...Fortsetzung






DIE SINNE DER WALE:


Wale und Delfine entwickelten sich aus wolfsähnlichen Landsäugetieren. Wir können deshalb unterstellen, dass ihre Vorläufer fünf Sinne hatten, genau wie wir Menschen - Gesichts-, Tast-, Geschmacks-, Geruchs- und Gehörsinn - und dass diese Sinne, wie bei den anderen Landsäugetieren, darauf eingerichtet waren, Botschaften vorzugsweise durch das Medium Luft (und nicht Wasser!) zu empfangen. Als die ersten Säugetiere zu einer aquatischen Lebensweise zurückkehrten, war es für sie überlebenswichtig, die Sinne schnell wieder an die Lebensweise im Wasser anzupassen. Und soweit ein Sinn nicht so verändert werden konnte, dass er unter Wasser effektive Dienste leistete, war es erforderlich, einen neuen zu entwickeln, der ihn ersetzen konnte.


DAS AUGE:
Als Luftatmer müssen die Meeressäugetiere sowohl im Wasser als auch an der Luft sehen können. Ihre Augen dienten ursprünglich nur dem Sehen in der Luft, und es waren wichtige evolutionäre Entwicklungen erforderlich, um sie dazu zu befähigen, in beiden Medien erfolgreich zu funktionieren. Eines der Hauptprobleme dabei war, dass Licht sich im Wasser langsamer verbreitet als in der Luft. Außerdem werden die Strahlen beim Übergang von Luft in Wasser gebrochen. Aufgrund dieses physikalischen Phänomens können Augen, die an die Scharfeinstellung in der Luft angepaßt sind, im Wasser nicht fokussieren. Der Mensch umgeht dieses Problem, indem er beim Tauchen eine Maske trägt. Auf diese Weise bleibt vor dem Auge ein Luftraum, auch wenn wir uns unter Wasser aufhalten. Die Wale haben dieses Problem mittels einer physiologischen Veränderung bewältigt. Im Laufe ihrer Umwandlung in ausschließlich im Meer lebende Tiere haben sie kräftige Muskeln rund um die Augen entwickelt, die die Form der Linse so stark verändern können, daß die Augen zum Scharfstellen sowohl im Medium Luft als auch im Medium Wasser geeignet sind.

Wenig Licht unter Wasser:
Ein weiteres Problem, wenn das Auge sowohl an der Oberfläche als auch in den Tiefen des Meeres seinen Dienst tun soll, ist die Lichtintensität. Unter Wasser, speziell in der Tiefe, ist sehr wenig Licht vorhanden, wogegen es an der Wasseroberfläche sehr intensiv ist. Die Meeressäugetiere haben sich diesen extremen Lichtverhältnissen angepasst, indem das Auge eine sehr große Pupille hat. Diese Pupille kann große Mengen von Licht einfangen, so dass ein Tier selbst bei sehr schlechten Lichtverhältnissen sehen kann. Im hellen Sonnenlicht dagegen kann die Pupille bis auf einen sehr engen Schlitz geschlossen werden. Wenn sie ein Objekt in Augenschein nehmen, legen sich sowohl Wale als auch Delfine häufig auf die Seite und benutzen nur ein Auge, das übrigens frei beweglich ist und einen weiten Gesichtskreis abdecken kann. Sowohl unter Wasser als auch an der Oberfläche kann man dieses Verhalten beobachten. Genauso gut können sie aber auch Objekte, die sich dicht vor ihren Schnauzen befinden, fokussieren, indem sie sie mit beiden Augen anpeilen.


DER TASTSINN:
Normalerweise assoziieren wir diesen Sinn in erster Linie mit Händen und Fingern und eventuell noch mit unseren Füßen und Zehen. Wenn wir einen Gegenstand berühren oder befühlen, erhalten wir Informationen über seine dreidimensionale Gestalt, seine Oberflächenstruktur, seine Konsistenz und in gewissem Umfang auch über seine innere Beschaffenheit. Wale haben keine Hände mehr, die sie in ähnlicher Weise gebrauchen könnten, und dennoch ist der Tastsinn bei ihnen weiterhin sehr wichtig.







GESCHMACKS - UND GERUCHSSINN:
Bei Landtieren gibt es eine klare Unterscheidung zwischen Geschmack und Geruch. Riechen ist das Aufspüren chemischer, in der Luft verteilter Substanzen, die von einem entfernten Verursacher ausgehen. Schmecken bedeutet das Erkennen chemischer Substanzen, die in Flüssigkeit aufgelöst sind, die mit dem Mund in Berührung gebracht wird. Beide Sinne beruhen also auf chemischen Reizungen. Man glaubt, daß dies die älteste Sinnesleistung bei Tieren ist. Im Wasser ist die Unterscheidung zwischen Riechen und Schmecken weniger wichtig. Der Transfer chemischer Informationen kann nur über die Auflösung im Wasser erfolgen. Dennoch ist es sinnvoll, die zwei Sinne getrennt zu betrachten. Geruch ist im Wasser der chemische Sinn, der Informationen über eine gewisse Distanz hinweg vermittelt (die Anwesenheit eines Verfolgers oder von Nahrung), während der Geschmack hauptsächlich Informationen über Gegenstände nahe oder im Maul.
Wasser ist ein ausgezeichnetes Lösungsmittel für viele Substanzen. Diverse marine Organismen hängen vom chemischen Sinnesempfinden (Chemorezeption) ab, das ihr Hauptsinn beim Nahrungserwerb und beim Aufspüren eines Partners ist. Haie beispielsweise haben ein extrem hoch ausgebildetes olfaktorisches System für das "Riechen" über große Entfernungen hinweg, sowie wirkungsvolle Geschmacksrezeptoren im Maul für das "Schmecken" im Nahbereich.


Können Wale nur unter Wasser riechen?
Wir wissen, dass Wale sowohl in der Luft als auch im Wasser sehen können. Es ist deshalb logisch zu fragen, ob auch der Geruchssinn in beiden Medien arbeitet. In der Tat scheint er bei den Walen in beiden Medien nicht sehr hoch entwickelt zu sein.
Die Meeressäugetiere haben anscheinend ihren Geruchssinn in der Luft weitgehend verloren, da sie nur über eine sehr begrenzte Anzahl olfaktorischer Rezeptoren verfügen. Der Verlust des Geruchssinn steht im Zusammenhang mit der Verlagerung der Nasenlöcher an die höchste Stelle des Kopfes. Die Nasenlöcher sind normalerweise geschlossen. Nur wenn das Tier zum Atmen an der Oberfläche ist, werden sie geöffnet. Das Atemholen geht so schnell, dass das "Riechen" nur von beschränktem Nutzen sein kann. Bartenwale scheinen etwas mehr olfaktorische Rezeptoren zu besitzen als die Zahnwale. Möglicherweise sind sie immer noch in der Lage, diese Rezeptoren zum "In-den-Wind-Schnüffeln" bei der Suche nach planktonreichem Wasser zu gebrauchen.
Es gibt bei den Walen keine Hinweise auf ein Unterwasser-Geruchssystem, das mit dem olfaktorischen System bei den Haien vergleichbar wäre. Dies hätte auch die Entwicklung eines vollkommen neuen Sinnes bei den Walen erfordert. Sein Fehlen muss für die Wale einen großen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Haien bedeuten.


Wie schmeckt's dem Wal?
Der Geschmacksinn scheint zumindest bei einigen Arten noch vorhanden zu sein. Delfine können mit Sicherheit eine Reihe von Chemikalien aufspüren, die im Wasser gelöst sind und zwischen bestimmten Geschmacksrichtungen unterscheiden. Bei einigen Zahnwalen finden sich auf der Zunge offenbar auch Geschmacksknospen. Über Geschmackssinn bei Bartenwalen liegen noch keine Erkenntnisse vor. Wenn bestimmte Meeressäugetiere einen Geschmackssinn haben sollten, könnten sie ihn auf mehrfache Weise nutzen. Er könnte zum Beispiel eingesetzt werden, um die Nahrung auf ihre Genießbarkeit hin zu untersuchen. Wilde Delfine zum Beispiel lassen sich meist nicht mit toten Fischen füttern.





DAS GEHÖR:

Wie beim Gesichtssinn haben sich bei der Anpassung an die marine Lebensweise wichtige Veränderungen in der Methode, wie die Meeressäuger hören, eingestellt. Aufgrund der höheren Dichte des Wassers pflanzt sich der Schall in diesem Medium etwa fünfmal schneller fort als in der Luft. Ein offensichtliches Charakteristikum der Meeressäugetiere ist das Fehlen äußerer Ohren. Diese wurden im Interesse der stromlinienförmigen Körperform aufgegeben. Dennoch sind Ohren immer noch vorhanden - sie sind nur schwer zu erkennen. Es handelt sich um ein kleines Loch gleich hinter dem Auge. Beim Großen Tümmler (Tursiops truncatus) liegt das Ohrloch fünf bis sechs Zentimeter hinter dem Auge und hat einen Durchmesser von nur zwei bis drei Millimetern.


ECHOLOTATION:
Eine Sinnesleistung, über die Wale und Delfine verfügen, ist den meisten Landtieren unbekannt. Nur eine Fledermaus könnte wirklich die Bedeutung der Neuentwicklung einschätzen, die sich bei einigen Meeressäugetieren vollzogen hat. Eines der schwerwiegendsten Probleme für die Urwale war wohl, dass sie in einen Lebensraum vordrangen, für dessen besondere Bedingungen die anderen Meerestiere schon über Millionen von Jahren ideale Sinnessysteme entwickelt hatten. Insbesondere die Haie verfügten bereits über hochempfindliche Geruchs- und Schallempfangs-Systeme. Beides machte sie zweifellos zu den erfolgreichsten Raubtieren im Meer. Für die frühen Wale müssen die Haie sowohl als Verfolger als auch als Nahrungskonkurrenten die Hauptbedrohung dargestellt haben. Die Bartenwale lösten dieses Problem weitgehend, indem sie zu riesigen Größen heranwuchsen und sich von Plankton ernährten. Bei den Zahnwalen lagen die Dinge anders. Wenn sie erfolgreich mit den Haien in Wettbewerb treten wollten, mussten sie einen vollkommen neuen Sinn entwickeln, die Echolokation.


DAS PRINZIP:
Echolokation besteht aus der aktiven Aussendung von kurzen, breitspektrigen Impulsen - den so genannten Klicks - und der Auswertung der Echos, die von Hindernissen und sonstigen Objekten in der Nähe zurückgestrahlt werden. Das Echolokations-System der Zahnwale ist sehr präzise, da sie in einem breiten Band sowohl niederfrequente als auch hochfrequente Töne abstrahlen und ein sehr empfindliches Empfangsorgan besitzen. Die Fähigkeit der Wale, im trüben Wasser zu navigieren und Objekte zu identifizieren, die weit außerhalb der Sichtgrenze liegen, hat man an vielen Beispielen schon bewundern können.
Wenn wir mit unseren Augen auf einen Gegenstand sehen, empfangen wir zurückgestrahltes Licht. Vergleichbar wirkt das Echolokations-System der Wale - mit dem Unterschied, dass Schallwellen, die der Wal willkürlich aussendet, das Medium sind. Schallwellen können viel mehr Informationen befördern als das Licht, weil Schallwellen mehr in Wechselwirkung treten mit dem Raum, den sie durchqueren. Lichtstrahlen können durch selektive Absorption bestimmter Wellenlängen Farbmuster hervorrufen. Die Schallwellen dagegen können durch einen ähnlichen Prozeß ein dreidimensionales Bild vermitteln. Auch das Material des reflektierenden Objekts, sein innerer Aufbau und die Oberflächenbeschaffenheit beeinflussen die Reflektion und verursachen ein spezifisches Echo. Erst in den letzten Jahren haben wir erkannt, welch leistungsfähige Sinnestechnik dies ist. Die Ultraschall-Untersuchung der inneren Organe des Menschen ersetzt zunehmend in der ärztlichen Praxis die Durchleuchtung mittels Röntgenstrahlen.

          


FETTLAGER IM SCHÄDEL:
Die Echolokation ist bei den Zahnwalen in unterschiedlichen Ausprägungen zu finden. Man glaubt jedoch, dass alle Variationen auf demselben Grundprinzip beruhen und grundlegende anatomische Änderungen in der Struktur des Schädels mit sich gebracht haben. Bei allen Zahnwalen, die bis jetzt näher untersucht wurden, finden sich große Fettlager in Kopf und Unterkiefer. Sie sind einmalig im Tierreich und aus mehreren Gründen bemerkenswert.
Erstens: Im Verhältnis zur Größe des Tieres sind sie sehr groß und stellen einen immensen Vorrat potentieller Energie für den Stoffwechsel dar, auch wenn sie nicht als Energiequelle gebraucht zu werden scheinen.
Zweitens: Die chemische Zusammensetzung dieser Fette unterscheidet sich deutlich von der des normalen Körperfetts.
Drittens: Form und Lage dieser Fettlager waren offenbar so wichtig, dass wesentliche Veränderungen in Form und Struktur des Schädels erfolgten, um sie unterzubringen. Diese Strukturen stellen also, wenn man so will, auch eine starke "Belastung" für das Tier dar.


DAS SPERMACETINORGAN UND SEINE FUNKTIONEN:
Die größten Fettlager liegen vor dem Gehirnkasten. Bei den Pottwalen ist dies das Spermaceti-Organ und wiegt viele Tonnen. Bei den meisten anderen Zahnwalen findet sich ein ähnliches, aber weit kleineres Organ, das "Melone" genannt wird. Das andere große Fettlager im Unterkiefer liegt hinter einer Zone des Unterkiefers, wo der Knochen nur als dünne Scheibe ausgebildet ist. Dieses Fettlager ist in der Zusammensetzung dem in der Melone vergleichbar und erstreckt sich nach hinten bis in den Bereich des Mittelohrs. Es herrscht weitgehend Übereinstimmung darin, dass es bei der Echolokation eine Rolle spielt.

Man vermutet, dass diese wie folgt abläuft:
Das Tier produziert innerlich Schallwellen.
Das Fettorgan im Kopf bündelt diesen Schall zu einem Richtstrahl.
Reflektierte Schallwellen, die Informationen über das reflektierende Objekt enthalten, werden an dem dünnen Knochenblatt im Unterkiefer, dem "akustischen Fenster", empfangen.
Diese Schallwellen werden über das Fettorgan im Unterkiefer zum Mittelohr übertragen und die Informationen schließlich im Gehirn verarbeitet und interpretiert.

Viele Wissenschaftler glauben, dass die Fettlager im Kopf und Unterkiefer eine neue physiologische und biochemische Entwicklung darstellen, die den Zahnwalen die Möglichkeit verschaffte, ihre einzigartige akustische Sinnesleistung zu entwickeln.
Zwei weitere strukturelle Veränderungen am Kopf der Zahnwale führt man ebenfalls auf die Entwicklung des akustischen Sinnes zurück. Das ist zum einen die Reduktion der funktionalen Zähne, verglichen mit ihren fassilen Vorläufern. Mit der Entwicklung der Echolokation wurde der Fang der Opfer viel einfacher, und die Zähne wurden nicht mehr so dringend für diesen Zweck benötigt. Die zweite Veränderung ist die immense Vergrößerung des Gehirns bis zur heutigen Größe. Echolokation ist ein hochentwickelter Sinn, und dabei müssen viele Informationen verarbeitet werden. Wir wissen heute, dass ein großer Teil des Gehirns bei den Zahnwalen mit der Speicherung, Verarbeitung und Interpretation all der akustischen Signale beschäftigt ist, die Informationen über die Umwelt beinhalten.





DER MAGNETISCHE SINN:
Es gibt beachtliche Hinweise darauf, dass viele Organismen, von den Bakterien aufwärts, über eine Sinnesleistung verfügen, die Richtungsinformationen vom Magnetfeld der Erde empfangen kann. In Kotbakterien, Bienen, Schmetterlingen, Fischen, Vögeln, Fledermäusen und Reptilien hat man kleine Kristalle aus Magnetit gefunden, einer magnetischen Form des Eisenoxids. Auch bei einigen Meeressäugetieren wurde Magnetit nachgewiesen. Bei den höheren Organismen ist es gewöhnlich in der Nachbarschaft des Gehirns oder neben Gebieten eingelagert, in denen es eine hohe Konzentration von Nervenenden gibt.
Gegenwärtig werden viele andere Tiere auch auf das Vorhandensein solcher magnetischer Kristalle in ihrem Körper untersucht, und diese Forschungsrichtung befindet sich in einem sehr interessanten und aufregenden Stadium der Entwicklung mit vielen neuen Entdeckungen und Ideen. Man vermutet zur Zeit - vereinfacht dargestellt -, dass die Magnetitkristalle sich kontinuierlich parallel zu den natürlichen Magnetfeldern der Erde ausrichten. Sie verhalten sich also wie winzig kleine Kompassnadeln. Wenn das beherbergende Tier diese Lageveränderungen fühlen kann, kann es vermutlich daraus Informationen über die Richtung ableiten, in der es sich bewegt.
Die Meeressäugetiere scheinen in vorderster Front unter den anderen Säugetieren eine solche Sinnesleistung entwickelt zu haben. Bei einigen Zahnwalen hat man Magnetit-Kristalle in den äußeren Geweben des Gehirns nachgewiesen. In der marinen Umwelt gibt es wenige feste Punkte, die für die Navigation benutzt werden können. Die Entwicklung eines Orientierungs-Systems, das das Magnetfeld der Erde benutzt, könnte deshalb für Wale und Delfine von großem Nutzen sein - vergleichsweise so bedeutsam, wie die Erfindung des Kompass für die Schiffahrt.


MAGNETISCHE LANDMARKEN:
Normalerweise verlaufen die magnetischen Feldlinien mit gleichmäßiger Dichte von Norden nach Süden. An bestimmten Plätzen aber wird das Feld durch bestimmte geologische Formationen - beispielsweise eisenerzhaltige Gesteinsformationen - verformt. Derartige Störungen nennt man "geomagnetische Anomalien". Gebiete mit hohen oder niedrigen geomagnetischen Anomalien findet man überall in den Ozeanen, vor allem im Umkreis unterseeischer Berge, in den Zonen, wo aufgrund der Kontinentaldrift Gestein neugebildet wird, sowie auch in manchen Zonen der Kontinentalschelfe. Sie bilden feste, verlässliche "Landmarken" quer durch die Ozeane - sofern ein Tier sie mit entsprechender Sinnesleistung feststellen kann. Man vermutet, dass zumindest einige der Meeressäugetiere aufgrund ihres magnetischen Sinnes dazu in der Lage sind, und dass Strandungen das Ergebnis eines schwerwiegenden Navigationsfehlers der Wale sind, wobei sie sich zur Orientierung auf ihren magnetischen Sinn verlassen. Vielleicht ist dieser Sinn bei den Meeressäugetieren noch im Experimentier-Stadium?





INTILLIGENZ:


Geschichten über Wale und Delfine erscheinen häufig in Zeitungen und Zeitschriften. Fast immer wird darin auf die hohe Intelligenz dieser Tiere hingewiesen. Es ist deshalb weithin zum Allgemeingut geworden, dass Delphine hochintelligent seien. Aber entspricht das überhaupt der Wirklichkeit?
Schon die Untersuchung der menschlichen Intelligenz ist schwierig, und es gibt viele Beispiele dafür, wie kompliziert es ist, sie auch nur zu messen. Die mentalen Prozesse bei Tieren aber sind noch viel schwerer zu erforschen als beim Menschen, und deshalb ist jede Diskussion über die relative Intelligenz von Tieren in höchstem Maß subjektiv. Wir neigen dazu, Vergleiche anzustellen, zum Beispiel, ob ein Hund intelligenter sei als ein Schaf, ein Pferd klüger als ein Schwein, und so weiter. Häufig hängen die Ansichten davon ab, wieviel Zeit damit verbracht wurde, die betreffenden Tiere zu beobachten oder in Interaktion mit ihnen zu treten.
Die Cleverness nicht nur eines trainierten Delfins ist beeindruckend und verführt dazu, sie mit einer hohen Intelligenzleistung gleichzusetzen, vor allem, wenn man die besonderen Sinnesleistungen dieser Tiere wie Sonar-Ortung und das Hervorbringen komplexer Laute berücksichtigt.
Auch einige wenige Biologen vermuteten, dass Delfine hochintelligent seien. In den sechziger Jahren erreichte John Lilly einen beachtlichen Bekanntheitsgrad mit seinen Beschreibungen des großen, komplexen Gehirns von Delfinen und seiner daraus abgeleiteten Ansicht, diese Tiere besäßen einen hohen Grad von "nichtmenschlicher Intelligenz". Solche Vermutungen sind indessen pure Spekulation, genauso wie Lillys Ansicht, Delfine verfügten nicht nur über eine komplexe Sprache, sondern tauschten damit auch beträchtliche Mengen an Informationen aus. Bis heute hat noch keine Untersuchung direkte Beweise für diese Behauptung erbracht.






GRÖSSE UND STRUKTUR DES GEHIRNS:
Die Größe des Gehirns bei diesen Meeressäugetieren ist beachtlich und verführt zu Spekulationen über höhere geistige Prozesse. Man hat versucht, das relative Ausmaß der Gehirnentwicklung bei Tieren zu messen und den Begriff "Encephalisation" eingeführt, um auf eine Rangreihe der Gehirnentwicklung bei unterschiedlichen Tieren verweisen zu können.
Das Studium des Gehirns des Delfins hat gezeigt, dass es weniger entwickelt ist als das menschliche, aber höher als das anderer hoch encephalisierter Tiere wie beispielsweise das des Schimpansen.
Das besondere Merkmal des menschlichen Gehirns, das die meisten anderen Säugetiere nicht vorweisen können, ist die fortgeschrittene Entwicklung der Großhirnrinde. Diese ist sehr groß und außerordentlich stark gefurcht.
In diesem Teil des Gehirns liegen die bewussten Kontrollen der Körperfunktionen sowie komplexe Funktionen wie Korrelation, Assoziation und das Lernen. Ein Merkmal des Gehirns der Meeressäugetiere ist, wie beim Menschen, die Größe der Großhirnrindflächen. Sie sind ebenfalls in komplexer Weise gefurcht, aber die Großhirnrinde ist viel dünner als beim Menschen und anderer Säugetiere. Von den beschriebenen Merkmalen abgesehen, ist das Gehirn der Meeressäugetiere dem menschlichen nicht ähnlich; das Muster der Furchen ähnelt mehr dem der Huftiere wie Rind, Schaf oder Reh.
Die Struktur des Gehirns des Delfins ist durch die Arbeit vieler angesehener Biologen detailliert bekannt. Wenig weiß man aber über die funktionale Organisation, insbesondere die der Großhirnrinde bei Delfinen. Moderne Anatomen haben häufig von "primitiv" und "undifferenziert" gesprochen, um den mikroskopischen Aufbau dieser Rinde zu beschreiben. Sie weicht damit von der anderer Säugetiere ab.
Die Größe des Gehirns bei den Meeressäugetieren ist möglicherweise nicht einmal direkt vergleichbar mit der Größe bei den Landsäugetieren. Eine Erklärung dafür, warum das Gehirn des Delfins so groß, und ob es in der Funktion wirklich primitiv ist oder nicht, ist nicht möglich.
Eine interessante mögliche Erklärung wurde von dem Nobelpreisträger Francis Crick (er lieferte entscheidende Beiträge für die Entdeckung des Doppelhelix-Moleküls der DNS) entwickelt. Crick setzte das Gehirn der Säugetiere in Beziehung zu ihrer Stoffwechsel-Rate und zur Frage, ob sie im Schlaf Traumphasen oder REM-Phasen (rapid eye movement = schnelle Augenbewegungen) haben oder nicht. Er stellte fest, dass jene Säugetiere, bei denen es keinen oder nur einen reduzierten Traumschlaf gibt (und hierzu gehören sowohl Delfine als auch Wale), große Gehirne haben. Crick stellte die Hypothese auf, die Gehirne dieser Tiere seien groß, weil sie viel mehr Speicherplätze für unerwünschte Assoziationen (in seinen Worten "parasitic modes") brauchen als die anderen Säugetiere, die derartige Erinnerungen während der Traumphasen verarbeiten und löschen. Dies ist eine Hypothese wie viele andere, aber sie liefert eine plausible, neue Erklärung für Größe und Komplexität des Gehirns der Meeressäugetiere.





Wie intelligent sind Wale?
In seinem ausgezeichneten Buch Whales hat Nigel Bonner die Diskussion über Gehirngröße und Intelligenz ausgeweitet. Er vermutet, dass der Versuch, menschliche Konzepte der Intelligenz auf die Meeressäugetiere anzuwenden, sinnlos ist, da diese ein von unserem so verschiedenes Medium bewohnen.
Was ist Intelligenz? In der allgemeinsten Definition ist es die Fähigkeit zu verstehen und beinhaltet häufig auch noch die wechselseitige Übertragung von Informationen. Es kann darüber hinaus auch eine Auswahl aus verschiedenen möglichen Handlungen beinhalten. Das ist ein Vorgang, der ein Vorausdenken und die Beurteilung der Konsequenzen der verschiedenen Handlungsalternativen einschließt. Dies kann natürlich ohne Denkprozesse nicht erreicht werden.
Die Frage ist, ob Tiere überhaupt Gedanken und subjektive Gefühle empfinden? Konrad Lorenz gehörte zu den wenigen Wissenschaftlern, die sich mit Denkprozessen und Gefühlen bei den Tieren beschäftigt haben. Er unterstrich, dass es außerordentlich schwierig, vielleicht sogar unmöglich ist, überhaupt etwas über subjektive Erfahrungen einer anderen Art herauszufinden. Aber die Anhänger der Verhaltenslehre versuchen immer wieder die Möglichkeit ins Spiel zu bringen, dass Tiere ein Bewusstsein haben.
Der Wal erhält die meisten Informationen über seine Umwelt von den berührungsempfindlichen Sinnesorganen, die sich auf oder in seiner Haut befinden, und über das Gehör. Die Zahnwale ergänzen diese Informationen aktiv durch die Informationen, welche die Echolokation liefert.
Menschen, die lange Zeit mit Delfinen und Walen verbracht haben, waren beeindruckt von ihrer Freundlichkeit, und viele haben dies mit einer Art speziellem Verständnis zwischen Mensch und Tier erklärt. Diese Freundlichkeit macht die Delfine sicherlich mit zu den sympathischsten Tieren, aber es wäre töricht, daraus abzuleiten, dass sie eine spezielle Beziehung zwischen sich und uns empfänden.
Die Fähigkeit dressierter Wale und Delfine, bestimmte komplizierte Aufgaben zu erfüllen, darf nicht mit Intelligenz gleichgesetzt werden. Ein erfahrener Trainer kann eine Vielzahl von Tieren - Papageien, Tauben und selbst einige Wirbellose eingeschlossen - dazu bringen, recht komplexe, immer wiederkehrende Aufgaben zu erfüllen. Solche Leistungen sagen mehr über die Geduld und die Intelligenz des Trainers aus als über die trainierten Tiere!
Zweifellos können Wale und insbesondere Delfine Handlungen nachahmen. Sie sind in der Lage, andere Tiere, selbst andere Arten, zu beobachten und deren Verhalten in kurzer Zeit zu imitieren. Über ihre Intelligenz sagt das aber nichts aus.





EXPERIMENTE MIT ZAHNWALEN IN GEFANGENSCHAFT:
Große Tümmler verarbeiten Informationen über ihre Umwelt durch ihre Hörzentren. Eine Forschergruppe auf Hawaii (Louis Herman) brachte zwei Tümmlern künstliche Sprachen bei - die eine auf Gesten, die andere auf Tönen aufbauend. Im Gegensatz zu derartigen Sprachstudien bei Menschenaffen wurden die Delfine nur auf ihr Sprachverständnis getestet, nicht auf ihre Fähigkeit zur Reproduktion. Eine Reihe von Gegenständen (Bälle, Röhren, Frisbee-Scheiben und Reifen) wurden in den Pool des Tümmlers gelegt, und er wurde darauf abgerichtet, jeden davon mit einem bestimmten Ton oder einer Geste zu assoziieren. Dann brachte man ihm eine Reihe von Verben bei (beispielsweise "berühren" und "herholen") und gab ihm einfache Befehle (beispielsweise: "Berühre den Ball mit deiner Fluke!"). Diese Versuche zeigten, dass Delfine lernen können, Wortbedeutung und Satzstruktur zu verstehen - die Regeln also, die einer Sprache zugrunde liegen. Sie verstehen auch Bestimmungswörter wie "auf" und "ab", "oben", "unten" und "durch", sowie "links" und "rechts".
Ein anderes Ergebnis dieser Studien ist, dass die Tümmler allgemeine Regeln ableiten können, das heißt, sie verstehen die Regeln, die dem Verhalten zugrunde liegen, das auszuführen man sie gelehrt hat. Auch Trainer, die mit Kleinen Schwertwalen (Pseudorca crassidens) arbeiten, berichten, dass diese Tiere die dem Training zugrunde liegenden Regeln zu verstehen scheinen.
Andere Studien an gefangenen Delfinen lassen Aussagen darüber zu, wie Delfine ihre Umwelt wahrnehmen. Ein Delfin wurde darauf abgerichtet, Haie anzugreifen. Er griff Atlantische Braunhaie (Carcharhinus plumbeus), Zitronenhaie (Negaprion brevirostris) und Ammenhaie (Ginglymostoma cirratum) an, von denen keiner dafür bekannt ist, dass er gegen Delphine vorgeht. Er weigerte sich aber, einen Gemeinen Grundhai (Carcharhinus leucas) anzugreifen, der als Verfolger der Delfine bekannt ist. Dies deutet darauf hin, dass Tümmler in der Lage sind, die Haie nach der Bedrohung zu unterscheiden, die diese für sie darstellen.
Ein Faktor, der in der Diskussion über die Intelligenz der Zahnwale häufig übersehen wird, ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Arten von Zahnwalen. Über die meisten Aspekte ihrer Entwicklungsgeschichte weiß man wenig. Am besten kennt man noch die Delfine (Familie Delphinidae) und den Pottwal. "Delfin-Intelligenz" ist eine grobe Vereinfachung.
Es gibt so viele Unterschiede im Verhalten der einzelnen Arten, was auch bedeuten kann, dass ihre Intelligenz entsprechend unterschiedlich ist. Um dies weiter zu untersuchen, bat man Delfin-Trainer, die erkennbare Intelligenz anderer Delfine mit der des Tümmlers zu vergleichen und in eine Rangfolge zu bringen. Obwohl dies nur subjektive Einschätzungen waren und das Konzept der Untersuchung schlecht definiert war, gab es unter den Trainern weitgehende Übereinstimmung - einige Arten wurden als intelligenter als der Große Tümmler eingestuft, andere weniger.






                                                                                                



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