Jazz Rock & Fusion:

 

In den 60er Jahren war die Entwicklung des Jazz zu einem Höhepunkt, ja scheinbar zu einem Endpunkt gelangt. Der Jazz hatte sich konsequent von einer im Volkstum verwurzelten Musik hin zu einer Kunstmusik entwickelt. Dabei nahm vom New Orleans Jazz zum Swing, vom Swing zum Bebop, vom Bebop zum Free Jazz die Komplexität der melodischen, rhythmischen und harmonischen Ebenen zu, wobei schließlich sogar einige der Grundfesten solcher Parameter aufgelöst wurden.

Darüber hinaus experimentierten Musiker immer mehr mit dem formalen Moment, versuchten, neue Formen zu schaffen oder aber sich von formalen Konventionen zu lösen, die den Jazz zuvor bestimmt hatten – vom Blues beispielsweise oder von den üblichen Songformen. Der Third Stream, die modale Improvisation oder der Free Jazz in all seinen Ausformungen waren unter anderem Versuche einer Lösung dieses Formproblems. 

Eine Gegenbewegung musikalischer wie ökonomischer Art ist die Fusion der 70er Jahre, in der Musiker einerseits versuchten, der scheinbaren Komplexität des Free Jazz simple Formen entgegenzustellen, andererseits statt des elitären Publikums der 60er Jahre wieder ein Massenpublikum für den Jazz zu interessieren. 

Den beginnenden Erfolg der Fusion markiert Miles Davis' LP "Bitches Brew" von 1969. Neben Davis strebten damals auch Musiker von anderen Seiten einer solchen Fusion zwischen Jazz und Popularmusik zu.

Frank Zappa (1940-1993) beispielsweise ließ in seinen Personalstil Elemente aus dem aktuellen Jazz wie aus der zeitgenössischen komponierten Musik einfließen.

Der Gitarrist Jimi Hendrix (1942-1970) war nicht nur ein Popidol, sondern auch bei vielen Jazzmusikern wegen seiner Improvisationsgabe hochangesehen. 

Die Aufnahmen Miles Davis' aus den späten 60er Jahren aber waren am einflußreichsten auf die ein immer größeres Publikum findende Fusion-Musik. Dieser Einfluß begann bei Davis' Entscheidung für eine bis dahin unübliche Besetzung.

Zuvor war der Jazz – abgesehen von der elektrisch verstärkten Gitarre und einigen Ausflügen in die Rock- und Popinstrumentalistik – eine akustische Musik gewesen. Das änderte sich bereits 1968, als in der Miles Davis Band außer dem Trompeter, einem Saxophonisten und einem Schlagzeuger nur elektrische Instrumente spielten: drei Keyboards, E-Baß und E-Gitarre.

Die Fusion-Szene der 70er Jahre wurde von Musikern angeführt, die in Davis' Band von 1968 mitgewirkt hatten: Herbie Hancock (geb. 1940), der bis in die 90er Jahre hinein neben akustischen Konzerten immer auch auf den populären Markt gerichtete Fusion-Musik machte; Chick Corea (geb. 1941), dessen Band Return to Forever zu einem der wichtigsten Ensembles der 70er Jahre wurde; John McLaughlin (geb. 1942) mit seinem Mahavishnu-Orchestra; Joe Zawinul (geb. 1932), der zusammen mit Davis' Saxophonisten Wayne Shorter (geb. 1933) die erfolgreiche Gruppe Weather Report gründete. 

Die in der Fusion zunehmende Lautstärke von Keyboards, E-Bässen und E-Gitarren führte dazu, daß auch Bläser und Schlagzeuger verstärkt wurden und die Lautstärke bei Konzerten einen erheblich höheren Pegel erreichte als zuvor. Nicht zuletzt diese Tatsache unterstützte das negative Urteil der Jazzpuristen gegen die Fusion.

Miles Davis wurde für viele – und zwar auch für viele seiner vorherigen Anhänger – zum Totengräber des Jazz. Sein Bekenntnis, es sei ihm wichtig, mit seiner Musik Geld zu verdienen, störte zudem die über Jahrzehnte gewachsene Ästhetik vom Jazz als einer Kunst, die nicht nach Geld, sondern nur nach Erfüllung ihres Kunstzweckes trachte. Für viele Jazzmusiker spielten ökonomische Gründe bei ihrer Entscheidung eine wichtige Rolle, sich dem Jazzrock intensiver zuzuwenden. Das Jazzgeschäft lief schlecht, und die Verdienstmöglichkeiten in der populären Musik betrugen ein Vielfaches dessen, was sich ein Jazzmusiker erträumen konnte. 

Der Einfluß des Jazzrock in den 70er Jahren war enorm – und zwar nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern in der ganzen Welt. Jazzmusiker sahen eine Möglichkeit, in dieser Musik den Kontakt mit dem Publikum wiederzufinden, Rockmusiker waren von der erweiterten Hörbereitschaft vieler Jazzfans angetan, und so näherte man sich einander von beiden Seiten. Die Musik von Miles Davis in jener Zeit unterscheidet sich erheblich von dem, was er zuvor gespielt hatte. Seine Soli und die seiner Mitmusiker sind meist modal angelegt. Wo der Mangel harmonischen Wandels in der modalen Musik Davis' und Coltranes in den 50er Jahren allerdings durch die Komplexität in der melodischen Erfindungsgabe ein Gegengewicht fand, wird er nun zum Selbstzweck. Legt man die Ästhetik der 50er und 60er Jahre an die Musik an, die Miles Davis in der Fusion der 70er machte, muß man zwangsläufig zum Schluß gelangen, diese sei vergleichsweise "schlechter" – wenn überhaupt noch – Jazz. Das Experiment der Fusion aber führte durchaus für beide Bereiche – Rock wie Jazz – zu einer Fortentwicklung.

Durch die technische Perfektion vieler der aus dem Jazzbereich stammenden Musiker hielt eine neue Professionalität Einzug in die Pop- und Rockmusik. In ihr wurden immer mehr Musiker aktiv, die eine grundlegende Ausbildung im Jazz hinter sich hatten und in der Lage waren, beispielsweise als Schlagzeuger sowohl swingende Jazz- als auch treibende Rockrhythmen zu spielen, als Saxophonisten virtuos-freie Soli und soulhaltige Passagen zu blasen, oder als Gitarristen lärmende Klangfetzen und harmonische Jazzakkorde zu setzen. 

Die Fusion aus Jazz und Rock ist in der Retrospektive eine historische Stilrichtung, die nicht ohne Einfluß auf die weitere Entwicklung des Jazz blieb. Sie fand in den 70er Jahren ein großes Publikum für diese Musik, öffnete außerdem vielen Jazzmusikern neue Aufführungsorte. Schließlich formte die Fusion den Stil einer ganzen Generaton auch von Musikern, die sich später nicht mehr in ihr bewegten.

Wenn man in den 90er Jahren von einem Generationskonflikt in der Jazzmusik sprechen könnte, dann wäre dies einer zwischen älteren Musikern, die die Erfahrung des Jazzrock in ihre Musik einfließen lassen – beispielsweise Pat Metheny (geb. 1954), David Sanborn (geb. 1945) oder die Gruppe Steps Ahead –, und jüngeren Musikern, die sich traditionelleren Stilrichtungen zuwenden, welche weit vor dem Jazzrock der 70er, nämlich im Hardbop der 50er wurzelten – beispielsweise Wynton Marsalis oder Roy Hargrove (geb. 1969). 

Einige der Fusionmusiker wandten sich bereits Mitte der 70er Jahre einem scheinbar diametral entgegengesetzten Genre zu: der akustischen kammermusikalischen Improvisation. Die Pianisten Keith Jarrett (geb. 1945), Chick Corea und Herbie Hancock traten teils solistisch mit romantisch anmutenden langen Impovisationen an die Öffentlichkeit, teils aber auch mit im Bebop und in der Pianistik Bill Evans' verwurzelten Aufnahmen in der Tradition des modernen Jazzklaviers. Auch der Gitarrist John McLaughlin begann seinen Jazzrock-Experimenten eine akustische-nachdenklichere und dabei extrem virtuose kammermusikalische Seite gegenüberzustellen.

In akustischen Konzerten der genannten Musiker findet sich ein sehr viel größeres Publikum als in vergleichbaren Konzerten von Jazzern, die sich keinen populären Namen gemacht hatten – sicher ein Beleg für den Erfolg des Fusion-Konzepts, durch die Verbindung von Jazz und Rock nicht nur neue Klangwelten, sondern auch ein breiteres Publikum zu erobern. 

 

Weitere wichtige Namen :

Brian Auger

Keith Jarrett

Jan Garbarek

Charlie Haden

Tony Williams

Cozy Powell

 

Datenschutzerklärung
Gratis Homepage erstellen bei Beepworld
 
Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der
Autor dieser Homepage, kontaktierbar über dieses Formular!