gedichtetexte


 

 

Barbara BaLo* Lorenz

... die mit Wort und Bild Kunst macht,
Lesungen hält, Lebenskünste pflegt,
mit Peperoni tanzt & mit Liebe, Wasser,
Wein & Gold kocht.

 

Gedichte und Texte – Auswahl

 

   Die Feile der Zeit

Arbeitet an den Ecken der Welt

Und an den Falten

Meines Gesichtes

 

Bildhauer Schicksal

Lachmeißel

Tränenhammer

Und was die Liebe

Uns hinterlässt:

 

Die Vergoldungen

Der Seele

 

Mehlbeerrausch

im Weißdornbusch

 

Zinnoberrot von Mehlbeer

schwer wiegt sich der Ast

vom Weißdornbusch

und unterm Tiefblauhimmel

schwelgt die Saat

 

Der Herbst prangt

in fürstlich-goldenem Ornat

und schwingt sein Zepter

auf das Hermelin

aus Silbermoos.

 

Wie bin ich trunken

voll und zugleich

leicht wie Federwerk

 

von Farbe, Ernte,

Licht und Jubel

wild beseelt

 

so träum ich mich

ganz weit

bis hintern Saum

der Zeit

 

 

Mit mir allein

Im Haus

Bin ich die Maus

Auf dem Tisch

 

Eine Maus mit Flügeln

Aus Phantasiegarn

 

Damit spinne ich

Mir den Tag

Wie aus Seide

 

Darin wickle ich

Meine schönsten Gedanken ein

 

Meine Gedanken aus

Liebesweben

Und Glückswerben

 

Im Traumland

Aus dem ich stamme

Wächst die Wunschwolle

Und der Glücksfaden

Der niemals reißt.

 

 

Rotbarbe

 

Die Rotbarbe bin ich

auf dem Bett aus zarten Salaten

und Kräutern

dem Beet aus Vinaigrettesamt

und duftenden Organenzesten

 

Ich inhaliere den Geruch

um mich herum

das Aroma vom Meer

einer Ahnung von dir

und der Wärme deiner Haut

 

Seesalziger Queller

auf dem blauen Spiegel aus Glas

pazifiktief blickt mich das Sehnen an

und aus meinen Augen

quillt still

was sich so verzehrt

 

Ich esse von deinem Teller

sitze auf deiner Bank

und meine Gedanken

reisen dir hinter her

bis du wieder kommst

brate ich auf deinem Herd

bis ich gar bin

und reif

 

für die Ernte deiner Hände

 

Nachtschattenschwer

sein Nichtlächeln

in meinem Kaltrücken

das Salzweh

auf meinem Mund

Augen geborsten

mitten im Liebesblick.

Flüstern:

"Wann kommst du wieder?"

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SPUREN - Weltbilder

 

Die Spuren von Mokassins auf weichem Waldboden,

Schlittenhundfährten im harschigen Schnee,

Lichtspuren am Firmament

und Kondensstreifen quer überm Himmel.

 

Fingerabdrücke, Blutspuren, Haarfollikel,

forensische  Beweise,

lupenfein unter dem Mikroskop.

Spuren von Leben in Petrischalen:

Schimmelpilzsporen, Einzeller, Geiseltierchen.

Und das kleinste Insekt der Welt,

im Zoom einer Kamera.

Gottes Schöpfung in allem.

 

Spuren von Tränen:

glasklare Rinnsale von Salzwasser

auf rot geweinten Wangen.

Handabdrücke auf nackter Haut.

Nachweise von Gewalt

und Kummer, zugefügt

im Schatten der Nacht,

im Taglicht, sichtbar geworden:

Kainsmale.

 

Satellitenaufnahmen aus dem Weltraum,

die gewundene Linie der Chinesischen Mauer,

Flussläufe, Kontinentalgräben,

Geleise, Weggabelungen, Hieroglyphen.

Schriftzeichen, Satzzeichen.

Pflugfurchen auf Feldern,

Narben, Faltengesichter,

Lebenseinschnitte ins Körperholz gekerbt.

Erfahrungen: Fleisch geworden.

 

Die Ergebnisse der Fortpflanzung.

Kindersaaten, Samenstreuer,

Löwenzahnsegler im Wind.

Vermächtnisse: erhalten

und weitergegeben.

 

Kussspuren auf meinen Lippen.

Dein Wort noch im Ohr:

Schallwellen, Herzbeben,

Liebesklang.

Gute Hände auf meinen

Schultern, warm unter der Sonne,

weiter tragen,

was bleibt.

 


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Der Friedhof

Als sie den Friedhof betrat, dämmerte es bereits. Auf den Gräbern flackerten die Ewigen Lichtlein rotwangig in die wachsende Dunkelheit. Es begann zu schneien, und die Schneeflocken tanzten in der frostigen Luft und glimmten weiß im letzten Taglicht.

Sie erinnerte sich, wie ihr Vater im Frühjahr gestorben war. Still hatte er dagelegen und hatte endlich seine Ruhe finden dürfen. Vor den Krankenhausfenstern war es nachtfinster, nur aus der Ferne, von der Mitte der Stadt her, war vereinzelter Lichtschein zu sehen. Sie blickte hinaus und hin zum Turm der Stadtkirche, der von Scheinwerfern angestrahlt wie ein Leuchtturm in der Finsternis wirkte.

Ihr Vater war auch so ein Leuchtturm gewesen, für sie. Einer der aufrecht stand und strahlte, auch in der Nacht. Auch als junger Mann, als er lange Jahre in den Wäldern Russlands gewesen war, mit kaum Hoffnung auf eine Wiederkehr. Doch er hatte wieder heim kommen dürfen.

Nun hatte er wieder aus einem tiefen Forst nach Hause gefunden: Die lange, lähmende Krankheit war sein Gefangenenlager gewesen. Jetzt war er frei.

Ihr Vater war ein Mensch, der mit Herz und Verstand zu leben wusste. Warmherzig und gut. Sein Vorbild würde ihr immer Auftrag sein: Mit dem Sturm leben lernen, im Kalten eigener Ofen sein, der Wärme abgibt, hoffnungsvolles Licht sein, wo die Nacht sich ausgebreitet hat. Sogar dann, als er in den letzten Jahren an der schweren Nervenmuskelerkrankung leiden musste. Selbst, als er kein Wort mehr sprechen konnte, leuchteten seine Augen noch sehr beredt und liebevoll in den Kummer hinein, versuchten Trost zu spenden, wo die eigene Verzweiflung schier übermächtig gewesen sein musste.

Sie spürte seiner Seele nach, wie sie sich in die Nachthimmel erstreckte, erfühlte ihre Wärme und ihr Licht. Sie sah sie förmlich sich ausbreiten. Hin zum Kirchturm, in die Mitte der Stadt und in sich selber. Selig kommt von Seele her, und sie spürte das ganz deutlich. Wie eine Hand, die stütze und half.

Seither waren Monate vergangen. Der Winter war angebrochen, und ein weiteres Weihnachtsfest stand vor der Tür. Es war das erste ohne ihren Vater, und doch das erste auch mit ihm in allem.

Das Gräberfeld lag friedlich unter den Bäumen des Waldfriedhofs. Tannenzweige, Trockengestecke, Grabsteine, Seelenlichter, Kreuze und vereinzelte Besucher: alles still unterm Abendhimmel. Ihr Vater atmete nicht mehr, und doch war sein Atem überall.

 

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GRATE

 

"Die wenigsten Dinge kommen einfach", meinte sie, während sie den letzten Schluck aus ihrer Kaffeetasse nahm: Satz mit inbegriffen. Neben ihnen der Stapel unerledigter Schriftstücke, das Wissen, daß so vieles noch zu regeln war, Amtsbriefe und die ganzen Sorgen um Alltagsbelange und die besonderen Anforderungen durch die Krankheit des Vaters. Listenweise Telefonnummern, die anzurufen waren. Die ganze Ungerechtigkeit, die ihnen gerade widerfuhr. Es war wie ein Berg, der zu besteigen war. Der Weg war hart und voller felsiger Grate. "Du bist schon vor dem ersten Atemzug zum Kämpfer geboren. Weil Du kämpfen musst. Fast immer und um beinahe alles." - Er sah sie an und schwieg. Sie sagten beiden nichts mehr, sondern sahen zum Fenster hinaus, wo aus den Ästen das erste Laub des Jahres hervorwuchs. "Auch das ist ein Kampf", dachte sie. "Dieses Herausgeschossenwerden aus dem harten Holz." Nichts, nichts, schien einfach zu kommen: Alles vom Gewaltakt der Geburt bis hin zur Agonie des Todes. Dazwischen der Hindernisparcours zum kleinen und großen Glück am Wegesrand. Erfolg der schwer zu erlangen war. Liebe, die gebrochen, Kinder, die so ersehnt gewesen waren und nie das Licht der Welt erblickt hatten. Die ganzen Gräber voll mit verlorenen Freunden und Familienmitgliedern. Zynismus, der sich im Laufe der Jahre breit gemacht hatte, hockte wie ein seltsamer Golem unsichtbar mit am Tisch.

Aber als sie so da saßen, sickerten Sonnenstrahlen ins Zimmer. Lautlos machte sich das Morgenlicht breit, kam einfach und vollkommen kampflos.

 

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Am Beinhaus von Fort Douaumont

stand ich als Jugendliche

und sah mit meinen Kinderaugen

das Grauen

abgelagert bis in den Turm

hinaus ein Schrei

aus tausendfachen Schicksalen

gewebt

die Bajonette der Verschütteten

ragen noch aus dem Boden

verbrannte Erde

so weit der Blick reicht

weiße Kreuze

darunter tote junge Männer

vieler Länder

vermischt und gleich

im Fallen und Verfallen

die Söhne

die Geliebten

die Väter

so viel Hoffnung

für die Welt

einfach ausgelöscht

in senfgasender Zeit

Masken aus Gummi verrotten

im Acker noch heute

Granaten

die Bauern zerfetzen

mitten im Frieden

 

Stellungskrieg

und Nie-Vergessen

machten mich

zu einem Rufer

nach Frieden

und niemals wieder

Krieg...

 

heute

60 Jahre nach dem Anfang

eines weiteren Krieges

bin ich Witwe des Friedenstäuberichs

bin ich Rebekka jenseits von Auschwitz

bin ich die Augen

der Kinder...

 

Wahr ist

der Auftrag

des dichtenden Menschen:

 

Salz zu sein und Hand

die über Gräben und Gräber

hinüberreicht

zur Berührung

von Fragen

und Seelen

um im Verbinden

Hoffnung zu sein

 

die Hoffnung der Welt

 

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Dass wir die Welt bewegen

Hin zu einer Zukunft

Trotz aller Finsternisse

Abgründe

Angstfaktoren

Immer wieder

Gutes neu ansäen,

hegen, pflegen

in Stürmen ausharren

und auch wenn uns

die Sonne scheint

nicht vergessen

 

ist der Reichtum

den wir haben

und geben

 

Leben vom Leben

Herz vom Herzen

Segen durch uns

Der uns wieder findet

auf den weltlichen Wegen

zu Gott

 

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Grün aus dem Ast

explodiert über Nacht

als gäb’s nur dieses

eine Sich-Entzünden

harmlos

im Kreislauf der Natur.

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Seliges Andenken, tiefe Trauer,

die Seele fliegt in Land des Lichts

~ FÜR OTTO ~

19.02.2007
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Alle Texte/Illustrationen:

© Barbara BaLo* Lorenz, Penzendorfer Str. 98 A, D-91126 Schwabach, balodiba@yahoo.de

 

BaLo*s Lyrik Seiten: Wort, Bild, Kunst, Lesungen, Gedanken, Kochleidenschaften, Blatt-Goldenes für Gourmets und mehr 

Webmasterin: BaLo* , Stand vom 21.02.2007., http://balo.here.de
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