Folge 5: In Extremo / Banished Reality - 24.04.02 CD Kaserne, Celle:

   
   

 “Wunder gibt es immer wieder, heute oder morgen werden sie geschehen...“ Selbst in einem Schlagertext wie diesem steckt tatsächlich ein Fünkchen Wahrheit. Und so stand in meiner Heimatstadt Celle nach Jahrhunderten der Abstinenz wieder ein zünftiges Rockkonzert einer Band auf dem Programm, deren Bekanntheitsgrad nicht schon im Nachbardorf zum erliegen kommt.

Schließlich hatten sich In Extremo nach viermonatiger Spielpause für den heutigen Abend angesagt um der verschlafenen Residenzstadt mit ihrem Mittelalterrock einmal gehörig in den Allerwertesten zu treten.

Bevor es jedoch losgehen konnte gab es einige kleinere Verwirrungen an denen erkennbar war, dass Veranstaltungen dieser Art in Celle wahrlich nicht zur Tagesordnung gehören: Erst wurde die Abendkasse ohne Tickets an die Front geschickt, dann wusste niemand so genau wann es nun endlich losgehen sollte und schlussendlich war sich der Veranstalter selber nicht sicher, ob heute eine Vorband spielen sollte oder nicht und wenn ja welche.

Das Geheimnis löste sich dann allerdings recht bald auf, als ich drinnen auf der mächtig gewaltigen Bühne ein zweites Schlagzeug mit doppelter Bass-Drum stehen sah. Die Anfrage bei der Bühnensecurity förderte dann jedoch den nächsten Brüller zutage: es verhielt sich nämlich so, dass die Vorband, „Banished Reality“ aus Celle, selbst gerade erst per Telefonkette von ihrem Auftritt erfahren hatte und in einer Nacht- und Nebelaktion herbeigekarrt worden war.

Entsprechend gehetzt aber die Sache mit Humor nehmend betraten die Lokalmatadoren dann mit einiger Verspätung die Bühne und ließen für gute 25 Minuten ihre aktuelle CD „Relativität“ auf die zahlreich erschienenen Zuschauer niederprasseln. Leider muss man sagen dass die Celler mit ihrem Programm ziemlich am Publikum vorbei spielten. Sie mühten sich zwar redlich den Laden in Schwung zu bekommen, doch mit ihrem Thrash-Metal konnten sie, mal abgesehen von einigen Eingeweihten vor der Bühne (zu denen ich mich nicht Zählen durfte), bei der Masse keinen Blumentopf gewinnen. Das soll nun nicht bedeuten, dass der Auftritt schlecht war, er war nur vollkommen deplaziert. Entsprechend verwirrte Gesichter fand man danach auch im Zuschauerraum wieder.

Nach einer längeren Umbaupause hieß es dann aber endlich „Die Verrückten sind in der Stadt“ und die Zeit für den In Extremo Auftritt war angebrochen. Das Intro erschallte, Nebel umgarnte den Bühnenrand und Stück für Stück enterten sie die Bühne. Nachdem mich die „glorreichen Sieben“ beim letzten Konzert in Hannover durch sichtbare Lustlosigkeit eher enttäuscht hatten, war ich nun sehr gespannt, ob sie sich dieses mal besser schlagen würden.

Mit „Stetit Puella“, „Pavane“ und „Krummavisur“ legten die Jungs um Sänger Micha „Einhorn“ Rhein dann auch gleich zünftig los und brachten nach kleineren Zündaussetzern den Laden auf angenehme Betriebstemperatur, um mit gefahrlos ihren Gassenhauer „Herr Mannelig“ los zu lassen. So kam es dann, dass ich schon nach wenigen Minuten meine Zweifel an den Live-Qualitäten der Extremos weitestgehend über Bord schmiss und zum bangenden, gröhlenden Ungetüm mutierte. Es war deutlich spürbar, dass sich nach 4 Monaten Spielpause bei der Band eine unheimliche Bühnengeilheit angestaut hatte, die sie nun in eine energiegeladene Show kanalysierte. Da fiel es auch nicht weiter ins Gewicht, dass die Celler Feuerwehr für den heutigen Abend sämtliche Pyroelemente untersagt hatte (nach dem Motto: „Wenn es schon keine Pyros, dann wenigstens warme Gedanken“). Die Chose rockte und das alleine zählt!

Leider wurden die Jungs aber nach einiger Zeit unkonzentriert: Nun weiß zwar jeder der schon mal auf einem In Extremo Konzert war, dass zum guten Ton eines solchen immer auch ein Falscher gehört, doch was im Laufe dieses Abends so an Verspielern zusammenkam war schon recht heftig. Speziell die Herren mit den Blasinstrumenten, Yellow Pfeiffer und Gummimann Flex gerieten regelmäßig in die Schieflage und spielten mitunter komplette Songs in der falschen Tonart zu Ende (Le´Or Chiyuchech, Rotes Haar). Offenbar hofften sie, dass es auf die Weise niemand bemerken würde aber da machten sie die Rechnung ohne den Wirt.. Es dauerte dann auch nicht lange bis Einhorn, der zusammen mit den Saitenspielern eine hervorragende Leistung abrufen konnte eine Songpause dazu benutzte um einmal zuzugeben, dass es für die Band ein reichlich seltsames Gefühl sei nach so langer Zeit wieder vor derart vielen Menschen zu spielen. Mit einem Schuss Selbstironie meinte er dann „Na bis jetzt schlagen sich die Jungs ja noch ganz gut und mit eurer Hilfe fuchsen wir uns da wieder rein.“ und weiter ging es im Programm.

Dabei mischte die Band zielsicher Songs der letzten beiden Alben, ging ein hohes Tempo und kramte mitunter auch den ein oder anderen Klassiker (Ai Vis Lo Lop, Rotes Haar) aus der Mottenkiste. Entsprechend klasse war die Stimmung im Publikum, das auch noch bis in die hintersten Reihen anständig rockte. Einem Mädel vor der Bühne muss es bei der schweißtreibenden Show sogar derart eingeheizt haben, dass sie sich den BH vom Leib riss und ihn mit Schmackes auf die Bühne pfefferte. Sänger Einhorn, der diesen erst in einer Songpause auf der Monitorbox entdeckte, reagierte darauf zunächst irritiert. Erst dachte er die Backliner hätte sich einen Scherz erlaubt, bis er erkannte wo das gute Stück wirklich her kam. Nach einem kurzen Lachflash musste Einhorn seinem Bassisten Lutter erst mal erklären was passiert war, da dieser in den Nebelschwaden des hinteren Bühnenteils nicht genau mitbekommen hatte worum es eigentlich ging,

Spassig wurde es dann auch kurz vor Schluss noch einmal, als Einhorn mit „Rattenfänger“ und „ Maria Virgen“ erst Vollmundig zwei Stücke zur Auswahl offerierte und dann kleinlaut zugeben, den Text vom Rattenfänger verlegt zu haben. Somit setzte es unfreiwillig „Maria Virgen“, bis ihm auf Wunsch des Publikums der Text dann doch wieder einfiel ;-). Hiermit war die Show zunächst beendet. Doch das Septett stieg noch einmal für drei weitere Stücke auf die Bühne, um sehr zur Freude der älteren Fans „Hiemali Tempore“ und das lange nicht gespielte „Palästinalied“ vom Stapel zu lassen. Den endgültigen Schlusspunkt des Abend bildete „Nature nous semont“ bevor sich die Mittelalterrocker nach zwei schweißtreibenden Stunden verabschiedeten.

Dabei hinterließen sie nach der dünnen Vorstellung vor einem halben Jahr bei mir heute einen wesentlich besseren Eindruck. Zwar mangelte es nach der langen Spielpause an der Abstimmung, sodass der eine oder andere Song leicht aus dem Ruder lief, doch insgesamt konnte die Band mit ihrer wiedergewonnenen Spielfreude und Spontanität überzeugen. Der Funke sprang über und zurück, die Zeche war bezahlt, so soll es sein. Da fiel es auch kaum ins Gewicht, dass die Show komplett ohne die obligatorischen Pyros auskommen musste.

DerRitter

P.S.:

Ich bin sehr gespannt, in wie weit sich Celle mit dieser Vorstellung als Austragungsort für solche Konzerte empfohlen hat. Die CD Kaserne entpuppte sich in jedem Fall als würdiger Veranstaltungsort: Es gab hinreichend Platz, eine extrem große Bühne, ordentliche Akustik und die Hütte war für einen Mittwoch Abend erstaunlich gut gefüllt. Was will man mehr? (Ach ja, Feuer.... *grummel)

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