Schattenspiel

 

Von der Arroganz des Lichts

Jeder Mensch, der in der spirituellen Szene etwas bewandert ist, weiß um den Sachverhalt, dass in diesem Bereich das „Licht“ überbetont und glorifiziert, seine Schwester „Finsternis“ indes verdrängt und dämonisiert wird. Dieser Artikel möchte sich all den „Lichtkreisen“ mit ihrer „Lichtarbeit“ für ein „lichteres Zeitalter“ widmen, jedoch in keinster Weise mit dem Ziel sie zu verurteilen, sondern mit der Absicht sie vielleicht etwas zum Nachdenken anzuregen. Ebenso soll es andere Philosophinnen und Denker anregen, sich einmal mit diesem Thema auseinander zu setzen, denn das Paradigma, welches hier beleuchtet werden soll, hat weite und vernetzte Auswirkungen auf unser aller Geistes-, Seelen- und Gefühlsleben.

In der heutigen spirituellen Bewegung hat sich ein starkes Bedürfnis nach Bewusstseinsentwicklung herausgebildet. Das Ziel vieler Menschen ist es geworden ein „höheres“ Bewusstsein zu erlangen, um den anderen „zu leuchten“. Viele sehen den Weg dahin in der Verneinung und Unterdrückung der „Anhaftungen ihrer irdischen Existenz“. Damit haben sie meiner Meinung nach vollkommen Recht! Wer ein „reines Bewusstsein“ haben will, der muss sich vom Irdischen, vom Erdigen befreien – konsequent wäre da eigentlich nur sich umzubringen. Denn solange wir hier auf dieser Erde leben, solange wir einen Körper bewohnen, werden wir nie „rein“ sein. John O´Donohue greift diesen Gedanken sehr schön in seinem Buch „Anam Cara“ auf: „Es ist soweiso ein unsinniges Unterfangen, solche Begriffe [„rein“, „unrein“] aud Erd-Geschöpfe anwenden zu wollen. Wie könnte man in einem Wesen aus Erde auch Reinheit erwarten? Ein Erd-Geschöpf ist immer ein Gemisch aus Licht und Dunkelheit.“ Wir sind auf diese Erde geboren und unsere Seele hat in einem Teil der Erde – unserem Körper – ein Heim erhalten. Welcher Sinn soll darin liegen, dieses Heim zu verneinen und ihm Pflege zu verweigern? Wenn wir unseren Körper verlieren, verlieren wir unsere menschliche Existenz.

Trotzdem brauchen wir meiner Meinung nach eine Menge Reinigung, denn wir leben in einer Kultur, die Kriege, Verschwendungssucht und eine interessante Kombination von Selbsthass und Selbstüberhöhung lehrt. Es bedarf jedoch nicht einer Reinigung von „den Kräften der Finsternis“, der „menschlichen Natur“ oder gar „dem Bösen“. Die Ursachen liegen vielmehr in Ängsten, Traumata und Selbst-Entfremdung, die einzig und allein als Produkt unserer „modernen“ Gesellschaften und Lebensstile aufzufassen sind, wie uns Naturvölker nach wie vor beweisen. Vielleicht sollte unser Fokus daher mehr auf Heilung und Integration ausgerichtet sein, als auf „Reinheit“?

Eine fast schon amüsante Formulierung ist das Hinarbeiten auf ein „lichteres Zeitalter“, das von Liebe, Toleranz, Mitgefühl und Sanftheit geprägt sein soll. Ganz praktisch gedacht würde ich sagen, dass es durch die Zerstörung der Ozonschicht schon mehr als genug Licht auf der Erde gibt, was uns statt „Erleuchtung“ jedoch eher Hautkrebs beschert. Es ist eben so, wie schon im Zitat oben angedeutet, dass das Leben auf der Erde nur aus dem harmonischen Wechselspiel von Licht und Finsternis entstehen kann. Nur durch den liebevollen Tanz von Tag und Nacht können wir überleben. Gäbe es ab heute nur noch Nacht und Finsternis, so würden wir depressiv und kränklich (nebenbei würden wir erfrieren). Gäbe es nur noch Tag und Licht, wir würden überreizt und ausgedorrt (und wahrscheinlich an Hitzeschlag sterben). Wir brauchen also für unser Leben sowohl das erweckende, stimulierende Licht, als auch seine Schwester, die beruhigende, entspannende Finsternis.

Amüsant ist die Formulierung vom „lichteren“ Zeitalter auch gerade wegen der Qualitäten, die ihm zugesprochen werden. Eine Daoistin oder auch jeder Chinese würde Liebe, Mitgefühl, Toleranz und Sanftheit klar als Yin-Eigenschaften erkennen. Wie im Yin/Yang-Symbol erkennbar, handelt es sich beim Yin um die dunkle Schwester des Yang, während das lichte Yang beispielsweise auch Eigenschaften wie Glanz, Konkurrenz und Oberflächlichkeit verkörpert, wovon wir ja in unserer Gesellschaft genug haben. Sollten wir also nicht lieber für ein „finstereres“ Zeitalter arbeiten?

Es ist in der Tat so, dass unsere westliche Kultur schon seit der alten Griechen eher das Licht preist und ihm nacheifert, in seiner „Exaktheit“, „Korrektheit“, „Eindeutigkeit“ und vor allem seiner „Kontrollierbarkeit“. Das Finstere ist „ungewiss“, „verschwommen“, „diffus“ und „wild“ - das kann einen schon ängstigen, wie wohl auch den alten Zarathustra aus dem Nahen Osten, der mit seinen Lehren den Grundpfeiler für dieses wertende Weltbild im Westen legte (im Osten haben das die arischen Stämme, wie beispielsweise die Veder, alleine geschafft). Er lehrte, dass das Licht göttlich, rein und edel sei, während die Finsternis dämonisch, heimtückisch und verwerflich wäre. Dies war eine völlig neue, innovative These, auf die die alten Naturvölker niemals gekommen wären. Das Mutter Natur sich in zwei gegensätzliche Pole aufspalten könnte, wie Licht und Schatten, das war ihnen noch schlüssig. Dass diese aber einander entgegengesetzt und somit in Konkurrenz miteinander stehen könnten, darauf wären sie nie gekommen, waren doch selbst Tag und Nacht nur verschiedene Ausdrucksformen der gleichen Natur. Naja, scheinbar übernahmen auch schon damals die Menschen, vom Licht der Innovation geblendet, die unlogischsten Dinge und dieser Dualismus der bekriegenden Gegensätze setzt sich bis heute im Denken und Empfinden der Menschheit fort.

Was war damals eigentlich der Sinn dieser Neuerung? Es ging um Kontrolle. Die einfallenden Arier, eine Kriegskultur, wollten Macht über und Zugang zu den Rohstoffen der umliegenden Völker, da sie in den Wüstengebieten, aus denen sie kamen, nicht genügend Nahrung vorfanden. Sie unterdrückten, die wohlhabenden Völker und brachten gleich eine unterdrückende Philosophie mit sich: In einer Kultur, in der sich alle als gleichrangige Kinder der Natur betrachten, wäre es unmöglich gewesen sich als Herrscher aufzuspielen und Zugang zu den Nahrungsmitteln und anderen Rohstoffen zu verlangen. Da der Wohlstand der Naturvölker aber damals wie heute in einer empfindlichen Wechselbeziehung mit der Natur steht und daher nicht mehr genommen werden kann, als das jeweilige Volk es bedarf - denn es ist in seiner Populationsgröße an die Nahrungsbereitstellung der es umgebenden Natur genau angepasst – hätte das fremde Volk sonst aber gar nichts bekommen.
Die Arier unterdrückten also die ansässige Bevölkerung und rechtfertigten dies vor diesen und sich selbst damit, dass sie sich als „besseres“, „göttlicheres“ Volk betrachteten (so marschierten auch die Juden, die ebenso ein arisches Volk gewesen sind, mit größter Selbstverständlichkeit in Jordanien und Umgebung ein – sie waren ja Gottes auserwähltes Volk (vgl. altes Testament)). Die wilderen, organischeren Religionen der unterdrückten Völker wurden nun dämonisiert, ihre Kultur „verteufelt“ und ihnen wurde eingeimpft, sich dafür zu „schämen“. Alles, was das Volk unkontrollierbar gemacht hätte, wurde zur „Sünde“ erklärt und als „böse“ betrachtet. Gott (und damit seinen Priestern, Vertretern und Vollstreckern) zu dienen, galt jedoch als „Tugend“ und somit als „gut“.
Dieses Grundmuster wurde immer wieder von Eroberern angewandt und findet sich wieder in den Kreuzzügen und der Inquisition der mittelalterlichen Kirche, bei den Vorstellungen Hitlers, wie auch in den Ideologien moderner TerroristInnen. Ist es da nicht Zeit, um ein wahrlich neues Zeitalter einzuleiten, dass der Verständigung, Toleranz und liebevollen Annahme geweiht ist, dieses alte Paradigma gegen ein neues auszutauschen? Oder auch gegen das alte, dass diesem voraus ging?

Wenn wir eine wahrlich neue Welt erschaffen wollen, dann müssen wir ihr eine neue Ordnung zu Grunde legen. Haben wir den Mut zu fragen „Was wäre wenn?“, dann kann dieses Projekt gelingen, und das neue Zeitalter ist zum Greifen nah.



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