Gloria Estefan

Happy-End in Miami

 

Sie wuchs in Armut auf. Doch Welthits wie "Reach", "Dr. Beat" und "Conga" machten sie zur Plattenmillionärin. GALA besuchte die Exilkubanerin auf ihrem luxuriösen Anwesen in Florida

 

Oye mi canto – Hört mein Lied. So heißt einer ihrer größten Hits. Eine Einladung, der eine riesige Fangemeinde folgt, darunter der Papst, Ex-Präsident George Bush und – pikanterweise – auch Kubas starker Mann, Fidel Castro. Über 70millionenmal gingen ihre Alben über die Ladentische. Goldene und Platin-Schallplatten erntete sie gleich im Dutzend, dazu zwei Grammy-Auszeichnungen. Ob im Vatikan, beim spanischen König oder als Sonderbotschafterin der UN, überall ist Gloria Estefan ein gerngesehener Gast.

Zu einem Gespräch lud die kleine Sängerin aus Kuba GALA nach Miami ein. Auf dieser Prominenteninsel, zu der Normalsterbliche der Zutritt freundlich, aber bestimmt von durchtrainierten Security-Guards verwehrt wird, besitzen die Estefans gleich drei Häuser. Eines für sich selbst, eines für die Verwandten und eines für Gäste – wie zum Beispiel Quincy Jones, der Patenonkel ihrer Tochter Emily, oder Talkmasterin Oprah Winfrey.

Im Juni wird ihr Album "Gloria" erscheinen. Und weil selbst sie für eine neue Platte gut verkauft sein will, wird sie in den nächsten Wochen viel unterwegs sein und wenig Zeit für ihre beiden Kinder, ihr Haus, ihr Restaurant oder ihr Hotel finden. Warum tut sich die inzwischen Vierzigjährige diesen Streß an, wo doch jedes ihrer Alben ein kommerzieller Selbstgänger ist?

Emilio, Ehemann, Manager, Produzent und Komponist in Personalunion, bringt es auf eine ganz einfache Formel: "Wir lieben die Musik, das Schreiben und das Arrangieren jedes neuen Songs. Bei jeder Platte sind wir mit Leib und Seele bei der Sache." "Und", fügt er hinzu, "für mich ist der Erfolg keine Selbstverständlichkeit. Niemals." Nun gut, zusammen mit seiner Frau besitzt er inzwischen ein Vermögen von über 200 Millionen Dollar.

Kaum Grund, am Erfolgsrezept zu zweifeln. Was beide aber so sympathisch macht, ist das Fehlen jeglicher Allüren. Kapriziöse Eskapaden à la Madonna sind Gloria fremd. Man muß schon lange suchen, will man Negativschlagzeilen über die Estefans aufspüren.

Und selbst dann schaut man besser genau hin. "Einmal", erzählt Gloria Estefan lachend, "einmal tauchte in den Zeitungen ein Foto auf – ich, wild küssend mit einem fremden Kerl. Sofort wurde mir eine Affäre angedichtet. Dabei war es mein Mann – ohne Bart. Rasiert sieht Emilio wie ein völlig anderer Mensch aus."

"Miami Nice" oder "die gute Fee des Pops" wird Gloria Estefan genannt. Für die kubanische Immigrantengemeinde ist sie Galionsfigur und Sprachrohr gegen Castro. Doch wer glaubt, Gloria ließe sich vor jeden politischen Wagen spannen, der irrt. "Ich kann mich einfach nicht mit Ungerechtigkeiten abfinden", erklärt die kleine Diva energisch.

Was war passiert? "Es ging um Bands aus Kuba, die in Miami im Rahmen eines Festivals spielen wollten – in den Augen der Castro-Gegner ein Unding. Die Person, die sich für diesen Auftritt aussprach, wurde einfach gefeuert."

Der Popstar redet sich in Rage. "Ich war richtig sauer und habe in einem offenen Brief erklärt, daß wir schließlich in einem Land leben, in dem man das Recht auf freie Meinungsäußerung hat. Das Ganze eskalierte dann soweit, daß man mir vorwarf, für Castro Partei zu ergreifen. So ein Unsinn!" Lachend führt sie fort, daß ihre Gegner dazu aufgerufen haben, ihre CDs zu verbrennen. "Sollen sie ruhig, aber erst müssen sie sie ja kaufen. Dann können sie damit machen, was sie wollen. So ist das eben mit der Meinungsfreiheit."

Diese und andere Freiheiten sind den Estefans heilig, sei sie beide aus Havanna flüchten mußten. Gloria war damals ein Jahr alt. Sie kamen zu einer Zeit nach Miami, als Wohnungen noch unter den folgenden Prämissen vermietet wurden: keine Kinder, keine Haustiere, keine Kubaner!

Oye mi canto! – irgendwann Mitte der Siebziger lernten sich die beiden Exilkubaner auf einer Hochzeit kennen. Emilio war damals noch mit seiner Combo, den Miami Latin Boys, unterwegs. Drei Jahre später waren die beiden selbst verheiratet, aus den Miami Latin Boys wurde die Miami Sound Machine, und es begann eine der größten musikalischen Cinderella-Märchen. Mit Hits wie "Dr. Beat", "Conga" oder "Turn The Beat Around" wurde Gloria Estefan zum gefeierten Cross-over-Star. Karibisches Temperament und Latinostolz meets amerikanisches Entertainment – das sind die Zutaten ihres Erfolges.

Und ein großes Herz. Jahrelang pflegte sie ihren an den Rollstuhl gefesselten Vater, ehe dieser 1982 an multipler Sklerose starb. Acht Jahre später landete sie dann selbst im Roll-stuhl - Verdacht auf Querschnittlähmung, als sie sich bei einem Unfall im Tourbus die Wirbelsäule brach.

Mit zäher Energie, unbändigem Willen und zwei zwanzig Zentimeter langen Titannägeln im Rücken kämpfte sich der kubanische Wirbelwind zurück ins Rampenlicht. Mit "Coming Out Of The Dark" feierte sie ein grandioses Comeback.

Und als sie 1995, entgegen aller ärztlichen Prognosen, ihr zweites Kind, Töchterchen Emily, zur Welt brachte, schien die Welt endlich in Ordnung. Für kurze Zeit war sie das auch, bis noch im selben Jahr vor ihren Augen und denen ihrer entsetzten Familie ein Jetski-Fahrer mit ihrer Yacht kollidierte und starb.

Viel Tragödie für eine Person – doch Gloria meint dazu: "Das Schicksal läßt keinen aus. Nur in meinem Fall wird alles immer gleich publik gemacht. Ich hätte auch enden können wie Christopher Reeve. Ich hatte Glück und bekam die Chance, von vorn anzufangen. Und damit auch die Chance einzusehen, daß vieles eben nicht selbstverständlich ist – daß man gehen kann, daß man sich alleine die Zähne putzen kann, allein ein Glas Wasser trinken kann – alles Dinge, über die man erst nachdenkt, wenn einem etwas Schlimmes widerfährt."

Was angesichts ihres feudalen Anwesens und des opulenten Lebensstils den Eindruck eines modernen Märchens erweckt, ist in Wahrheit das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit. Wie lange will sie noch so weitermachen? "Auf keinen Fall mehr mit diesem Pensum. Schließlich kann ich ja nicht ewig Conga tanzen. Und ich will ein Buch schreiben. Dafür brauche ich aber mindestens zehn Jahre. Es wird meine Autobiographie, aber bis es soweit ist, will ich noch einiges erlebt haben," so Gloria.

Zu diesen Erlebnissen wird dann vielleicht auch eine Schauspielkarriere gehören. Angebote aus Hollywood kommen nicht erst seit gestern ins Haus. "Ich hätte Evita spielen können, habe aber abgelehnt, weil ich die Rolle als viel zu groß und viel zu kontrovers empfand." Wird sie der Musik weiter treu bleiben? "Auf jeden Fall, auch wenn ich musikalisch eigentlich alles erreicht habe. Aber es bleibt immer noch genügend Platz, sich weiterzuentwickeln." Wie weit sie sich entwickelt hat, das wird das jüngste Album beweisen.

Oye sus cantos! – Hört ihre Lieder!

© All Rights reserved by GALA vom 23.04.1998

 

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