„Castro – der Mann ist verrückt“

 

Interview mit Gloria Estefan – Pop und Politik liegen bei der Latin-Queen eng beieinander. Fast kommt es ihr so vor, als sänge Kubas Diktator in ihrer Band

 

HÖRZU: Gloria, Sie sind auf Kuba geboren, haben die Insel aber schon als Zweijährige
verlassen. Trotzdem reden Sie davon, dass Sie Ihr „Heimatland“ vermissen?

Gloria Estefan: Ich weiß, das klingt komisch. Der Grund ist, dass meine Mutter mich allein aufzog und dabei sehr an den kubanischen Traditionen festhielt. Ich habe das Gefühl, als
warteten in Kuba noch unerledigte Geschäfte auf mich.

HZ: Würden Sie bei einem politischen Wandel nach Kuba zurückkehren?

Estefan: Nein, meine Heimat ist Miami. Ich will nur, dass man in Kuba die gleichen
Freiheiten genießen kann, wie ich sie habe. Mich ärgert, dass nur 90 Meilen vor unserer Küste diese Diktatur weiterexistiert.

HZ: Werden Sie oft auf Castro angesprochen?

Estefan: Ja, es ist unglaublich, besonders in Lateinamerika. Manchmal habe ich das Gefühl, als sei Castro auf Tournee mit mir, als sei er einer meiner Backgroundsänger.

HZ: Was empfinden Sie für ihn?

Estefan: Ich habe nicht den Haß meiner Eltern. Mich ärgert, dass die Welt ihm so viel
Anerkennung gibt, ohne zu wissen, was sich in Kuba wirklich abspielt. Der Mann ist verrückt.

HZ: Ihr Vater hat an der Schweinebucht-Invasion teilgenommen, kämpfte anschließend in Vietnam, von wo er im Rollstuhl zurückkam.

Estefan: Ja, er litt an Multipler Sklerose. Ich ihn fünf Jahre gepflegt, bis ich 16 war und er doch ins Krankenhaus musste. Dadurch habe ich sehr früh gelernt, was wirklich wichtig ist im Leben. Erfahrungen, die mir auch nach meinem Unfall geholfen haben.

HZ: Ihr Ehemann und Manager Emilio, mit dem Sie seit 20 Jahren verheiratet sind, war Ihr erster und einziger Freund. Haben Sie manchmal das Gefühl, etwas verpasst zu haben?

Estefan: Nie! Vor allem nicht, wenn ich mir die Geschichten meiner Freunde ansehe. An den vielen gescheiterten Affären finde ich nichts Beneidenswertes.

HZ: Was ist für Sie er wichtigste Faktor in einer Beziehung?

Estefan: Kommunikation! Den anderen wirklich kennen. Auch Negatives aussprechen.

HZ: Was ist mit Sexualität?

Estefan: Sex um des Sex willen ist absurd. Sex sollte eine liebevolle Erfahrung sein und nicht bloße Begegnung.

HZ: Was halten Sie vom Clinton-Skandal?

Estefan: Mein Gott, was soll ich sagen? Die Medien gehen sicherlich oft zu weit. Sex sollte Privatangelegenheit bleiben. Aber das rechtfertigt nicht, was er getan hat. Es ist eine
Enttäuschung. Die Politik scheint völlig außer Kontrolle.

HZ: Also keine Lust, selbst einmal in die Politik zu gehen?

Estefan: In dieser Kultur? Nie und nimmer!

HZ: Dafür drängt es Sie zum Film. Als Partnerin Ihres guten Freundes Andy Garcia?

Estefan: Ein gemeinsames Projekt wäre toll. Ich habe ihm aber schon gesagt, dass ich mit ihm nie eine Bettszene drehe.

HZ: Sie hatten am ersten September Ihren 41. Geburtstag und sehen blendend aus. Denken Sie dennoch manchmal über das Altern nach?

Estefan: Ich habe keine Probleme mit dem Älterwerden. Ich sage mir immer: jeden Tag bist du entweder älter oder tot.

HZ: Können Sie sich vorstellen, bis ins hohe Alter aufzutreten?

Estefan: Ja. Allerdings habe ich meiner Schwester gesagt, sie soll mich erschießen, fall ich noch auf der Bühne stehe, wenn mir mein Hintern bis zum Boden hängt.

 

Gloria Estefan: zur Person

Triumph und Tragödie – im Leben von Gloria Estefan lag beides eng beieinander. Wenige Stunden nachdem sie 1990 für Präsident Bush im Weißen Haus gesungen hatte, wurde sie bei einem Unfall schwer verletzt. Nur ein medizinisches Wunder bewahrte die Pop-Sängerin vor dem Rollstuhl. Obwohl die gebürtige Kubanerin die Insel bereits im Alter von zwei Jahren verließ, sehen Exil-Kubaner in der nur 1,58 Meter großen Frau das vielleicht einflussreichste Sprachrohr gegen Fidel Castro. In Miami wird Estefan, eine studierte Psychologin, als
„inoffizielle Bürgermeisterin“ verehrt. Für Bill Clinton sang Estefan zur Amtseinführung, im Vatikan für den Papst. Auf ihrem aktuellen Album „Gloria!“ kombinierte die 41jährige
Mutter zweier Kinder die Disco-Rhythmen der 70er Jahre mit den Estefan-typischen
Latin-Elementen. Ihr Ziel: noch einmal vor der Jahrtausendwende „pure Lebensfreude
verbreiten“.

 

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