein Embargo. Der Mangel trifft nur die einfachen Leute.

Ich verstehe Touristen, die nicht nach Kuba fahren, weil sie keine Lust haben, mit ihrem Geld Castros Regime zu unterstützen. Ihre Devisen machen nämlich offensichtlich nicht das Land reicher, sondern den Diktator. Das einzige Gewerbe, das Castro nicht kontrolliert, ist die Prostitution. Will man das unterstützen? Ist es also besser wegzubleiben? Was machen die Kubaner im Exil? Sie schicken pro Jahr 1,5 Milliarden Mark an ihre Familienmitglieder zu Hause, die ohne das Geld nicht überleben könnten. Jedoch: Ohne das Geld könnte Castro womöglich ebensowenig überleben. Das Land wäre bankrott, und Castro wäre weg vom Fenster. Politisch gesehen wäre es also klüger, man schickte nichts. Aber menschlich gesehen? Ich sende Pakete. Ist das ein Fehler?

Meine Mutter leitete einen Kindergarten, als Fidel Castro an die Macht kam. Er schickte eine Regierungsdelegation. Der Sprecher fragte die Kinder, ob sie an Gott glaubten. Er bat sie dann, die Augen zu schließen und Gott um Eiscreme zu bitten. Nichts geschah. Dann bat er sie, die Augen zu schließen und Papa Fidel um Eiscreme zu bitten. Und als die Kinder die Augen aufschlugen, stand ein Berg davon auf dem Pult. Nach wie vor stellt das Schulsystem die Ideologie in den Vordergrund, Rechnen und Lesen sind Nebenfächer. Ein weiter Horizont verträgt sich nämlich nicht mit seinen Dogmen.

Solange Castro an der Macht ist, kann es keine einfachen Antworten geben. Was würde geschehen, wenn die Leute jetzt über das Embargo abstimmten? Devisen würden das Land überfluten, aber die Leute würden nichts davon sehen. Was immer geschieht, Castro dreht es zu seinen Gunsten. Er hat offensichtlich vor, mächtig zu sterben. Erst wenn er tot umfällt, kann sich etwas ändern. Bis dahin gilt: Jede Mark, die man für Kuba oder auf Kuba ausgibt, wandert direkt in Castros Tasche. Ich bin persona non grata in Kuba. Meine Meinung ist dort nicht populär, aber wie ich gehört habe, hat Castro nach meinen Platten gefragt.

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