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zu den Bürgermädchen.

Ei! wie geputzt! das schöne junge Blut!

Wer soll sich nicht in euch vergaffen? ---

Nur nicht so stolz! Es ist schon gut!

Und was ihr wünscht das wüßt' ich wohl zu schaffen.

Bürgermädchen.

Agathe fort! ich nehme mich in Acht

Mit solchen Hexen öffentlich zu gehen;

Sie ließ mich zwar, in Sanct Andreas Nacht,

Den künft'gen Liebsten leiblich sehen ---

Die Andre.

Mir zeigte sie ihn im Krystall,

Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen;

Ich seh' mich um, ich such' ihn überall,

Allein mir will er nicht begegnen.

Soldaten.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (31 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Burgen mit hohen

Mauern und Zinnen,

Mädchen mit stolzen

Höhnenden Sinnen

Möcht' ich gewinnen!

Kühn ist das Mühen,

Herrlich der Lohn!

Und die Trompete

Lassen wir werben,

Wie zu der Freude,

So zum Verderben.

Das ist ein Stürmen!

Das ist ein Leben!

Mädchen und Burgen

Müssen sich geben.

Kühn ist das Mühen,

Herrlich der Lohn!

Und die Soldaten

Ziehen davon.

Faust und Wagner.

Faust.

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche

Durch des Frühlings holden belebenden Blick;

Im Thale grünet Hoffnungs-Glück;

Der alte Winter, in seiner Schwäche,

Zog sich in rauhe Berge zurück.

Von dorther sendet er, fliehend, nur

Ohnmächtige Schauer körnigen Eises

In Streifen über die grünende Flur;

Aber die Sonne duldet kein Weißes,

Überall regt sich Bildung und Streben,

Alles will sie mit Farben beleben;

Doch an Blumen fehlt's im Revier,

Sie nimmt geputzte Menschen dafür.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (32 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Kehre dich um, von diesen Höhen

Nach der Stadt zurück zu sehen.

Aus dem hohlen finstern Thor

Dringt ein buntes Gewimmel hervor.

Jeder sonnt sich heute so gern.

Sie feiern die Auferstehung des Herrn,

Denn sie sind selber auferstanden,

Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,

Aus Handwerks- und Gewerbes-Banden,

Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,

Aus der Straßen quetschender Enge,

Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht

Sind sie alle an's Licht gebracht.

Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge

Durch die Gärten und Felder zerschlägt,

Wie der Fluß, in Breit' und Länge,

So manchen lustigen Nachen bewegt,

Und bis zum Sinken überladen

Entfernt sich dieser letzte Kahn.

Selbst von des Berges fernen Pfaden

Blinken uns farbige Kleider an.

Ich höre schon des Dorfs Getümmel,

Hier ist des Volkes wahrer Himmel,

Zufrieden jauchzet Groß und Klein:

Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!

Wagner.

Mit euch, Herr Doctor, zu spazieren

Ist ehrenvoll und ist Gewinn;

Doch würd' ich nicht allein mich her verlieren,

Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.

Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben,

Ist mir ein gar verhaßter Klang;

Sie toben wie vom bösen Geist getrieben

Und nennen's Freude, nennen's Gesang.

Bauern

unter der Linde.

Tanz und Gesang.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (33 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Der Schäfer putzte sich zum Tanz,

Mit bunter Jacke, Band und Kranz,

Schmuck war er angezogen.

Schon um die Linde war es voll;

Und alles tanzte schon wie toll.

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He!

So ging der Fiedelbogen.

Er drückte hastig sich heran,

Da stieß er an ein Mädchen an

Mit seinem Ellenbogen;

Die frische Dirne kehrt' sich um

Und sagte: nun das find' ich dumm!

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa!! Heisa! He!

Seid nicht so ungezogen.

Doch hurtig in dem Kreise ging's,

Sie tanzten rechts, sie tanzten links

Und alle Röcke flogen.

Sie wurden roth, sie wurden warm

Und ruhten athmend Arm in Arm,

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He!

Und Hüft' an Ellenbogen.

Und thu' mir doch nicht so vertraut!

Wie mancher hat nicht seine Braut

Belogen und betrogen!

Er schmeichelte sie doch bei Seit'

Und von der Linde scholl es weit:

Juchhe! Juchhe!

Juchheisa! Heisa! He!

Geschrei und Fiedelbogen.

Alter Bauer.

Herr Doctor, das ist schön von euch,

Daß ihr uns heute nicht verschmäht,

Und unter dieses Volksgedräng',

Als ein so Hochgelahrter, geht.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (34 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

So nehmet auch den schönsten Krug,

Den wir mit frischem Trunk gefüllt,

Ich bring' ihn zu und wünsche laut,

Daß er nicht nur den Durst euch stillt;

Die Zahl der Tropfen, die er hegt,

Sei euren Tagen zugelegt.

Faust.

Ich nehme den Erquickungs-Trank,

Erwidr' euch allen Heil und Dank.

Das Volk sammelt sich im Kreis umher.

Alter Bauer.

Fürwahr es ist sehr wohl gethan,

Daß ihr am frohen Tag erscheint;

Habt ihr es vormals doch mit uns

An bösen Tagen gut gemeint!

Gar mancher steht lebendig hier,

Den euer Vater noch zuletzt

Der heißen Fieberwuth entriß,

Als er der Seuche Ziel gesetzt.

Auch damals ihr, ein junger Mann,

Ihr gingt in jedes Krankenhaus,

Gar manche Leiche trug man fort,

Ihr aber kamt gesund heraus;

Bestandet manche harte Proben;

Dem Helfer half der Helfer droben.

Alle.

Gesundheit dem bewährten Mann,

Daß er noch lange helfen kann!

Faust.

Vor jenem droben steht gebückt,

Der helfen lehrt und Hülfe schickt.

Er geht mit Wagnern weiter.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (35 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Wagner.

Welch ein Gefühl mußt du, o großer Mann,

Bei der Verehrung dieser Menge haben!

O glücklich, wer von seinen Gaben

Solch einen Vortheil ziehen kann!

Der Vater zeigt dich seinem Knaben,

Ein jeder fragt und drängt und eilt,

Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.

Du gehst, in Reihen stehen sie,

Die Mützen fliegen in die Höh:

Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,

Als käm' das Venerabile.

Faust.

Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,

Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.

Hier saß ich oft gedankenvoll allein

Und quälte mich mit Beten und mit Fasten.

An Hoffnung reich, im Glauben fest,

Mit Thränen, Seufzen, Händeringen

Dacht' ich das Ende jener Pest

Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.

Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn.

O könntest du in meinem Innern lesen,

Wie wenig Vater und Sohn

Solch eines Ruhmes werth gewesen!

Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,

Der über die Natur und ihre heil'gen Kreise,

In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,

Mit grillenhafter Mühe sann.

Der, in Gesellschaft von Adepten,

Sich in die schwarze Küche schloß,

Und, nach unendlichen Recepten,

Das Widrige zusammengoß.

Da ward ein rother Leu, ein kühner Freier,

Im lauen Bad der Lilie vermählt

Und beide dann mit offnem Flammenfeuer

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (36 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Aus einem Brautgemach in's andere gequält.

Erschien darauf mit bunten Farben

Die junge Königin im Glas,

Hier war die Arzenei, die Patienten starben,

Und niemand fragte: wer genas?

So haben wir mit höllischen Latwergen

In diesen Thälern, diesen Bergen,

Weit schlimmer als die Pest getobt.

Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben,

Sie welkten hin, ich muß erleben

Daß man die frechen Mörder lobt.

Wagner.

Wie könnt ihr euch darum betrüben!

Thut nicht ein braver Mann genug,

Die Kunst, die man ihm übertrug,

Gewissenhaft und pünctlich auszuüben?

Wenn du, als Jüngling, deinen Vater ehrst,

So wirst du gern von ihm empfangen;

Wenn du, als Mann, die Wissenschaft vermehrst,

So kann dein Sohn zu höhrem Ziel gelangen.

Faust.

O glücklich, wer noch hoffen kann

Aus diesem Meer des Irrthums aufzutauchen!

Was man nicht weiß das eben brauchte man,

Und was man weiß kann man nicht brauchen.

Doch laß uns dieser Stunde schönes Gut

Durch solchen Trübsinn nicht verkümmern!

Betrachte wie in Abendsonne-Gluth

Die grünumgebnen Hütten schimmern.

Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,

Dort eilt sie hin und fördert neues Leben.

O daß kein Flügel mich vom Boden hebt,

Ihr nach und immer nach zu streben!

Ich säh' im ewigen Abendstrahl

Die stille Welt zu meinen Füßen,

Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Thal,

Den Silberbach in goldne Ströme fließen.

Nicht hemmte dann den göttergleichen Lauf

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (37 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten;

Schon thut das Meer sich mit erwärmten Buchten

Vor den erstaunten Augen auf.

Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken;

Allein der neue Trieb erwacht,

Ich eile fort ihr ew'ges Licht zu trinken,

Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht,

Den Himmel über mir und unter mir die Wellen.

Ein schöner Traum, indessen sie entweicht.

Ach! zu des Geistes Flügeln wird so leicht

Kein körperlicher Flügel sich gesellen.

Doch ist es jedem eingeboren,

Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,

Wenn über uns, im blauen Raum verloren,

Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;

Wenn über schroffen Fichtenhöhen

Der Adler ausgebreitet schwebt,

Und über Flächen, über Seen,

Der Kranich nach der Heimath strebt.

Wagner.

Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,

Doch solchen Trieb hab' ich noch nie empfunden.

Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt,

Des Vogels Fittig werd' ich nie beneiden.

Wie anders tragen uns die Geistesfreuden,

Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!

Da werden Winternächte hold und schön,

Ein selig Leben wärmet alle Glieder,

Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen,

So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.

Faust.

Du bist dir nur des einen Triebs bewußt;

O lerne nie den andern kennen!

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,

Die eine will sich von der andern trennen;

Die eine hält, in derber Liebeslust,

Sich an die Welt mit klammernden Organen;

Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust

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Goethe: "Faust"

Zu den Gefilden hoher Ahnen.

O gibt es Geister in der Luft,

Die zwischen Erd' und Himmel herrschend weben,

So steiget nieder aus dem goldnen Duft

Und führt mich weg, zu neuem buntem Leben!

Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein!

Und trüg' er mich in fremde Länder,

Mir sollt' er um die köstlichsten Gewänder,

Nicht feil um einen Königsmantel sein.

Wagner.

Berufe nicht die wohlbekannte Schaar,

Die strömend sich im Dunstkreis überbreitet,

Dem Menschen tausendfältige Gefahr,

Von allen Enden her, bereitet.

Von Norden dringt der scharfe Geisterzahn

Auf dich herbei, mit pfeilgespitzten Zungen;

Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran,

Und nähren sich von deinen Lungen;

Wenn sie der Mittag aus der Wüste schickt,

Die Gluth auf Gluth um deinen Scheitel häufen,

So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt,

Um dich und Feld und Aue zu ersäufen.

Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt,

Gehorchen gern, weil sie uns gern betrügen,

Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt,

Und lispeln englisch, wenn sie lügen.

Doch gehen wir! Ergraut ist schon die Welt,

Die Luft gekühlt, der Nebel fällt!

Am Abend schätzt man erst das Haus. ---

Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?

Was kann dich in der Dämmrung so ergreifen?

Faust.

Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?

Wagner.

Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (39 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Faust.

Betracht' ihn recht! Für was hältst du das Thier?

Wagner.

Für einen Pudel, der auf seine Weise

Sich auf der Spur des Herren plagt.

Faust.

Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise

Er um uns her und immer näher jagt?

Und irr' ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel

Auf seinen Pfaden hinterdrein.

Wagner.

Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel;

Es mag bei euch wohl Augentäuschung sein.

Faust.

Mir scheint es, daß er magisch leise Schlingen

Zu künft'gem Band um unsre Füße zieht.

Wagner.

Ich seh' ihn ungewiß und furchtsam uns umspringen,

Weil er, statt seines Herrn, zwei Unbekannte sieht.

Faust.

Der Kreis wird eng, schon ist er nah!

Wagner.

Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.

Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch,

Er wedelt. Alles Hunde Brauch.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (40 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Faust.

Geselle dich zu uns! Komm hier!

Wagner.

Es ist ein pudelnärrisch Thier.

Du stehest still, er wartet auf;

Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;

Verliere was, er wird es bringen,

Nach deinem Stock in's Wasser springen.

Faust.

Du hast wohl Recht; ich finde nicht die Spur

Von einem Geist, und alles ist Dressur.

Wagner.

Dem Hunde, wenn er gut gezogen,

Wird selbst ein weiser Mann gewogen.

Ja deine Gunst verdient er ganz und gar,

Er der Studenten trefflicher Scolar.

Sie gehen in das Stadt-Thor.

Studirzimmer.

Faust mit dem Pudel hereintretend.

Faust.

Verlassen hab' ich Feld und Auen,

Die eine tiefe Nacht bedeckt,

Mit ahnungsvollem heil'gem Grauen

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (41 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

In uns die bess're Seele weckt.

Entschlafen sind nun wilde Triebe,

Mit jedem ungestümen Thun;

Es reget sich die Menschenliebe,

Die Liebe Gottes regt sich nun.

Sei ruhig Pudel! renne nicht hin und wieder!

An der Schwelle was schnoperst du hier?

Lege dich hinter den Ofen nieder,

Mein bestes Kissen geb' ich dir.

Wie du draußen auf dem bergigen Wege

Durch Rennen und Springen ergetzt uns hast,

So nimm nun auch von mir die Pflege,

Als ein willkommner stiller Gast.

Ach wenn in unsrer engen Zelle

Die Lampe freundlich wieder brennt,

Dann wird's in unserm Busen helle,

Im Herzen, das sich selber kennt.

Vernunft fängt wieder an zu sprechen,

Und Hoffnung wieder an zu blühn;

Man sehnt sich nach des Lebens Bächen,

Ach! nach des Lebens Quelle hin.

Knurre nicht Pudel! Zu den heiligen Tönen,

Die jetzt meine ganze Seel' umfassen,

Will der thierische Laut nicht passen.

Wir sind gewohnt, daß die Menschen verhöhnen

Was sie nicht verstehn,

Daß sie vor dem Guten und Schönen,

Das ihnen oft beschwerlich ist, murren;

Will es der Hund, wie sie, beknurren?

Aber ach! schon fühl' ich, bei dem besten Willen,

Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.

Aber warum muß der Strom so bald versiegen,

Und wir wieder im Durste liegen?

Davon hab' ich so viel Erfahrung.

Doch dieser Mangel läßt sich ersetzen,

Wir lernen das Überirdische schätzen,

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (42 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Wir sehnen uns nach Offenbarung,

Die nirgends würd'ger und schöner brennt,

Als in dem neuen Testament.

Mich drängt's den Grundtext aufzuschlagen,

Mit redlichem Gefühl einmal

Das heilige Original

In mein geliebtes Deutsch zu übertragen.

Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an.

Geschrieben steht: "im Anfang war das Wort!"

Hier stock' ich schon! Wer hilft mir weiter fort?

Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,

Ich muß es anders übersetzen,

Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.

Geschrieben steht: im Anfang war der Sinn.

Bedenke wohl die erste Zeile,

Daß deine Feder sich nicht übereile!

Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?

Es sollte stehn: im Anfang war die Kraft!

Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,

Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe.

Mir hilft der Geist! Auf einmal seh' ich Rath

Und schreibe getrost: im Anfang war die That!

Soll ich mit dir das Zimmer theilen,

Pudel, so laß das Heulen,

So laß das Bellen!

Solch einen störenden Gesellen

Mag ich nicht in der Nähe leiden.

Einer von uns beiden

Muß die Zelle meiden.

Ungern heb' ich das Gastrecht auf,

Die Thür ist offen, hast freien Lauf.

Aber was muß ich sehen!

Kann das natürlich geschehen?

Ist es Schatten? ist's Wirklichkeit?

Wie wird mein Pudel lang und breit!

Er hebt sich mit Gewalt,

Das ist nicht eines Hundes Gestalt!

Welch ein Gespenst bracht' ich in's Haus!

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (43 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Schon sieht er wie ein Nilpferd aus,

Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebiß.

O! du bist mir gewiß!

Für solche halbe Höllenbrut

Ist Salomonis Schlüssel gut.

Geister

auf dem Gange.

Drinnen gefangen ist einer!

Bleibet haußen, folg' ihm keiner!

Wie im Eisen der Fuchs

Zagt ein alter Höllenluchs.

Aber gebt Acht!

Schwebet hin, schwebet wieder,

Auf und nieder,

Und er hat sich losgemacht.

Könnt ihr ihm nützen,

Laßt ihn nicht sitzen!

Denn er that uns allen

Schon viel zu Gefallen.

Faust.

Erst zu begegnen dem Thiere,

Brauch' ich den Spruch der Viere:

Salamander soll glühen,

Undene sich winden,

Sylphe verschwinden,

Kobold sich mühen.

Wer sie nicht kennte

Die Elemente,

Ihre Kraft

Und Eigenschaft,

Wäre kein Meister

Über die Geister.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (44 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Verschwind' in Flammen

Salamander!

Rauschend fließe zusammen

Undene!

Leucht' in Meteoren-Schöne

Sylphe!

Bring' häusliche Hülfe

Incubus! incubus!

Tritt hervor und mache den Schluß.

Keines der Viere

Steckt in dem Thiere.

Es liegt ganz ruhig und grins't mich an;

Ich hab' ihm noch nicht weh gethan.

Du sollst mich hören

Stärker beschwören.

Bist du Geselle

Ein Flüchtling der Hölle?

So sieh dieß Zeichen!

Dem sie sich beugen

Die schwarzen Schaaren.

Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren.

Verworfnes Wesen!

Kannst du ihn lesen?

Den nie Entspross'nen,

Unausgesprochnen,

Durch alle Himmel Gegoss'nen,

Freventlich Durchstochnen?

Hinter den Ofen gebannt

Schwillt es wie ein Elephant,

Den ganzen Raum füllt es an,

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (45 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Es will zum Nebel zerfließen.

Steige nicht zur Decke hinan!

Lege dich zu des Meisters Füßen!

Du siehst daß ich nicht vergebens drohe.

Ich versenge dich mit heiliger Lohe!

Erwarte nicht

Das dreimal glühende Licht!

Erwarte nicht

Die stärkste von meinen Künsten!

Mephistopheles tritt, indem der Nebel fällt, gekleidet wie ein fahrender Scholasticus, hinter dem Ofen

hervor.

Mephistopheles.

Wozu der Lärm? was steht dem Herrn zu Diensten?

Faust.

Das also war des Pudels Kern!

Ein fahrender Scolast? Der Casus macht mich lachen.

Mephistopheles.

Ich salutire den gelehrten Herrn!

Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.

Faust.

Wie nennst du dich?

Mephistopheles.

Die Frage scheint mir klein

Für einen der das Wort so sehr verachtet,

Der, weit entfernt von allem Schein,

Nur in der Wesen Tiefe trachtet.

Faust.

Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (46 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Gewöhnlich aus dem Namen lesen,

Wo es sich allzudeutlich weis't,

Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt.

Nun gut, wer bist du denn?

Mephistopheles.

Ein Theil von jener Kraft,

Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.

Faust.

Was ist mit diesem Räthselwort gemeint?

Mephistopheles.

Ich bin der Geist der stets verneint!

Und das mit Recht; denn alles was entsteht

Ist werth daß es zu Grunde geht;

Drum besser wär's daß nichts entstünde.

So ist denn alles was ihr Sünde,

Zerstörung, kurz das Böse nennt,

Mein eigentliches Element.

Faust.

Du nennst dich einen Theil, und stehst doch ganz vor mir?

Mephistopheles.

Bescheidne Wahrheit sprech' ich dir.

Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt,

Gewöhnlich für ein Ganzes hält;

Ich bin ein Theil des Theils, der Anfangs alles war,

Ein Theil der Finsterniß, die sich das Licht gebar,

Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht

Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,

Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt,

Verhaftet an den Körpern klebt.

Von Körpern strömt's, die Körper macht es schön,

Ein Körper hemmt's auf seinem Gange,

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (47 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

So, hoff' ich, dauert es nicht lange

Und mit den Körpern wird's zu Grunde gehn.

Faust.

Nun kenn' ich deine würd'gen Pflichten!

Du kannst im Großen nichts vernichten

Und fängst es nun im Kleinen an.

Mephistopheles.

Und freilich ist nicht viel damit gethan.

Was sich dem Nichts entgegenstellt,

Das Etwas, diese plumpe Welt,

So viel als ich schon unternommen,

Ich wußte nicht ihr beizukommen,

Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand,

Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!

Und dem verdammten Zeug, der Thier- und Menschenbrut,

Dem ist nun gar nichts anzuhaben.

Wie viele hab' ich schon begraben!

Und immer circulirt ein neues frisches Blut.

So geht es fort, man möchte rasend werden!

Der Luft, dem Wasser, wie der Erden

Entwinden tausend Keime sich,

Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!

Hätt' ich mir nicht die Flamme vorbehalten,

Ich hätte nichts Aparts für mich.

Faust.

So setzest du der ewig regen,

Der heilsam schaffenden Gewalt

Die kalte Teufelsfaust entgegen,

Die sich vergebens tückisch ballt!

Was Anders suche zu beginnen

Des Chaos wunderlicher Sohn!

Mephistopheles.

Wir wollen wirklich uns besinnen,

Die nächstenmale mehr davon!

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (48 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Dürft' ich wohl dießmal mich entfernen?

Faust.

Ich sehe nicht warum du fragst.

Ich habe jetzt dich kennen lernen,

Besuche nun mich wie du magst.

Hier ist das Fenster, hier die Thüre,

Ein Rauchfang ist dir auch gewiß.

Mephistopheles.

Gesteh' ich's nur! Daß ich hinausspaziere

Verbietet mir ein kleines Hinderniß,

Der Drudenfuß auf eurer Schwelle ---

Faust.

Das Pentagramma macht dir Pein?

Ei sage mir, du Sohn der Hölle,

Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?

Wie ward ein solcher Geist betrogen?

Mephistopheles.

Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen;

Der eine Winkel, der nach außen zu,

Ist, wie du siehst, ein wenig offen.

Faust.

Das hat der Zufall gut getroffen!

Und mein Gefangner wärst denn du?

Das ist von ungefähr gelungen!

Mephistopheles.

Der Pudel merkte nichts als er hereingesprungen,

Die Sache sieht jetzt anders aus;

Der Teufel kann nicht aus dem Haus.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (49 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Faust.

Doch warum gehst du nicht durch's Fenster?

Mephistopheles.

's ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster:

Wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus.

Das Erste steht uns frei, bei'm Zweiten sind wir Knechte.

Faust.

Die Hölle selbst hat ihre Rechte?

Das find' ich gut, da ließe sich ein Pact,

Und sicher wohl, mit euch ihr Herren schließen?

Mephistopheles.

Was man verspricht, das sollst du rein genießen,

Dir wird davon nichts abgezwackt.

Doch das ist nicht so kurz zu fassen,

Und wir besprechen das zunächst;

Doch jetzo bitt' ich, hoch und höchst,

Für diesesmal mich zu entlassen.

Faust.

So bleibe doch noch einen Augenblick,

Um mir erst gute Mähr' zu sagen.

Mephistopheles.

Jetzt laß mich los! ich komme bald zurück;

Dann magst du nach Belieben fragen.

Faust.

Ich habe dir nicht nachgestellt,

Bist du doch selbst in's Garn gegangen.

Den Teufel halte wer ihn hält!

Er wird ihn nicht sobald zum zweitenmale fangen.

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Goethe: "Faust"

Mephistopheles.

Wenn dir's beliebt, so bin ich auch bereit

Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben;

Doch mit Bedingniß, dir die Zeit,

Durch meine Künste, würdig zu vertreiben.

Faust.

Ich seh' es gern, das steht dir frei;

Nur daß die Kunst gefällig sei!

Mephistopheles.

Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen,

In dieser Stunde mehr gewinnen,

Als in des Jahres Einerlei.

Was dir die zarten Geister singen,

Die schönen Bilder, die sie bringen,

Sind nicht ein leeres Zauberspiel.

Auch dein Geruch wird sich ergetzen,

Dann wirst du deinen Gaumen letzen,

Und dann entzückt sich dein Gefühl.

Bereitung braucht es nicht voran,

Beisammen sind wir, fanget an!

Geister.

Schwindet, ihr dunkeln

Wölbungen droben!

Reizender schaue

Freundlich der blaue

Äther herein!

Wären die dunkeln

Wolken zerronnen!

Sternelein funkeln,

Mildere Sonnen

Scheinen darein.

Himmlischer Söhne

Geistige Schöne,

Schwankende Beugung

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (51 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Schwebet vorüber.

Sehnende Neigung

Folget hinüber;

Und der Gewänder

Flatternde Bänder

Decken die Länder,

Decken die Laube,

Wo sich für's Leben,

Tief in Gedanken,

Liebende geben.

Laube bei Laube!

Sprossende Ranken!

Lastende Traube

Stürzt in's Behälter

Drängender Kelter,

Stürzen in Bächen

Schäumende Weine,

Rieseln durch reine

Edle Gesteine,

Lassen die Höhen

Hinter sich liegen,

Breiten zu Seen

Sich um's Genügen

Grünender Hügel.

Und das Geflügel

Schlürfet sich Wonne,

Flieget der Sonne,

Flieget den hellen

Inseln entgegen,

Die sich auf Wellen

Gauklend bewegen;

Wo wir in Chören

Jauchzende hören,

Über den Auen

Tanzende schauen,

Die sich im Freien

Alle zerstreuen.

Einige klimmen

Über die Höhen,

Andere schwimmen

Über die Seen,

Andere schweben;

Alle zum Leben,

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Goethe: "Faust"

Alle zur Ferne

Liebender Sterne,

Seliger Huld.

Mephistopheles.

Er schläft! So recht, ihr luft'gen zarten Jungen!

Ihr habt ihn treulich eingesungen!

Für dieß Concert bin ich in eurer Schuld.

Du bist noch nicht der Mann den Teufel fest zu halten!

Umgaukelt ihn mit süßen Traumgestalten,

Versenkt ihn in ein Meer des Wahns;

Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten

Bedarf ich eines Rattenzahns.

Nicht lange brauch' ich zu beschwören,

Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich hören.

Der Herr der Ratten und der Mäuse,

Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse,

Befiehlt dir dich hervor zu wagen

Und diese Schwelle zu benagen,

So wie er sie mit Öl betupft ---

Da kommst du schon hervorgehupft!

Nur frisch an's Werk! Die Spitze, die mich bannte,

Sie sitzt ganz vornen an der Kante.

Noch einen Biß, so ist's geschehn. ---

Nun, Fauste, träume fort, bis wir uns wiedersehn.

Faust

erwachend.

Bin ich denn abermals betrogen?

Verschwindet so der geisterreiche Drang,

Daß mir ein Traum den Teufel vorgelogen,

Und daß ein Pudel mir entsprang?

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Goethe: "Faust"

Studirzimmer.

Faust. Mephistopheles.

Faust.

Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?

Mephistopheles.

Ich bin's.

Faust.

Herein!

Mephistopheles.

Du mußt es dreimal sagen.

Faust.

Herein denn!

Mephistopheles.

So gefällst du mir.

Wir werden, hoff' ich, uns vertragen!

Denn dir die Grillen zu verjagen

Bin ich, als edler Junker, hier,

In rothem goldverbrämtem Kleide,

Das Mäntelchen von starrer Seide,

Die Hahnenfeder auf dem Hut,

Mit einem langen spitzen Degen,

Und rathe nun dir, kurz und gut,

Dergleichen gleichfalls anzulegen;

Damit du, losgebunden, frei,

Erfahrest was das Leben sei.

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Goethe: "Faust"

Faust.

In jedem Kleide werd' ich wohl die Pein

Des engen Erdelebens fühlen.

Ich bin zu alt, um nur zu spielen,

Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.

Was kann die Welt mir wohl gewähren?

Entbehren sollst du! sollst entbehren!

Das ist der ewige Gesang,

Der jedem an die Ohren klingt,

Den, unser ganzes Leben lang,

Uns heiser jede Stunde singt.

Nur mit Entsetzen wach' ich Morgens auf,

Ich möchte bittre Thränen weinen,

Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf

Nicht Einen Wunsch erfüllen wird, nicht Einen,

Der selbst die Ahnung jeder Lust

Mit eigensinnigem Krittel mindert,

Die Schöpfung meiner regen Brust

Mit tausend Lebensfratzen hindert.

Auch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,

Mich ängstlich auf das Lager strecken;

Auch da wird keine Rast geschenkt,

Mich werden wilde Träume schrecken.

Der Gott, der mir im Busen wohnt,

Kann tief mein Innerstes erregen;

Der über allen meinen Kräften thront,

Er kann nach außen nichts bewegen;

Und so ist mir das Dasein eine Last,

Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.

Mephistopheles.

Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.

Faust.

O selig der, dem er im Siegesglanze

Die blut'gen Lorbeern um die Schläfe windet,

Den er, nach rasch durchras'tem Tanze,

In eines Mädchens Armen findet!

O wär' ich vor des hohen Geistes Kraft

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Goethe: "Faust"

Entzückt, entseelt dahin gesunken!

Mephistopheles.

Und doch hat jemand einen braunen Saft,

In jener Nacht, nicht ausgetrunken.

Faust.

Das Spioniren, scheint's, ist deine Lust.

Mephistopheles.

Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.

Faust.

Wenn aus dem schrecklichen Gewühle

Ein süß bekannter Ton mich zog,

Den Rest von kindlichem Gefühle

Mit Anklang froher Zeit betrog;

So fluch' ich allem was die Seele

Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,

Und sie in diese Trauerhöhle

Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt!

Verflucht voraus die hohe Meinung,

Womit der Geist sich selbst umfängt!

Verflucht das Blenden der Erscheinung,

Die sich an unsre Sinne drängt!

Verflucht was uns in Träumen heuchelt,

Des Ruhms, der Namensdauer Trug!

Verflucht was als Besitz uns schmeichelt,

Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!

Verflucht sei Mammon, wenn mit Schätzen

Er uns zu kühnen Thaten regt,

Wenn er zu müßigem Ergetzen

Die Polster uns zurechte legt!

Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben!

Fluch jener höchsten Liebeshuld!

Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben,

Und Fluch vor allen der Geduld!

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Goethe: "Faust"

Geister-Chor

unsichtbar.

Weh! weh!

Du hast sie zerstört,

Die schöne Welt,

Mit mächtiger Faust;

Sie stürzt, sie zerfällt!

Ein Halbgott hat sie zerschlagen!

Wir tragen

Die Trümmern in's Nichts hinüber,

Und klagen

Über die verlorne Schöne.

Mächtiger

Der Erdensöhne,

Prächtiger

Baue sie wieder,

In deinem Busen baue sie auf!

Neuen Lebenslauf

Beginne,

Mit hellem Sinne,

Und neue Lieder

Tönen darauf!

Mephistopheles.

Dieß sind die kleinen

Von den Meinen.

Höre, wie zu Lust und Thaten

Altklug sie rathen!

In die Welt weit,

Aus der Einsamkeit,

Wo Sinnen und Säfte stocken,

Wollen sie dich locken.

[Mephistopheles.]

Hör' auf mit deinem Gram zu spielen,

Der, wie ein Geier, dir am Leben frißt;

Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen,

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Goethe: "Faust"

Daß du ein Mensch mit Menschen bist.

Doch so ist's nicht gemeint

Dich unter das Pack zu stoßen.

Ich bin keiner von den Großen;

Doch willst du, mit mir vereint,

Deine Schritte durch's Leben nehmen,

So will ich mich gern bequemen

Dein zu sein, auf der Stelle.

Ich bin dein Geselle

Und, mach' ich dir's recht,

Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!

Faust.

Und was soll ich dagegen dir erfüllen?

Mephistopheles.

Dazu hast du noch eine lange Frist.

Faust.

Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist

Und thut nicht leicht um Gottes Willen

Was einem andern nützlich ist.

Sprich die Bedingung deutlich aus;

Ein solcher Diener bringt Gefahr in's Haus.

Mephistopheles.

Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,

Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;

Wenn wir uns drüben wieder finden,

So sollst du mir das Gleiche thun.

Faust.

Das Drüben kann mich wenig kümmern;

Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern,

Die andre mag darnach entstehn.

Aus dieser Erde quillen meine Freuden,

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Goethe: "Faust"

Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;

Kann ich mich erst von ihnen scheiden,

Dann mag was will und kann geschehn.

Davon will ich nichts weiter hören,

Ob man auch künftig haßt und liebt,

Und ob es auch in jenen Sphären

Ein Oben oder Unten gibt.

Mephistopheles.

In diesem Sinne kannst du's wagen.

Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,

Mit Freuden meine Künste sehn,

Ich gebe dir was noch kein Mensch gesehn.

Faust.

Was willst du armer Teufel geben?

Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,

Von Deinesgleichen je gefaßt?

Doch hast du Speise die nicht sättigt, hast

Du rothes Gold, das ohne Rast,

Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,

Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt,

Ein Mädchen, das an meiner Brust

Mit Äugeln schon dem Nachbar sich verbindet,

Der Ehre schöne Götterlust,

Die, wie ein Meteor, verschwindet?

Zeig' mir die Frucht die fault, eh' man sie bricht,

Und Bäume die sich täglich neu begrünen!

Mephistopheles.

Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,

Mit solchen Schätzen kann ich dienen.

Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran

Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mögen.

Faust.

Werd' ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,

So sei es gleich um mich gethan!

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Goethe: "Faust"

Kannst du mich schmeichelnd je belügen

Daß ich mir selbst gefallen mag,

Kannst du mich mit Genuß betrügen;

Das sei für mich der letzte Tag!

Die Wette biet' ich!

Mephistopheles.

Top!

Faust.

Und Schlag auf Schlag!

Werd' ich zum Augenblicke sagen:

Verweile doch! du bist so schön!

Dann magst du mich in Fesseln schlagen,

Dann will ich gern zu Grunde gehn!

Dann mag die Todtenglocke schallen,

Dann bist du deines Dienstes frei,

Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,

Es sei die Zeit für mich vorbei!

Mephistopheles.

Bedenk' es wohl, wir werden's nicht vergessen.

Faust.

Dazu hast du ein volles Recht,

Ich habe mich nicht freventlich vermessen.

Wie ich beharre bin ich Knecht,

Ob dein, was frag' ich, oder wessen.

Mephistopheles.

Ich werde heute gleich, bei'm Doctorschmaus,

Als Diener, meine Pflicht erfüllen.

Nur eins! --- Um Lebens oder Sterbens willen,

Bitt' ich mir ein paar Zeilen aus.

file:///D|/!Transfer/Faust%201.htm (60 of 205) [03.08.2001 13:15:11]

Goethe: "Faust"

Faust.

Auch was Geschriebnes forderst du Pedant?

Hast du noch keinen Mann, nicht Mannes-Wort gekannt?

Ist's nicht genug, daß mein gesprochnes Wort

Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?

Ras't nicht die Welt in allen Strömen fort,

Und mich soll ein Versprechen halten?

Doch dieser Wahn ist uns in's Herz gelegt,

Wer mag sich gern davon befreien?

Beglückt wer Treue rein im Busen trägt,

Kein Opfer wird ihn je gereuen!

Allein ein Pergament, beschrieben und beprägt,

Ist ein Gespenst, vor dem sich alle scheuen.

Das Wort erstirbt schon in der Feder,

Die Herrschaft führen Wachs und Leder.

Was willst du böser Geist von mir?

Erz, Marmor, Pergament, Papier?

Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder schreiben?

Ich gebe jede Wahl dir frei.

Mephistopheles.

Wie magst du deine Rednerei

Nur gleich so hitzig übertreiben?

Ist doch ein jedes Blättchen gut.

Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut.

Faust.

Wenn dieß dir völlig G'nüge thut,

So mag es bei der Fratze bleiben.

 

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