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Mephistopheles

wie oben.

Irrthum, laß los der Augen Band!

Und merkt euch wie der Teufel spaße.

Er verschwindet mit Faust, die Gesellen fahren aus einander.

Siebel.

Was gibt's?

Altmayer.

Wie?

Frosch.

War das deine Nase?

Brander

zu Siebel.

Und deine hab' ich in der Hand!

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Goethe: "Faust"

Altmayer.

Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder!

Schafft einen Stuhl, ich sinke nieder!

Frosch.

Nein, sagt mir nur, was ist geschehn?

Siebel.

Wo ist der Kerl? Wenn ich ihn spüre,

Er soll mir nicht lebendig gehn!

Altmayer.

Ich hab' ihn selbst hinaus zur Kellerthüre ---

Auf einem Fasse reiten sehn --- ---

Es liegt mir bleischwer in den Füßen.

Sich nach dem Tische wendend.

Mein! Sollte wohl der Wein noch fließen?

Siebel.

Betrug war alles, Lug und Schein.

Frosch.

Mir däuchte doch als tränk' ich Wein.

Brander.

Aber wie war es mit den Trauben?

Altmayer.

Nun sag' mir eins, man soll kein Wunder glauben!

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Goethe: "Faust"

Hexenküche.

Auf einem niedrigen Herde steht ein großer Kessel über dem Feuer. In dem Dampfe, der davon in die

Höhe steigt, zeigen sich verschiedene Gestalten. Eine Meerkatze sitzt bei dem Kessel und schäumt

ihn, und sorgt daß er nicht überläuft. Der Meerkater mit den Jungen sitzt darneben und wärmt sich.

Wände und Decke sind mit dem seltsamsten Hexenhausrath ausgeschmückt.

Faust. Mephistopheles.

Faust.

Mir widersteht das tolle Zauberwesen;

Versprichst du mir, ich soll genesen,

In diesem Wust von Raserei?

Verlang' ich Rath von einem alten Weibe?

Und schafft die Sudelköcherei

Wohl dreißig Jahre mir vom Leibe?

Weh mir, wenn du nichts Bessers weißt!

Schon ist die Hoffnung mir verschwunden.

Hat die Natur und hat ein edler Geist

Nicht irgend einen Balsam ausgefunden?

Mephistopheles.

Mein Freund, nun sprichst du wieder klug!

Dich zu verjüngen gibt's auch ein natürlich Mittel;

Allein es steht in einem andern Buch,

Und ist ein wunderlich Capitel.

Faust.

Ich will es wissen.

Mephistopheles.

Gut! Ein Mittel, ohne Geld

Und Arzt und Zauberei zu haben:

Begib dich gleich hinaus auf's Feld,

Fang' an zu hacken und zu graben,

Erhalte dich und deinen Sinn

In einem ganz beschränkten Kreise,

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Goethe: "Faust"

Ernähre dich mit ungemischter Speise,

Leb' mit dem Vieh als Vieh, und acht' es nicht für Raub,

Den Acker, den du erntest, selbst zu düngen;

Das ist das beste Mittel, glaub',

Auf achtzig Jahr dich zu verjüngen!

Faust.

Das bin ich nicht gewöhnt, ich kann mich nicht bequemen,

Den Spaten in die Hand zu nehmen.

Das enge Leben steht mir gar nicht an.

Mephistopheles.

So muß denn doch die Hexe dran.

Faust.

Warum denn just das alte Weib!

Kannst du den Trank nicht selber brauen?

Mephistopheles.

Das wär' ein schöner Zeitvertreib!

Ich wollt' indeß wohl tausend Brücken bauen.

Nicht Kunst und Wissenschaft allein,

Geduld will bei dem Werke sein.

Ein stiller Geist ist Jahre lang geschäftig;

Die Zeit nur macht die feine Gährung kräftig.

Und alles was dazu gehört

Es sind gar wunderbare Sachen!

Der Teufel hat sie's zwar gelehrt;

Allein der Teufel kann's nicht machen.

Die Thiere erblickend.

Sieh, welch ein zierliches Geschlecht!

Das ist die Magd! das ist der Knecht!

Zu den Thieren.

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Goethe: "Faust"

Es scheint, die Frau ist nicht zu Hause?

Die Thiere.

Bei'm Schmause,

Aus dem Haus

Zum Schornstein hinaus!

Mephistopheles.

Wie lange pflegt sie wohl zu schwärmen?

Die Thiere.

So lange wir uns die Pfoten wärmen.

Mephistopheles

zu Faust.

Wie findest du die zarten Thiere?

Faust.

So abgeschmackt als ich nur jemand sah!

Mephistopheles.

Nein, ein Discours wie dieser da

Ist g'rade der den ich am liebsten führe!

Zu den Thieren.

So sagt mir doch, verfluchte Puppen,

Was quirlt ihr in dem Brei herum?

Thiere.

Wir kochen breite Bettelsuppen.

Mephistopheles.

Da habt ihr ein groß Publicum.

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Goethe: "Faust"

Der Kater

macht sich herbei und schmeichelt dem Mephistopheles.

O würfle nur gleich,

Und mache mich reich,

Und laß mich gewinnen!

Gar schlecht ist's bestellt,

Und wär' ich bei Geld,

So wär' ich bei Sinnen.

Mephistopheles.

Wie glücklich würde sich der Affe schätzen,

Könnt' er nur auch in's Lotto setzen!

Indessen haben die jungen Meerkätzchen mit einer großen Kugel gespielt und rollen sie hervor.

Der Kater.

Das ist die Welt;

Sie steigt und fällt

Und rollt beständig;

Sie klingt wie Glas;

Wie bald bricht das!

Ist hohl inwendig.

Hier glänzt sie sehr,

Und hier noch mehr,

Ich bin lebendig!

Mein lieber Sohn,

Halt' dich davon!

Du mußt sterben!

Sie ist von Thon,

Es gibt Scherben.

Mephistopheles.

Was soll das Sieb?

Der Kater

holt es herunter.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (95 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Wärst du ein Dieb,

Wollt' ich dich gleich erkennen.

Er läuft zur Kätzin und läßt sie durchsehen.

Sieh durch das Sieb!

Erkennst du den Dieb,

Und darfst ihn nicht nennen?

Mephistopheles

sich dem Feuer nähernd.

Und dieser Topf?

Kater und Kätzin.

Der alberne Tropf!

Er kennt nicht den Topf,

Er kennt nicht den Kessel!

Mephistopheles.

Unhöfliches Thier!

Der Kater.

Den Wedel nimm hier,

Und setz' dich in Sessel!

Er nöthigt den Mephistopheles zu sitzen.

Faust

welcher diese Zeit über vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald genähert, bald sich von ihm

entfernt hat.

Was seh' ich? Welch ein himmlisch Bild

Zeigt sich in diesem Zauberspiegel!

O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flügel,

Und führe mich in ihr Gefild!

Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe,

Wenn ich es wage nah zu gehn,

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (96 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn! ---

Das schönste Bild von einem Weibe!

Ist's möglich, ist das Weib so schön?

Muß ich an diesem hingestreckten Leibe

Den Inbegriff von allen Himmeln sehn?

So etwas findet sich auf Erden?

Mephistopheles.

Natürlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt,

Und selbst am Ende bravo sagt,

Da muß es was Gescheidtes werden.

Für dießmal sieh dich immer satt;

Ich weiß dir so ein Schätzchen auszuspüren,

Und selig wer das gute Schicksal hat,

Als Bräutigam sie heim zu führen!

Faust sieht immerfort in den Spiegel. Mephistopheles,

sich in dem Sessel dehnend und mit dem Wedel spielend, fährt fort zu sprechen.

Hier sitz' ich wie der König auf dem Throne,

Den Zepter halt' ich hier, es fehlt nur noch die Krone.

Die Thiere

welche bisher allerlei wunderliche Bewegungen durch einander gemacht haben, bringen dem

Mephistopheles eine Krone mit großem Geschrei.

O sei doch so gut,

Mit Schweiß und mit Blut

Die Krone zu leimen!

Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwei Stücke mit welchen sie

herumspringen.

Nun ist es geschehn!

Wir reden und sehn,

Wir hören und reimen;

Faust

gegen den Spiegel.

Weh mir! ich werde schier verrückt.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (97 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Mephistopheles

auf die Thiere deutend.

Nun fängt mir an fast selbst der Kopf zu schwanken.

Die Thiere.

Und wenn es uns glückt,

Und wenn es sich schickt,

So sind es Gedanken!

Faust

wie oben.

Mein Busen fängt mir an zu brennen!

Entfernen wir uns nur geschwind!

Mephistopheles

in obiger Stellung.

Nun, wenigstens muß man bekennen,

Daß es aufrichtige Poeten sind.

Der Kessel, welchen die Kätzin bisher außer Acht gelassen, fängt an überzulaufen; es entsteht eine

große Flamme, welche zum Schornstein hinaus schlägt. Die Hexe kommt durch die Flamme mit

entsetzlichem Geschrei herunter gefahren.

Die Hexe.

Au! Au! Au! Au!

Verdammtes Thier! verfluchte Sau!

Versäumst den Kessel, versengst die Frau!

Verfluchtes Thier!

Faust und Mephistopheles erblickend.

Was ist das hier?

Wer seid ihr hier?

Was wollt ihr da?

Wer schlich sich ein?

Die Feuerpein

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (98 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Euch in's Gebein!

Sie fährt mit dem Schaumlöffel in den Kessel und spritzt Flammen nach Faust, Mephistopheles und

den Thieren. Die Thiere winseln.

Mephistopheles

welcher den Wedel, den er in der Hand hält, umkehrt, und unter die Gläser und Töpfe schlägt.

Entzwei! entzwei!

Da liegt der Brei!

Da liegt das Glas!

Es ist nur Spaß,

Der Tact, du Aas,

Zu deiner Melodei.

Indem die Hexe voll Grimm und Entsetzen zurücktritt.

Erkennst du mich? Gerippe! Scheusal du!

Erkennst du deinen Herrn und Meister?

Was hält mich ab, so schlag' ich zu,

Zerschmettre dich und deine Katzen-Geister!

Hast du vor'm rothen Wamms nicht mehr Respect?

Kannst du die Hahnenfeder nicht erkennen?

Hab' ich dieß Angesicht versteckt?

Soll ich mich etwa selber nennen?

Die Hexe.

O Herr, verzeiht den rohen Gruß!

Seh' ich doch keinen Pferdefuß.

Wo sind denn eure beiden Raben?

Mephistopheles.

Für dießmal kommst du so davon;

Denn freilich ist es eine Weile schon,

Daß wir uns nicht gesehen haben.

Auch die Cultur, die alle Welt beleckt,

Hat auf den Teufel sich erstreckt;

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (99 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen;

Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen?

Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann,

Der würde mir bei Leuten schaden;

Darum bedien' ich mich, wie mancher junge Mann,

Seit vielen Jahren falscher Waden.

Die Hexe

tanzend.

Sinn und Verstand verlier' ich schier,

Seh' ich den Junker Satan wieder hier!

Mephistopheles.

Den Namen, Weib, verbitt' ich mir!

Die Hexe.

Warum? Was hat er euch gethan?

Mephistopheles.

Er ist schon lang in's Fabelbuch geschrieben;

Allein die Menschen sind nichts besser dran,

Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben.

Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut;

Ich bin ein Cavalier, wie andre Cavaliere.

Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut;

Sieh her, das ist das Wappen, das ich führe!

Er macht eine unanständige Gebärde.

Die Hexe

lacht unmäßig.

Ha! Ha! Das ist in eurer Art!

Ihr seid ein Schelm, wie ihr nur immer wart!

Mephistopheles

zu Faust.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (100 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Mein Freund, das lerne wohl verstehn!

Dieß ist die Art mit Hexen umzugehn.

Die Hexe.

Nun sagt, ihr Herren, was ihr schafft.

Mephistopheles.

Ein gutes Glas von dem bekannten Saft,

Doch muß ich euch um's ält'ste bitten;

Die Jahre doppeln seine Kraft.

Die Hexe.

Gar gern! Hier hab' ich eine Flasche,

Aus der ich selbst zuweilen nasche,

Die auch nicht mehr im mind'sten stinkt;

Ich will euch gern ein Gläschen geben.

Leise.

Doch wenn es dieser Mann unvorbereitet trinkt,

So kann er, wißt ihr wohl, nicht eine Stunde leben.

Mephistopheles.

Es ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll;

Ich gönn' ihm gern das Beste deiner Küche.

Zieh deinen Kreis, sprich deine Sprüche,

Und gib ihm eine Tasse voll!

Die Hexe mit seltsamen Gebärden, zieht einen Kreis und stellt wunderbare Sachen hinein; indessen

fangen die Gläser an zu klingen, die Kessel zu tönen, und machen Musik. Zuletzt bringt sie ein großes

Buch, stellt die Meerkatzen in den Kreis, die ihr zum Pult dienen und die Fackel halten müssen. Sie

winkt Fausten, zu ihr zu treten.

Faust

zu Mephistopheles.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (101 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Nein, sage mir, was soll das werden?

Das tolle Zeug, die rasenden Gebärden,

Der abgeschmackteste Betrug,

Sind mir bekannt, verhaßt genug.

Mephistopheles.

Ei, Possen! Das ist nur zum Lachen;

Sei nur nicht ein so strenger Mann!

Sie muß als Arzt ein Hocuspocus machen,

Damit der Saft dir wohl gedeihen kann.

Er nöthigt Fausten in den Kreis zu treten.

Die Hexe

mit großer Emphase fängt an aus dem Buche zu declamiren.

Du mußt verstehn!

Aus Eins mach' Zehn,

Und Zwei laß gehn,

Und Drei mach' gleich,

So bist du reich.

Verlier' die Vier!

Aus Fünf und Sechs,

So sagt die Hex',

Mach' Sieben und Acht,

So ist's vollbracht:

Und Neun ist Eins,

Und Zehn ist keins.

Das ist das Hexen-Einmal-Eins!

Faust.

Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber.

Mephistopheles.

Das ist noch lange nicht vorüber,

Ich kenn' es wohl, so klingt das ganze Buch;

Ich habe manche Zeit damit verloren,

Denn ein vollkommner Widerspruch

Bleibt gleich geheimnißvoll für Kluge wie für Thoren.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (102 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Mein Freund, die Kunst ist alt und neu.

Es war die Art zu allen Zeiten,

Durch Drei und Eins, und Eins und Drei

Irrthum statt Wahrheit zu verbreiten.

So schwätzt und lehrt man ungestört;

Wer will sich mit den Narrn befassen?

Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,

Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.

Die Hexe

fährt fort.

Die hohe Kraft

Der Wissenschaft,

Der ganzen Welt verborgen!

Und wer nicht denkt,

Dem wird sie geschenkt,

Er hat sie ohne Sorgen.

Faust.

Was sagt sie uns für Unsinn vor?

Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.

Mich dünkt, ich hör' ein ganzes Chor

Von hunderttausend Narren sprechen.

Mephistopheles.

Genug, genug, o treffliche Sibylle!

Gib deinen Trank herbei, und fülle

Die Schale rasch bis an den Rand hinan;

Denn meinem Freund wird dieser Trunk nicht schaden:

Er ist ein Mann von vielen Graden,

Der manchen guten Schluck gethan.

Die Hexe mit vielen Ceremonien, schenkt den Trank in eine Schale; wie sie Faust an den Mund

bringt, entsteht eine leichte Flamme.

Mephistopheles.

Nur frisch hinunter! Immer zu!

Es wird dir gleich das Herz erfreuen.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (103 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Bist mit dem Teufel du und du,

Und willst dich vor der Flamme scheuen?

Die Hexe lös't den Kreis. Faust tritt heraus.

Mephistopheles.

Nun frisch hinaus! Du darfst nicht ruhn.

Die Hexe.

Mög' euch das Schlückchen wohl behagen!

Mephistopheles

zur Hexe.

Und kann ich dir was zu Gefallen thun,

So darfst du mir's nur auf Walpurgis sagen.

Die Hexe.

Hier ist ein Lied! wenn ihr's zuweilen singt,

So werdet ihr besondre Wirkung spüren.

Mephistopheles

zu Faust.

Komm nur geschwind und laß dich führen;

Du mußt nothwendig transpiriren,

Damit die Kraft durch Inn- und Äußres dringt.

Den edlen Müßiggang lehr' ich hernach dich schätzen,

Und bald empfindest du mit innigem Ergetzen,

Wie sich Cupido regt und hin und wieder springt.

Faust.

Laß mich nur schnell noch in den Spiegel schauen!

Das Frauenbild war gar zu schön!

Mephistopheles.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (104 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen

Nun bald leibhaftig vor dir sehn.

Leise.

Du siehst, mit diesem Trank im Leibe,

Bald Helenen in jedem Weibe.

Straße.

Faust. Margarete vorüber gehend.

Faust.

Mein schönes Fräulein, darf ich wagen,

Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?

Margarete.

Bin weder Fräulein, weder schön,

Kann ungeleitet nach Hause gehn.

Sie macht sich los und ab.

Faust.

Bei'm Himmel, dieses Kind ist schön!

So etwas hab' ich nie gesehn.

Sie ist so sitt- und tugendreich,

Und etwas schnippisch doch zugleich.

Der Lippe Roth, der Wange Licht,

Die Tage der Welt vergess' ich's nicht!

Wie sie die Augen niederschlägt,

Hat tief sich in mein Herz geprägt;

Wie sie kurz angebunden war,

Das ist nun zum Entzücken gar!

Mephistopheles tritt auf.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (105 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Faust.

Hör', du mußt mir die Dirne schaffen!

Mephistopheles.

Nun, welche?

Faust.

Sie ging just vorbei.

Mephistopheles.

Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen,

Der sprach sie aller Sünden frei;

Ich schlich mich hart am Stuhl vorbei,

Es ist ein gar unschuldig Ding,

Das eben für nichts zur Beichte ging;

Über die hab' ich keine Gewalt!

Faust.

Ist über vierzehn Jahr doch alt.

Mephistopheles.

Du sprichst ja wie Hans Liederlich,

Der begehrt jede liebe Blum' für sich,

Und dünkelt ihm es wär' kein' Ehr'

Und Gunst die nicht zu pflücken wär;

Geht aber doch nicht immer an.

Faust.

Mein Herr Magister Lobesan,

Laß Er mich mit dem Gesetz in Frieden!

Und das sag' ich Ihm kurz und gut,

Wenn nicht das süße junge Blut

Heut Nacht in meinen Armen ruht,

So sind wir um Mitternacht geschieden.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (106 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Mephistopheles.

Bedenkt was gehn und stehen mag!

Ich brauche wenigstens vierzehn Tag,

Nur die Gelegenheit auszuspüren.

Faust.

Hätt' ich nur sieben Stunden Ruh,

Brauchte den Teufel nicht dazu,

So ein Geschöpfchen zu verführen.

Mephistopheles.

Ihr sprecht schon fast wie ein Franzos;

Doch bitt' ich, laßt's euch nicht verdrießen:

Was hilft's nur g'rade zu genießen?

Die Freud' ist lange nicht so groß,

Als wenn ihr erst herauf, herum,

Durch allerlei Brimborium,

Das Püppchen geknetet und zugericht't,

Wie's lehret manche wälsche Geschicht'.

Faust.

Hab' Appetit auch ohne das.

Mephistopheles.

Jetzt ohne Schimpf und ohne Spaß.

Ich sag' euch, mit dem schönen Kind

Geht's ein- für allemal nicht geschwind.

Mit Sturm ist da nichts einzunehmen;

Wir müssen uns zur List bequemen.

Faust.

Schaff' mir etwas vom Engelsschatz!

Führ' mich an ihren Ruheplatz!

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (107 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Schaff' mir ein Halstuch von ihrer Brust,

Ein Strumpfband meiner Liebeslust!

Mephistopheles.

Damit ihr seht, daß ich eurer Pein

Will förderlich und dienstlich sein;

Wollen wir keinen Augenblick verlieren,

Will euch noch heut in ihr Zimmer führen.

Faust.

Und soll sie sehn? sie haben?

Mephistopheles.

Nein!

Sie wird bei einer Nachbarin sein.

Indessen könnt ihr ganz allein

An aller Hoffnung künft'ger Freuden

In ihrem Dunstkreis satt euch weiden.

Faust.

Können wir hin?

Mephistopheles.

Es ist noch zu früh.

Faust.

Sorg' du mir für ein Geschenk für sie.

Ab.

Mephistopheles.

Gleich schenken? Das ist brav! Da wird er reüssiren!

Ich kenne manchen schönen Platz

Und manchen alt vergrabnen Schatz;

Ich muß ein bißchen revidiren.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (108 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Ab.

Abend.

Ein kleines reinliches Zimmer.

Margarete ihre Zöpfe flechtend und aufbindend.

Margarete.

Ich gäb' was drum, wenn ich nur wüßt'

Wer heut der Herr gewesen ist!

Er sah gewiß recht wacker aus,

Und ist aus einem edlen Haus;

Das konnt' ich ihm an der Stirne lesen ---

Er wär' auch sonst nicht so keck gewesen.

Ab.

Mephistopheles. Faust.

Mephistopheles.

Herein, ganz leise, nur herein!

Faust

nach einigem Stillschweigen.

Ich bitte dich, laß mich allein!

Mephistopheles

herumspürend.

Nicht jedes Mädchen hält so rein.

Ab.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (109 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Faust

rings aufschauend.

Willkommen süßer Dämmerschein!

Der du dieß Heiligthum durchwebst.

Ergreif' mein Herz, du süße Liebespein!

Die du vom Thau der Hoffnung schmachtend lebst

Wie athmet rings Gefühl der Stille,

Der Ordnung, der Zufriedenheit!

In dieser Armuth welche Fülle!

In diesem Kerker welche Seligkeit!

Er wirft sich auf den ledernen Sessel am Bette.

O nimm mich auf! der du die Vorwelt schon

Bei Freud' und Schmerz im offnen Arm empfangen!

Wie oft, ach! hat an diesem Väter-Thron

Schon eine Schaar von Kindern rings gehangen!

Vielleicht hat, dankbar für den heil'gen Christ,

Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen,

Dem Ahnherrn fromm die welke Hand geküßt.

Ich fühl', o Mädchen, deinen Geist

Der Füll' und. Ordnung um mich säuseln,

Der mütterlich dich täglich unterweis't,

Den Teppich auf den Tisch dich reinlich breiten heißt,

Sogar den Sand zu deinen Füßen kräuseln.

O liebe Hand! so göttergleich!

Die Hütte wird durch dich ein Himmelreich.

Und hier!

Er hebt einen Bettvorhang auf.

Was faßt mich für ein Wonnegraus!

Hier möcht' ich volle Stunden säumen.

Natur! Hier bildetest in leichten Träumen

Den eingebornen Engel aus;

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Goethe: "Faust"

Hier lag das Kind! mit warmem Leben

Den zarten Busen angefüllt,

Und hier mit heilig reinem Weben

Entwirkte sich das Götterbild!

Und du! Was hat dich hergeführt?

Wie innig fühl' ich mich gerührt!

Was willst du hier? Was wird das Herz dir schwer?

Armsel'ger Faust! ich kenne dich nicht mehr.

Umgibt mich hier ein Zauberduft?

Mich drang's so g'rade zu genießen,

Und fühle mich in Liebestraum zerfließen!

Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?

Und träte sie den Augenblick herein,

Wie würdest du für deinen Frevel büßen!

Der große Hans, ach wie so klein!

Läg', hingeschmolzen, ihr zu Füßen.

Mephistopheles kommt.

Mephistopheles.

Geschwind! ich seh' sie unten kommen.

Faust.

Fort! Fort! Ich kehre nimmermehr!

Mephistopheles.

Hier ist ein Kästchen leidlich schwer,

Ich hab's wo anders hergenommen.

Stellt's hier nur immer in den Schrein,

Ich schwör' euch, ihr vergehn die Sinnen;

Ich that euch Sächelchen hinein,

Um eine andre zu gewinnen.

Zwar Kind ist Kind und Spiel ist Spiel.

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Goethe: "Faust"

Faust.

Ich weiß nicht soll ich?

Mephistopheles.

Fragt ihr viel?

Meint ihr vielleicht den Schatz zu wahren?

Dann rath' ich eurer Lüsternheit,

Die liebe schöne Tageszeit

Und mir die weitre Müh zu sparen.

Ich hoff' nicht daß ihr geizig seid!

Ich kratz' den Kopf, reib' an den Händen ---

Er stellt das Kästchen in den Schrein und drückt das Schloß wieder zu.

Nur fort! geschwind! ---

Um euch das süße junge Kind

 

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