Rückkehr ins Berufsleben

Seit Mitte bzw. Ende Januar diesen Jahres (2002) bin ich wieder in das Berufsleben zurückgekehrt. Diese "Rückkehr" war für mich auch ein entscheidender Schritt in meiner Trauerbewältigung. Und es war auch einer der Abschnitte auf dem Weg der Trauer, der mich am meisten Kraft gekostet hat...

 

Was ist in mir vorgegangen

Nach dem Tod von Celia war ich zunächst acht Wochen während des gesetzlichen Mutterschutzes im Anschluß an die Geburt zu Hause.  Nach diesen acht Wochen hatte ich zunächst für weitere vier Wochen Urlaub beantragt. Im Laufe dieser Zeit habe ich gemerkt, dass ich einfach noch nicht bereit war, in die Firma zurückzukehren... Ich entwickelte einen regelrechten "Horror" bei diesem Gedanken und es ging mir seelisch auch noch viel zu schlecht, als dass ich den Anforderungen im Berufsleben schon wieder gewachsen wäre. So folgte auf den Urlaub nochmals eine sechswöchige Krankschreibung...

Während der Zeit zu Hause hatte ich eigentlich nur zu den Kolleginnen und Kollegen aus der Firma Kontakt mit denen ich auch befreundet bin. Diese Kollegen und Kolleginnen wussten wie es mir ging und hatten mich teilweise ein Stück weit durch die Trauer begleitet. Dennoch war die Vorstellung ins Büro zurückzukehren und auf all die betroffenen und hilflosen Menschen zu treffen,  ein Albtraum für mich. Oft habe ich gesagt, dass ich am liebsten nie wieder zurückkehren würde.... Vor dem Tod von Celia war ich beruflich sehr ehrgeizig und ich habe meinen Job geliebt... Die Vorstellung nun ins Büro zurückzukehren, wo ich fast die ganzen neun Monate mit Celia zusammen war, wo ich glücklich von meiner Schwangerschaft erzählt hatte, wo alle auch mit Spannung die Ankunft unserer Tochter erwartet hatten... es war für mich unvorstellbar dorthin wieder zurückzugehen... Dennoch wusste ich, dass ich mich dieser Situation irgendwann stellen muss...

Um am ersten Tag im Büro nicht den geballten Emotionen (sozusagen auf "beiden Seiten") ausgesetzt zu sein, verabredete ich mit einigen Kollegen vor meiner Rückkehr in die Firma ein Treffen an einem  "neutralen" Ort. Das heißt wir verabredeten uns in einem nahegelegenen Restaurant... Vor diesem ersten Treffen im November hätte ich mich am liebsten gedrückt... Eine meiner besten Freundinnen (eine ehemalige Kollegin von mir) begleitete mich ... ohne sie hätte ich wahrscheinlich nie die Kraft gefunden, zu dieser Verabredung zu gehen.

Das Treffen gestaltete sich so, dass erst einmal von allen relativ ungezwungen getan wurde, als wenn nichts gewesen wäre... und am liebsten wäre ich einfach nur weggelaufen... Im Laufe des Abends ergab sich dann aber die Möglichkeit zu erzählen, wie es uns ergangen ist, wie wir mit unserer Trauer umgehen und was eigentlich genau passiert ist... (niemand hatte sich bisher getraut zu fragen...). Der erste kleine Schritt der Annäherung war getan...

 

Der erste Arbeitstag

Ende Januar 2002 war er dann da ... der erste Arbeitstag... In der Nacht zuvor konnte ich mal wieder nicht schlafen und am liebsten hätte ich mir den morgigen Tag weit, weit hinfort gewünscht... Auf dem Weg ins Büro bin ich dann bereits das erste Mal in Tränen ausgebrochen... Das letzte Mal als ich diese Strecke mit dem Auto gefahren bin, da waren wir noch zu zweit...

Im Büro angekommen wollte ich einfach nur schnell in meinem Zimmer verschwinden, möglichst mit niemanden reden, erst einmal hinsetzen, verschnaufen und versuchen mit den Emotionen irgendwie klar zu kommen...

Die ersten Tage im Büro waren ehrlich gesagt sehr, sehr schlimm, denn immer wieder sind mir die Tage in Erinnerung gerufen worden, als ich noch mit Celia hochschwanger im Büro "herumgeturnt" bin... Man glaubt gar nicht, wieviele Erinnerungen man doch auch mit seinem Arbeitsplatz verbindet...

Die ersten Tage und Wochen waren eine ziemliche Belastung für mich und es ist kaum ein Tag vergangen an dem ich nicht auf dem Weg ins Büro oder nach Hause in Tränen ausgebrochen bin... Ich hatte mir das alles so ganz anders vorgestellt und da fand ich mich nun in einem Alltag wieder, den ich mir in dieser Form niemals vorgestellt hatte... Eigentlich wollte ich nur wenige Stunden wieder im Büro arbeiten, um mich ganz unserer Celia widmen zu können und da stand ich nun ... als Vollzeitkraft und Teamleiterin... ein Posten und eine Arbeitszeit von der ich mich gedanklich schon verabschiedet hatte, da unsere Tochter an allererster Stelle stehen sollte...

 

Wie haben sich die Kollegen verhalten?

Im Büro wurde ich von meinen direkten Kolleginnen mit Blumen und einem riesen Zettel am Bildschirm mit der Aufschrift "Schön dass Du wieder da bist" empfangen. Das hat mich sehr gerührt und ich bin unheimlich dankbar für diese liebe Reaktion gewesen.

Alle anderen Kollegen und Kolleginnen taten so, als wäre ich nur im Urlaub gewesen, als wäre nichts geschehen und vermeintlich fröhlich und ungezwungen begrüssten sie mich...

Diese überwiegende Reaktion, des "so Tuns als wäre nichts geschehen" hat mich doch ein wenig verletzt und hat auch dazu geführt, dass ich mich sehr zurückgezogen habe. Nur die wenigsten meiner Kollegen haben den Mut gefunden, mich direkt anzusprechen und denen, die den Mut hatten, bin ich unwahrscheinlich dankbar, denn sie sind ein Grund dafür, dass ich mich jeden Tag wieder erneut aufgerafft habe, um mich dem "Arbeitsalltag zu stellen".  Leider ist dieses "Schweigen" die Reaktion, der ich am häufigsten begegnet bin und auch weiterhin noch begegne. Nur die wenigsten Menschen finden den Mut mich direkt anzusprechen... und wer weiß, vielleicht hätte ich mich vor dem Tod von Celia auch nicht anders verhalten...

 

Was hat mir geholfen?

Es ist schwer zu sagen, was mir geholfen hat, wenigstens ansatzweise in den Arbeitsalltag zurückzufinden. Es sind zum Teil ganz individuelle Dinge, bei denen ich einfach denke, dass sie mir helfen und geholfen haben. Vielleicht kann ich mit der Erzählung aber doch einen kleinen Denkanstoß geben...

  • In den ersten Tagen habe ich gemerkt, dass ich einem vollen Arbeitsalltag nicht gewachsen bin. Ich habe daher einen Teil meines Urlaubsanspruches in Gutzeit auf meinem Gleitzeitkonto umbuchen lassen, so dass ich momentan noch immer verkürzt arbeiten kann. Je nach dem wie ich mich fühle kann ich nun kürzer oder aber auch einen vollen Arbeitstag lang im Büro bleiben. Generell gibt es auch die Möglichkeit nach dem Mutterschutz oder der Krankschreibung mit einer Teilarbeitsunfähigkeit wieder in den Beruf einzusteigen. Auch gibt es die Alternative nach dem Hamburger Modell, den Wiedereinstieg in das Berufsleben mit einer gestaffelten Stundenzahl zu gestalten.
  • Seine Gefühle zulassen und nicht versuchen diese zurückzuhalten. Wenn es gar nicht anders geht, sich halt auf der Toilette einschließen und den Tränen freien Lauf lassen. Ein ständiges Unterdrücken der Gefühle führt immer mehr zu einer inneren Anspannung und irgendwann bahnen sich die Gefühle sowieso ihren Weg an die Oberfläche... meistens dann im unpassensten Moment....
  • An Ritualen festhalten! Das heißt, die Dinge, die ich während der ganz intensiven Trauerzeit gemacht habe, an denen versuche ich festzuhalten. Zum Beispiel zünden wir jeden Abend die Kerzen für Celia bei uns zu Hause an, egal wie stressig auch der Tag gewesen ist und wie wenig Zeit wir vielleicht haben... Fast täglich besuche ich unsere kleine Maus vor der Arbeit auf dem Friedhof. Diese Zeit nehme ich mir einfach, denn ich brauche sie!
  • Um allen irgendwie zu zeigen, dass Celia zu mir gehört und dass ich ja auch Mutter geworden bin, habe ich ein Bild von Celia bei mir auf dem Schreibtisch aufgestellt. Es soll auch ein Zeichen dafür sein, dass ich mit dem Tod von Celia offen umgehe, dass meine Trauer nicht nur im Verborgenen abläuft und dass ich auch bereit bin, über meine Tochter zu reden, ja über sie reden möchte... Leider haben nur ganz wenige Kollegen sich bewußt das Bild angesehen und haben mit mir über meine Tochter und über unsere Trauer geredet... Was natürlich "hinter meinem Rücken" darüber in der Firma geredet wird, weiß ich nicht und es ist mir auch egal...
  • Wenn ich merke, dass mich der Arbeitsalltag überrollt, dass meine Gefühle und meine Trauer irgendwie verdrängt werden, dann versuche ich mir wenigstens eine kurze Auszeit zu nehmen. Denn wenn unsere Gefühle über längere Zeit zurückgedrängt werden, brechen sie irgendwann mit geballter Kraft über uns herein.
  • Zu Gefühlen und trauerbedingten Einschränkungen stehen! Am Anfang hatte ich im Büro sehr mit Konzentrationsstörungen und Stimmungsschwankungen zu kämpfen. Ich habe versucht meine Gefühle und Probleme auszusprechen, damit meine unmittelbaren Kolleginnen wussten, wie es mir geht und dass ich in vielen Dingen vielleicht noch nicht gleich voll belastbar bin. So haben wir es in den Anfangswochen auch geregelt, dass ich zunächst z.B. nicht ans Telefon gegangen bin, um nicht noch zusätzlich belastende Situationen hervorzurufen. Redet über Eure Gefühle, denn es kann letztendlich niemand erraten, wie es uns im Moment gerade geht und wie uns zumute ist!

 

Was hat mich belastet?

  • Das Schweigen der Kollegen und dass die überwiegende Anzahl meiner Kollegen und Kolleginnen wirklich so getan hat, als wäre ich nur im Urlaub gewesen und als wäre gar nichts geschehen. Kaum jemand ist auf mich zugegangen und es macht mich doch sehr nachdenklich, dass wir aus unserer Trauer heraus doch irgendwie auf die Menschen zugehen müssen, den ersten Schritt gehen müssen...

 

  • Bei der Rückkehr ins Büro habe ich schon damit gerechnet, dass ich wohl keine lange "Schonzeit" haben werde. Aber mit welcher Selbstverständlichkeit innerhalb kürzester Zeit schon wieder eine volle und uneingeschränkte Arbeitsleistung erwartet wird, hat mich doch überrascht!

 

  • Nach einigen Monaten auf Arbeit, fragt nun fast niemand mehr wie es mir wirklich geht. Ich will ja auch nicht die ganze Zeit "betuddelt" werden, aber scheinbar erwarten alle, dass es mit der Trauer ja irgendwann mal wieder gut sein muss.

 

  • Als belastend empfinde ich auch die wenigen "Rückzugsmöglichkeiten", die wir bei uns im Büro haben. Ich sitze mit drei weiteren Kolleginnen in einem Zimmer... Wenn einem die Tränen in die Augen schießen bleibt eigentlich nur der Gang auf die Toilette. Wenn es sich hätte einrichten lassen, wäre mir für eine Übergangszeit ein Einzelbüro wahrscheinlich sehr recht gewesen...

 

  • Ganz besonders schlimm ist für mich auch die Situation, dass mehrere meiner Kolleginnen schwanger waren oder zur Zeit noch sind und dass auch einige Ehefrauen von meinen Kollegen vor kurzem entbunden haben... Zu einer Frühstückslage meines Kollegen zur Geburt seiner Tochter, konnte ich einfach nicht gehen... Dazu zwingen wollte ich mich auch nicht und es wäre sicherlich für niemanden besonders angenehm gewesen, wenn ich dort angefangen hätte zu weinen... Solchen Situationen will ich mich erst dann aussetzten, wenn ich vielleicht ein wenig mehr Kraft hierfür gefunden habe...

 

FAZIT:

Der Weg zurück in das Berufsleben war einer der schwierigsten "Hürden" in meiner Trauer aber auch ein sehr, sehr wichtiger Schritt "zurück ins Leben". Denn ein stückweit hat mich gerade dieser Schritt wieder dem Alltagsleben näher gebracht, auch wenn in diesem Alltagsleben nichts mehr ist, wie es einmal war...

Dennoch kann ich jedem nur raten, erst dann in den Beruf zurückzukehren, wenn wirklich die Kraft hierzu vorhanden ist! Nur wenn ich denke, diesem Schritt gewachsen zu sein, sollte ich ihn auch wirklich erst in Angriff nehmen...

 

 


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